Vor vier Wochen traten Frauen in der katholischen Kirche in den Kirchenstreik, unter dem Stichwort „Maria 2.0“ forderten sie eine Erneuerung der Kirche, die Abschaffung des Pflichtzölibats und die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern. Die Frage treibt die Gläubigen offenbar um – so stark, dass sich nun der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf eigens zu dem Thema äußerte. Das Thema beschäftige das Bistum und auch ihn persönlich auf vielen Ebenen, schrieb Kohlgraf am Dienstag, und betonte: „Auch in den Leitungsaufgaben unseres Bistums sind zu wenige Frauen vertreten.“ Zudem kritisierte Kohlgraf deutlich das Machtwort von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1994: „So kann man eine Debatte nicht (mehr) unterdrücken“, sagte Kohlgraf. Eine einfache Lösung gebe es dennoch nicht – das Wort des Papstes lasse sich im Prinzip nur durch ein Konzil der Weltkirche lösen.
Die Frage von Frauen in Priesterämtern bewegt und spaltet die katholische Kirche bereits seit Jahrzehnten. Für viele Frauen ist es ein Grund, der Kirche den Rücken zu kehren – zumal die protestantische Kirche die Vorbehalte gegen Frauen in sakralen Ämtern nicht hat. Dort stehen selbstverständlich Frauen im Priesterornat am Altar, es gibt Bischöfinnen und Kirchenführerinnen. Gott habe Männer und Frauen gleich geschaffen, argumentierten Mitte Mai auch die streikenden Frauen von „Maria 2.0“ und forderten nichts weniger als „die Abschaffung bestehender männerbündischer Machtstrukturen“ in der katholischen Kirche. Gerade auch angesichts anhaltender Missbrauchsskandale „werden wir deutlich machen, dass jetzt die Zeit ist und die Stunde, um zu handeln.“
Der Aufruhr der Frauen ging offenbar auch an der obersten Kirchenspitze nicht vorbei. Ihn hätten zahlreiche Anfragen und Reaktionen zu dem Thema Umgang der Kirche mit Frauen erreicht, teilte Bischof Peter Kohlgraf am Dienstag schriftlich mit, und räumte ein: „Tatsächlich sind auch in den Leitungsaufgaben unseres Bistums zu wenige Frauen
vertreten, das stellt mich nicht zufrieden.“ Auf dem Pastoralen Weg „werden wir über Leitung und Beteiligung konkret reden müssen, und es wird nicht beim Reden bleiben dürfen“, betonte Kohlgraf. Auch das das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) habe in die Deutsche Bischofskonferenz die Debatte über die Ämterfrage für die Frauen in der Kirche gefordert.
Und dann kritisierte der Mainzer Bischof in durchaus deutlichen Worten das Machtwort des Papstes aus dem Jahr 1994. Papst Johannes Paul II. hatte damals durch eine lehramtliche Erklärung die Forderung nach einer Zulassung der Frauen zu den kirchlichen Ämtern ausgeschlossen, indem er sich auf die Praxis und den Willen Jesu berufen hatte. Der Papst habe damit die endgültige Unmöglichkeit einer Veränderung der kirchlichen Praxis betont und damit die Diskussion um die Zulassung von Frauen ein für alle Mal beenden wollen, sagte Kohlgraf.
Doch es zeige sich, dass der Papst damit „massiv unterschätzt hat, welches Gefühl von Ungerechtigkeit und Diskriminierung die kirchliche Praxis und Lehre bei vielen Gläubigen auslöst“, sagte Kohlgraf, und weiter: „So kann man eine Debatte nicht (mehr) unterdrücken, und sie wird ja in zunehmender Heftigkeit geführt.“ Er nehme deshalb deutlich wahr, dass es nicht reichen werde, am Ende „gut gemeinte Erklärungen zu erstellen, die nichts Konkretes beinhalten.“ Die traditionellen Argumente für den Ausschluss würden von vielen Menschen nicht mehr verstanden, „und es reicht nicht, sie nur besser zu erklären“, unterstrich er.
Doch gleichzeitig warnte Kohlgraf auch: Eine schnelle Lösung der Frage könne es nicht geben. Denn indem der Papst „den Ausschluss quasi als Glaubenssatz verkündet“ habe, könne kein Papst diese Entscheidung einfach wieder kippen – und auch regionale Sonderlösungen werde es nicht geben können. Denn auch Papst Franziskus habe ebenso wie Kohlgrafs Vorgänger Kardinal Karl Lehmann diese Tür für geschlossen erklärt. „Ich gebe zu, dass die Unvereinbarkeit der Sichtweisen mich auch ratlos macht“, sagte Kohlgraf weiter. Und „wenigstens ein bisschen bewegt mich die Frage, ob die letzten 2.000 Jahre
Kirchengeschichte den Willen Jesu tatsächlich derart missverstanden haben sollten.“
Klar sei: Die Frage von Frauen in Priesterämtern habe „offenkundig erhebliches Spaltungspotential“ für die Kirche. Denn ihn erreichten durchaus auch andere Stimmen, die aus einer anderen Richtung Druck machten, sagte Kohlgraf: Die etwa bei Maria 2.0 vertretenen Positionen zur Rolle der Frau würden nicht von allen in der Kirche geteilt, die Reaktionen reichten bis hin zur Androhung einer Spaltung, wenn die deutschen Bischöfe den Weg der Öffnung weiter verfolgten. „Ich verstehe die Aussagen des Papstes auch als Sorge um die Einheit der Weltkirche“, fügte Kohlgraf hinzu.
Aus seiner Sicht bedürfe es deshalb „eines Konzils der Weltkirche, um überhaupt neu an diese Frage heranzugehen.“ Die Berufsrollen von Priestern und anderer Hauptamtlicher „werden sich in einer Art verändern, die wir jetzt noch nicht absehen können“, so der Bischof weiter. Er sehe deshalb hier durchaus Chancen für Veränderung: „Wir verbinden meines Erachtens Leitungsfunktionen zu sehr mit dem Weiheamt in der Kirche, zu oft wird allein die sakramentale Weihe mit Leitung, Verantwortung und Macht gleichgesetzt“, sagte Kohlgraf. Er glaube, dass es realistische Möglichkeiten für Leitungsaufgaben für Nicht-Ordinierte gebe, „die wir in keiner Weise ausgeschöpft haben.“
Info& auf Mainz&: Mehr zu Maria 2.0 lest Ihr hier bei Mainz&, in demselben Artikel geht es auch um Konsequenzen aus der Missbrauchsstudie in kirchlichen Bistümern.