Ein geplanter Aufmarsch der rechtsextremen Partei NSP hat am Samstag weite Teile der Innenstadt von Mainz lahmgelegt. Die rechte Splitterpartei wollte ab 12.00 Uhr vom Mainzer Hauptbahnhof aus durch die Innenstadt marschieren, doch daraus wurde nichts: Rund 2.500 Gegendemonstranten stellten sich dem entgegen. Die NSP wich daraufhin nach Mombach aus, auch dort kamen sie aber nicht weit. Das geschehen legt indes weiter große Teile des Öffentlichen Nahverkehrs lahm, Geschäfte machten gar nicht erst auf – der Schaden für die Einzelhändler ist groß.

Anmerkung&: Das hier vorher veröffentlichte Foto eines Tweets zum Demonstrationsgeschehen wurde entfernt, weil sich der Verfasser an einem verleumderischen Shitstorm gegen Mainz& auf Twitter beteiligt hat. Mehr dazu unten.   

Hinter dem Kürzel „NSP“ steckt die „Neue Stärke Partei“, gegründet wurde sie im Mai 2021 von bekannten Größen der Neonazi-Szene aus Thüringen, wie die Frankfurter Rundschau berichtet. Die Partei berufe sich in ihrem Programm und öffentlichen Auftreten explizit auf den Nationalsozialismus und begrüße ihre Mitglieder unter anderem mit Parolen wie „Heil unseren Vorfahren – Heil Deutschland – Heil der Neuen Stärke!“

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Gründer der Partei seien „längst bekannte Thüringer Neonazis wie Michel Fischer und Enrico Biczysko“, die auch bereits in der Neonazipartei „Dritter Weg“ aktiv gewesen seien, berichtet die FR weiter. Auch der Neonazi Florian Grabowski sei dabei, der bereits der in rechtsextremen Kameradschaften aktiv war. Die NSP wolle bundesweit expandieren und sei seit Kurzem auch in Hessen aktiv, schrieb die FR im April. „Es sind extrem gefährliche Leute mit einem hohen Gewaltpotenzial“, zitiert die FR die Rechtsextremismusexpertin Kira Ayyadi.

 

Nun will die NSP ihren Aktionsradius offenbar auch in Richtung Mainz und Rheinhessen ausdehnen: Am Samstag hatte sie eine Kundgebung in Mainz angemeldet, und zwar gleich von 12.00 Uhr bis 18.00 Uhr, das Motto: „Kampfkultur 2022“. 100 bis 150 Teilnehmer sollten kommen, am Ende wurden es nach Angaben der Mainzer Polizei ganze 60. Die Neonazis waren mit einem Zug aus Richtung Saulheim angereist und wollten eigentlich vom Mainzer Hauptbahnhof aus durch Mainz ziehen – doch daraus wurde nichts.

Auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sprach auf der Gegenkundgebung. - Foto: Rheinhessen gegen Rechts
Auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sprach auf der Gegenkundgebung. – Foto: Rheinhessen gegen Rechts

Dem Aufmarsch stellte sich ein breites Bündnis entgegen, zu dem rund 60 Gruppierungen aus allen Teilen der Gesellschaft aufgerufen hatte: Gewerkschaften und Parteien, Studierendengruppen und Landesjugendring, „Omas gegen Rechts“ und „Rheinhessen gegen rechts“, sogar die Jüdische Gemeinde Mainz sowie das Katholische Dekanat unterzeichneten den Demoaufruf. So wurden insgesamt vier größere Demonstrationszüge und elf Kundgebungen angemeldet, das Ziel: Den Aufmarsch der rechten schon im Keim zu stoppen.

Ab etwa 11.00 Uhr zogen dann Demonstrationszüge des gegendemo-Bündnis durch Mainz, unter anderem vom Bahnhof Römisches Theater zum Mainzer Hauptbahnhof. Dort fanden im Umfeld zwei größere Kundgebungen linker Gruppierungen am Hauptbahnhof West sowie des Deutschen Gewerkschaftsbundes an der Schottstraße statt, bei der auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sprach. „Bisher konnten solche Aufmärsche in Mainz noch immer von breiten zivilgesellschaftlichen Bündnissen verhindert werden“, hieß es beim DGB: „Das soll auch so bleiben. Nie wieder dürfen wir es zulassen, dass Nazis in Mainz marschieren und Angst und Hass verbreiten.“

 

„Rund 13 Jahre ist es her, seit sich zuletzt organisierte Neonazis in Mainz mit einem Aufmarsch versuchten – und Dank dem großen Einsatz zahlreicher antifaschistisch aktiver Gruppen und Einzelpersonen aus Mainz und er Region kläglich scheiterten“, teilte auch ein Antifa-Bündnis im Vorfeld der Kundgebungen mit. Wegen der zahlreichen Blockaden „saßen die Nazis 2009 (damals um die NPD) über Stunden am Hauptbahnhof fest, bevor sich die Versammlung auflösen musste. An diesen Erfolg möchte am kommenden Samstag das überregionale Blockadebündnis „Rechte Kampfkultur entwaffnen“ anschließen.

