Der Metzger versteht die Welt nicht mehr. „Der Marktstand ist zu kurz, Sie liegen exakt 11 Zentimeter unter der Norm“, reklamiert Frau Pegel von der Marktordnung, und verhängt eine saftige Geldbuße. Ein Strafzettel, weil die Worscht zu warm, und der Stand zu kurz? Das kann nur das närrische Marktfrühstück des Gonsenheimer Carnevals Vereins (GCV) sein. Gut dreieinhalb Stunden brennt der GCV bei seinen Kammerspielen 2019 ein hochkarätiges närrisches Feuerwerk vom Feinsten ab, bei dem Veganer, Klimaschützer und natürlich die Stadtpolitik ihr Fett weg bekommen. Am Ende wird ein Großer verabschiedet, retten die Ökos das Klima und die Ratten den Wein – ein närrischer Marktbummel der Extraklasse.

Marktduell mit Sebastian und Christina Grom bei den GCV Kammerspielen 2019. - Foto: gik
Marktduell mit Sebastian und Christina Grom bei den GCV Kammerspielen 2019. – Foto: gik

Zum Jahresende 2019 zeigt sich: Die Nachwuchsförderung des GCV trägt reife Früchte. Die Gebrüder Werum sind mit ihrem Einstiegslied schon zu einer festen Größe geworden, natürlich besingen sie dieses Mal das Marktfrühstück. Das erste Highlight setzt dann gleich Christophe Hinz als närrischer Bundeswehr-Flieger, der rasant-spritzig den Saal aufmischt – klasse! „Haste Worscht in der Tasche, haste immer was zum Nasche“, singen die Fleischworschtathleten, und stemmen sich damit gegen den um sich greifenden Veganertrend, den der Narrenmarkt genüsslich glossiert: „Vegane Metzgerei – wir nennen das Blumenladen“, lästert der Metzger.

Die Ode an die Worscht erfreut ihn sichtlich, denn ansonsten hat er schwer zu kämpfen: An seinem Stand ist tote Hose, während nebenan am Weinstand die Schlange nicht abreißt. „Sie müssen sich neu erfinden, sonst gehen Sie mit der Zeit“, rät die Frau vom Weinstand: „Die Würstchen müssen winzig klein sein, die Preise aber riesengroß.“ Und setzt mal eben den Schoppen auf einen Euro runter mit der Ansage: „Wer mehr säuft, fährt weniger Auto, dadurch sparste jede Menge CO2“, sagt die Weinfrau, und intoniert zur Gaudi des Publikums: „Fahr net fort, sauf‘ im Ort!“

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Christina Grom als Marktfrau und Sebastian Grom als Metzger liefern sich ein herrliches Marktduell und damit eine nonchalante Sitzungsmoderation in feinster moderner Spielform ab – fleißig unterstützt von Lea Heymann als herrlich nervig und entlarvend-korrupte Marktchefin… Das Top-Thema der Kampagne 2020 aber bricht sich an diesem Abend schon mal mit Macht Bahn: Greta Thunberg und die neuen Klimaschützer werden die Bühnen bevölkern – bei den Kammerspielen des GCV lassen sie sich gleich mehrfach blicken. Da kalauert sich es „Gredl aus Ober-Olm“ durch Transportwege und Gemüse, geht „Shoppe for Future“, und seufzt: „Man muss immer so schlinge, sonst wird’s welk…“ Nachwuchsliebling Luca Lautenschläger liefert erneut ein närrisches Kammerstückchen ab, kurz, knackig und närrisch.

Klasse Auftakt der GCV Kammerspiele: Christophe Hinz als Bundeswehrflieger. - Foto: gik
Klasse Auftakt der GCV Kammerspiele: Christophe Hinz als Bundeswehrflieger. – Foto: gik

Überhaupt drückt der GCV an diesem Abend gewaltig aufs Tempo: Die Nummern sind ausgesprochen kurz, das macht die Sitzung extrem kurzweilig und bekommt vielen Programmpunkten gut. Und immer wieder streuen die Programmchefs Thomas Becker und Severin Geisler kleine Musiknummern dazwischen wie die „Vegane Fleischworscht“ des stimmgewaltigen Thomas Feller oder die nette neue Mainz-Hymne „Meenz, Du bist Heimat“ von Laura Heinz.

Und so laufen die Akteure in diesem schwungvollen Reigen auch selbst zu Hochform auf – ein erstes großes Highlight: Der Coffeeshop von Torsten Schäfer als höchst skurriler Rastaman, der an seinem Stand Muckefuck (Sex zu guter Musik) verkauft, oder doch – Tüten? „Sie werden doch nicht im hochanständigen Gonsenheim Kondome verkaufen?“, entsetzt sich da der herrlich steife Snob Thorsten Spengler, und verkündet: „Ich brauche eine Tüte mit Niveau!“ Gibt es – denn der Rastaman verkauft subversiv-verdeckt tatsächlich illegale alte Plastiktüten. „Voll Vintage“, staunt Snob „Karl-Heinz“ angesichts der alten Schätzchen von Aldi-Tüte oder gar Schlecker-Beutel – eine großartige närrische Persiflage auf aktuelle Umweltdebatten.

Grandiose Coffeeshop-Show mit Torsten Schäfer und Thorsten Spengler. - Foto: gik
Grandiose Coffeeshop-Show mit Torsten Schäfer und Thorsten Spengler. – Foto: gik

Abfuhren, und zwar jede Menge, verteilen danach Jens Ohler und Andreas Müller als extrem gechillte Gassekehrer mit großer Schauspielkunst, trotzdem finden die Meenzer „Ratten“ Johannes Bersch und Thomas Becker danach allerlei Krümel auf dem Markt der internationalen Diktatoreneitelkeiten von Donald Trump über King Jon Un bis hin zum Briten Boris Johnson und der „Rattenplage AfD“. Die Nagetiere mit Kanalisationshintergrund brennen ein herrliches Gagfeuerwerk ab, und trollen sich schließlich frei nach dem Motto: „Katzen würden Whiskas kaufen, Ratten würden Riesling saufen.“

„Die Trauben hängen das ganze Jahr doof rum, mache nix, sind dann besoffen und werden gekauft wie doof“, seufzt da das Gemüse vom Marktstand nebenan – die „Vier Alten“ Benno Hellmold, Michael Emrich, Martin Heininger und Christian Schier liefern ein närrisches Allerlei auf höchstem Niveau ab, wieder einmal. Das kongeniale Quartett verteilt Spitzen gegen Superfood und Supp-Unternehmer, legt die SPD schon mal in die Kiste – und landet am Ende doch selbst verwelkt im Wildpark Gonsenheim. Die Vier Alten kommen später noch einmal auf ihre Parkbank zurück und liefern Durchblick zu E-Scootern, OB-Wahl und natürlich dem Klimaproblem.

Verrücktes Gemüse beim närrischen Marktfrühstück. - Foto: gik
Verrücktes Gemüse beim närrischen Marktfrühstück. – Foto: gik

Auf dem Markt geht’s derweil turbulent zu: Ein Junggesellinnenabschied mischt die Szene auf, das Ballett der Füsiliergarde macht mit Jeansjacken, Tütüts und einer Braut gute Stimmung. Da darf Amor natürlich nicht fehlen: Marius Hohmann nimmt als göttlicher Liebesbote mit rasantem Wortwitz Dating-Apps und Lebenspartnerabschnitts-Zustände aufs Korn und zelebriert mit seiner Shoppepartner24.de-App, wie es im wahren Leben auch mit dem unwahrscheinlichsten Nachbarn klappt: „Alkohol ist keine Lösung, sondern ein Destillat“, doziert Amor, „spätestens nach elf Schoppe verliebt sich jeder Single bei mir.“ Was umgehend Peter Büttner als Finther Landwirt und Jessica Hochhaus als Akademikerin mit einer großartigen Performance beweisen…