Rund 1.500 Gegendemonstranten stellten sich an der Mombacher Zwerchallee dem Aufmarsch der NSP entgegen. - Foto: Twitter-Account "Kein Fußbreit"
Rund 1.500 Gegendemonstranten stellten sich an der Mombacher Zwerchallee dem Aufmarsch der NSP entgegen. – Foto: Twitter-Account „Kein Fußbreit“

Die genannte Blockade fand 2009 am 1. Mai statt, zu den „Einzelpersonen“ gehörte damals auch Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der in der ersten Reihe der Demonstrierenden sich dem Aufmarsch der rechten NPD entgegen stellte. Mehrere Tausend Menschen vorwiegend aus der Zivilgesellschaften blockierten damals alle Straßen zum Mainzer Hauptbahnhof – die Verfasserin dieser Zeilen war damals live dabei. Im November 2015 hatten dann erneut mehr als 1.000 Mainzer eine Kundgebung der AfD vor dem Mainzer Staatstheater erfolgreich ausgebremst – unter anderem schallte den Rechten die „Ode an die Freude“ aus dem Mainzer Staatstheater entgegen.

Am Samstag nun mussten die neuen Rechten erfahren: Mainz ist noch immer ein richtig schlechtes Pflaster für rechte Aufmärsche. Geschätzt 2000 bis 2.500 Gegendemonstranten hätten sich ab 12.00 Uhr rund um den Mainzer Hauptbahnhof versammelt, berichtete die Mainzer Polizei auf Mainz&-Anfrage. Um die 60 Teilnehmer der NSP-Kundgebung seien schließlich mit dem Zug angereist – doch den Hauptbahnhof hätten sie gar nicht erst verlassen.

 

Die NSP meldete kurzfristig eine weitere Kundgebung in Mainz-Mombach an der Waggonfabrik an und reiste dort auch mit dem Zug hin. Dort wollten die Demonstranten ihren geplanten Aufmarsch durchführen, das zunächst auch passiert, so ein Polizeisprecher weiter. Doch die Neonazis kamen nicht weit: Nach etwa 50 Metern war Schluss. Denn die Gegendemonstranten hatten den Umzug ebenfalls mitbekommen: Im Sprint eilten die Protestierenden nach Mombach, dort blockierten rund 1.500 Teilnehmer den Aufmarsch der Rechten.

Die Mainzer Polizei drängte schließlich die aufgelöste Kundgebung der NSPO zurück. - Foto: Twitter-Account Kein Fußbreit
Die Mainzer Polizei drängte schließlich die aufgelöste Kundgebung der NSPO zurück. – Foto: Twitter-Account Kein Fußbreit

Der Versammlungsleiter der NSP-Kundgebung habe schließlich seine Versammlung für beendet erklärt, teilte die Polizei weiter mit, das geschah gegen 14.20 Uhr. Die NSP-Teilnehmer mussten sich zurückziehe, Videos zeigen, dass sie dabei von Polizeikräften energisch unterstützt und zurückgedrängt wurden. „Wir warten darauf, dass die NSPler mit dem Zug abfahren“, hieß es dann um 15.20 Uhr bei der Mainzer Polizei. Das Problem: Gegendemonstranten hätten kurzzeitig die Gleise blockiert, so dass der Zug nicht abfahren konnte.

Am Rande der Kundgebung in Mombach kam es derweil zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Antifa-Gruppen. Videos auf Twitter zeigen unter anderem, wie Antifa-Gruppen Mannschaftswagen der Polizei auf einer Kreuzung blockieren, an einer Absperrung an der Kreuzung Hattenbergstraße-Zwerchallee sei es dann zu Rangeleien gekommen. Nach Angaben der Polizei versuchten Antifa-Gruppen, die Absperrung zu durchbrechen, es seien auch Steine in Richtung der Polizisten geflogen. Die Polizei setzte daraufhin Pfefferspray ein, es kam zu einigen Verletzten.

 

Die meisten Gegendemonstranten bewegten sich ab 15.30 Uhr wieder zurück zum Hauptbahnhof, dort sollte noch eine Abschlusskundgebung stattfinden. Das Demonstrationsgeschehen hatte derweil massive Auswirkungen auf die gesamte Mainzer Innenstadt: Der Bahnhofsvorplatz wurde bereits ab 7.00 Uhr morgens abgesperrt, dadurch waren weite Teile der Innenstadt bis hin zum Höfchen und dem Mainzer Südbahnhof praktisch den ganzen Tag für den ÖPNV gesperrt. „Die Buslinien müssen tagsüber teilweise weiträumig umgeleitet werden und die Straßenbahnen können nur noch auf Teilabschnitten abfahren“, hieß es bei der Mainzer Mobilität.