Sorgen für die richtigen närrischen Abfuhren: Andreas Müller und Jens Ohler als Straßenkehrer. - Foto: gik
Sorgen für die richtigen närrischen Abfuhren: Andreas Müller und Jens Ohler als Straßenkehrer. – Foto: gik

Es kann nur noch närrischer werden – und das zelebrieren de‘ Karl alias Rudi Hube und die Elsbeth alias Michael Emrich, die ein französisches Galadiner gewinnen, und natürlich Kellner Achim Hube in den Wahnsinn treiben und am Ende mit Koch Johannes Emrich in die Küche entschwinden – Michael Emrich frönt mal wieder seiner Leidenschaft zur närrischen hohen Kunst in Frauenkleidern, während die Söhne Hube und Emrich ihren alten Herren französisch-gewitzt durchaus das Wasser reichen können – groß.

„Schön wird die Welt bald nicht mehr sein“, singen Greta und

Die Schnorreswackler sangen vom Frieden. - Foto: gik
Die Schnorreswackler sangen vom Frieden. – Foto: gik

ihre Klimaaktivisten – na klar: Die Brüder Bockius kommen natürlich am Phänomen des Jahres 2019 auch nicht vorbei. Richtig gut aber sind sie mal wieder mit einer neuen Mainz-Hymne samt furioser Rap-Einlage – die Meenzer Antwort auf die Kölner Musikszene. Altmeister Erhard Grom schaut als Finther Gockel noch schnell Politiker, Fußball und dem neuen MCV-Präsidenten auf die Flügel, bevor schon die nächste Gemüsetruppe über die Bühne wirbelt: Das GCV-Ballett mit wunderschönen Kostümen.

Klar, dass man danach mal austreten muss, und weil die Schlange am Busch zu lang ist, verschlägt es den ein oder anderen Besucher dann doch zu „Josef Stratzinger & Söhne – läuft bei uns.“ Die spülen mit Felswasser und bauen gerade das Erweiterungsset mit Musik ein – eine herrlich schlüpfrig-närrische Einlage der Herpes House Band.

Sagte leise Adios: Werner Renkes schließt seine Cantina del Popolo. - Foto: gik
Sagte leise Adios: Werner Renkes schließt seine Cantina del Popolo. – Foto: gik

„Rettet unsere Erde hier, sie ist die einzige mit Schnaps und Bier“, skandiert da der Flashmob auf dem Marktfrühstück – die Schnorreswackler schlurfen als Ökos und Klimaretter daher und singen „aus Angst vor dem Wandel mein Lied, und hoffen dass nichts geschieht“. Das bisschen Klima wird sich doch noch retten lassen, wenn nur die Schnorreswackler die Welt regieren (Achtung, Ohrwurm!). Die Gesangstruppe liefert schon wieder hitverdächtige neue Hymnen ab, groovende Rhythmen auf Parkbänken und Weinfässern inklusive…

Bleibt am Ende nur noch die Verneigung vor einem, der nach 15 Jahren seine Cantina del Populo schließt: Werner Renkes serviert als Kantinenwirt Antonio vom Bundestag seinen letzten Grappa mit deftigen Polit-Spitzen gegen die Irrenhäuser der hohen Politik, und sagt am Ende „Finito, Basta, Aus.“ Wieder ein Großer des politischen Vortrags, der sich von der Bühne verabschiedet – der Saal dankt ihm mit minutenlangen stehenden Ovationen.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den neuen Ohrwürmern der kommenden Kampagne findet Ihr in unserem Mainz&-Videokanal auf Youtube, genau hier entlang bitte. Unsere Fotogalerie ist leider dieses Mal aus technischen Gründe etwas eingeschränkt, sorry an alle Akteure, die wir deshalb nicht abbilden konnten.

 

 

 

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