Rund um den Mainzer Hauptbahnhof herrschte am Samstag Ausnahmezustand. - Foto: gik
Rund um den Mainzer Hauptbahnhof herrschte am Samstag Ausnahmezustand. – Foto: gik

Das hatte auch massive Auswirkungen auf den Mainzer Einzelhandel: Viele Kunden mieden am Samstag die Mainzer Innenstadt, manche Geschäfte blieben gleich für den ganzen Tag geschlossen. Das „Mainzer Marktfrühstück“ war ebenso abgesagt worden wie der Ausschank der Mainzer Winzer am Rheinufer. An der Organisation gab es denn auch Kritik: Ob es denn nicht sinnvoller sei, den Aufmarsch der rechten mit Nichtbeachtung zu strafen, kommentierten viele Leser auf Facebook.

Auch die Mainzer CDU argumentierte so: Sie hatte eine Teilnahme an den Gegendemonstrationen abgelehnt. „Wir wollen die Kleinstpartei NSP mit Veranstaltungen nicht noch weiter aufwerten“, sagte der Mainzer CDU-Chef Thomas Gerster: „Wir haben in der Vergangenheit beobachtet, dass genau solche Gegenproteste erst die Aufmerksamkeit auf eine Handvoll Extreme lenken, die sonst unterhalb der Wahrnehmungsgrenze bleiben würden.“ Die CDU lehne jegliche Form von Rechtsextremismus entschieden ab, rechtsextreme Gruppierungen stellten eine reelle Gefahr für die Demokratie in Deutschland dar – aufwerten wolle man sie aber nicht.

 

Widerspruch gegen diese Haltung kommt unter anderem von der Linken: „Die Vergangenheit lehrt: Städte, in denen Rechtsextreme ‚gemütlich‘ und ohne Gegenprotest ihre Kundgebungen und Routen laufen konnten, hatten danach immer wieder mit ihnen zu tun“, sagte Henrik Barka Laufer. Teilweise seien diese Veranstaltungen dann zu Großkundgebungen aufgewachsen. „Fragt Euch mal, warum nach der Blamage von 2009 keine große rechtsextreme Demo mehr in Mainz stattgefunden hat“, betonte Laufer: Weil die Rechten „keinen Meter“ voran gekommen und ihre menschenverachtenden Parolen nicht hätten zu Gehör bringen können.

Demo-Aufruf des Bündnisses. - Foto: DGB
Demo-Aufruf des Bündnisses. – Foto: DGB

Das Bündnis „Kein Nazi-Aufmarsch in Mainz“ zog eine zufriedene Bilanz: „Tausende haben eindrucksvoll gezeigt: Mainz steht für Weltoffenheit, Toleranz und Respekt“, teilte das Bündnis am Nachmittag mit: „Wir haben hier keinen Platz für politische Kräfte, die dies ändern wollen, die die Gesellschaft spalten und gegen Teile unserer Bevölkerung hetzen wollen. Es ist ein großes Zeichen der Solidarität, dass so viele heute auf den Straßen waren, um den Feinden der Demokratie keinen Raum zu geben.“

Es sei „sehr beeindruckend“ gewesen zu sehen, dass sich mehr als 60 sehr unterschiedliche Organisationen und Vereine dem Aufruf angeschlossen und damit signalisiert hätten: „Wir stehen gemeinsam auf gegen nationalistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut. Mainz hält zusammen – das dürfte nun allen mit rechter Gesinnung klar geworden sein.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Versammlungen und Gegendemos könnt Ihr auch noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. Infos über Umleitungen bei Bussen und Straßenbahnen findet Ihr hier bei der Mainzer Mobilität. Den ausführlichen Hintergrundartikel der Frankfurter Rundschau über die NSP findet Ihr hier im Internet.

Anmerkung& auf Mainz&: Wir hatten, um das Demonstrationsgeschehen zu dokumentieren, an dieser Stelle einen Tweet von Twitter veröffentlicht. Mit Quellenangabe und allem Drum und Dran. Das ist im Journalismus durchaus üblich: Twitter-Äußerungen sind öffentlich, wer nicht will, dass Tweets verwendet werden, muss sie privat halten. Dass man markante Tweets in der Berichterstattung verwendet, ist absolut gängig und hat nichts, aber auch gar nichts mit Honorarprellung oder Ähnlichem zu tun – Reporter können nicht überall zur gleichen zeit sein, dazu kam in diesem Fall: die Redakteurin saß krank zuhause. 

Doch auf Twitter tobt derzeit ein Shitstorm, ausgelöst von einer linken Subgruppe, die mit haltlosen Anschuldigungen gegen Mainz& nur so um sich wirft, darunter: Wir wollten Fotos ohne Honorare abgreifen. Diese Vorwürfe sind falsch, und sie sind Ehrabschneidend. Wir haben deshalb alle hier entfernt, die sich an diesem Shitstorm beteiligt haben. Die verwendeten Fotos wurden uns auf Anfrage mit einem „sehr gerne!“ zur Verwendung freigegeben – was übrigens ebenso üblich und im Übrigen sehr nett ist.