Vor einer Woche hatte die Mainzer Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner ihren Rückzug für 2025 erklärt, da präsentieren die Mainzer Grünen schon einen möglichen Nachfolger: Thorsten Becherer, langjähriger Werksleiter beim Mainz-Kostheimer Hygienepapier-Hersteller Essity, soll 2025 für die Mainzer Grünen in den Bundestag einziehen. Becherer wohnt in der Mainzer Oberstadt, politisch war der 47 Jahre alte Diplom-Ingenieur bislang in Mainz nicht groß in Erscheinung getreten. Thorsten, who? Wir stellen Euch den neuen Kandidaten vor.
Vor gut einer Woche hatte die langjährige Mainzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner erklärt, zur nächsten Bundestagswahl 2025 nicht wieder antreten zu wollen. Rößner hatte sich seit 1998 in Mainz in der Politik engagiert, war Stadträtin, Landesvorsitzende der Grünen und saß seit 2009 für die Grünen und den Wahlkreis Mainz im Bundestag. Nach vier Wahlperioden sei nun „Zeit für etwas Neues“, kündigte Rößner in einem Schreiben an ihre Partei an, der Text zeigte auch deutlich die Entfremdung zwischen Rößner und ihrer Partei auf.
Rößner mahnte unter anderem eine bessere Fehlerkultur und weniger Sprechblasen an, sie ist zudem nicht die einzige, die sich derzeit von den Grünen abwendet: Wenige Tage später kündigte auch Tobias Lindner, immerhin Staatsminister im Auswärtigen Amt unter Annalena Baerbock seinen Rückzug an. Lindner, gerade 42 Jahre alt, kommt ebenfalls aus Rheinland-Pfalz, seinen Rückzug verband er auch mit der Botschaft, er wolle einen Beitrag für eine Erneuerung innerhalb des Grünen-Landesverbandes leisten. Das wirft Fragen auf, zumal in den vergangenen Wochen gleich mehrere Politiker den Grünen den Rücken gekehrt haben.
Gleich mehrere Politiker kehren derzeit den Grünen den Rücken
Im März war bereits die Frankfurter Stadtverordnete Mirianne Mahn bei den Grünen ausgetreten, und hatte schwere Vorwürfe wegen Diskriminierung und Rassismus gegen die Partei erhoben. Und Anfang Juli hatte die Mannheimer Grünen-Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen Schlagzeilen gemacht, weil sie zur CDU wechselte – aus Enttäuschung über die grüne Wirtschaftspolitik. Die 30-Jährige sprach von einem „Schritt nach vorne“, wie die Tagesschau berichtete, die sie mit den Worten zitiert: „Meine Vorstellung darüber, wie und in welchem Stil Politik gemacht wird, hat sich weiterentwickelt“ sie wolle „eine Debattenkultur ohne Schubladen“.
Die Mainzer Grünen hatten auf die Nachricht vom Rückzug Rößners – immerhin eine ihrer profiliertesten Politikerinnen der vergangenen 20 Jahre in Mainz – nur schmallippig reagiert, nun präsentierten sie bereits einen Nachfolger: Thorsten Becherer, 47 Jahre alt, soll bereits Ende August auf einer Wahlversammlung der Grünen in Mainz zum Kandidaten des Wahlkreises Mainz-Bingen für die Bundestagswahl 2025 gekürt werden. Becherer werde sich am 30. August 2024 beiden Kreisverbänden vorstellen und zur Wahl stellen, teilte der Kreisverband Mainz mit.
Becherer wohnt in der Mainzer Oberstand, beruflich ist der Diplom-Ingenieur seit vielen Jahren leitender Manager beim Hygienepapierhersteller Essity in Mainz-Kostheim. Becherer war unter anderem zwei Jahre lang lang Innovationsmanager für Essity in Deutschland und China, von 2010 bis 2014 Direktor Energie weltweit, danach zehn Jahre lang Betriebsleiter, Werkleiter & Geschäftsführer in Mainz-Kostheim. Seit 2024 ist Becherer Direktor Technologie für Public Affairs mit Schwerpunkt Klima.
Rößner-Nachfolger Becherer: Ingenieur, Essity-Manager, Kreisvize
Mitglied der Grünen ist Becherer eigenen Angaben zufolge seit 2008, seit 2014 lebt er in Mainz, wurde 2021 sogar stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Mainz. In der Kommunalpolitik war Becherer allerdings nicht aktiv, den meisten Mainzer dürfte der 47 Jahre alte Vater dreier Kinder unbekannt sein. Becherer stehe „für zentrale Themen wie Gerechtigkeit, Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft“, teilten die Mainzer Grünen nun mit, durch seine Tätigkeit als Werkleiter und Geschäftsführer eines energieintensiven Unternehmens bringe er umfassende Erfahrung und Kompetenz mit.
So hatte Essity erst 2023 angekündigt, 22 Millionen Euro in CO2-Reduzierung investieren, und Verfahren zur CO2-neutralen Papierproduktion erforschen zu wollen – man will künftig auf grünen Wasserstoff setzen und den Energie- und Wasserverbrauch massiv verringern. In Mainz-Kostheim ist das Essity-Werk vor allem für seine Produktion von Toilettenpapier und Tempotüchern bekannt – und bei vielen Kostheimern für seinen Schwefel-Gestank berüchtigt. Im August 2023 war es im Kostheimer Werk zu einem Gefahrstoffaustritt gekommen.
„Es steht viel auf dem Spiel. Für die Umwelt. Für die Demokratie. Für unser friedliches Zusammenleben“, schreibt Becherer nun selbst in seiner Bewerbung: „Ich möchte die Welt nicht den Populisten überlassen, die unser Zusammenleben vergiften. Ich kann und ich will, mit meinem Hintergrund und meinen Erfahrungen, einen starken Beitrag für eine bessere Welt im Deutschen Bundestag leisten.“
Grüne: Vertreter für wirtschaftlichen Erfolg in klimaneutraler Zukunft
Populisten würden den Menschen immer nur „erzählen, was alles nicht geht“, schreibt Becherer weiter: „Sie erzählen uns, dass die Befreiung unserer Wirtschaft von fossilen Energien zur Abwanderung unserer Industrie führt. Sie schüren Ängste vor Wohlstandsverlust. Mit dieser Einstellung wäre Deutschland nie ein führender Wirtschaftsstandort geworden.“ Er wisse aus Erfahren, „wie die Transformation zur Klimaneutralität gelingen kann, und wie man Menschen in diesen Veränderungsprozessen begleitet.“
Als er 2008 nach über zwei Jahren Entwicklungszusammenarbeit in Äthiopien nach Deutschland zurückgekommen sei, sei er bei den Grünen eingetreten, weil er damals gesehen habe, welches Leid der Konsum und der Klimawandel bereits heute anrichteten. „Ich wollte und ich will mich damit nicht abfinden, deshalb möchte ich nun, für BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN meinen Beitrag zu der Gesetzgebung im Deutschen Bundestag leisten“, schreibt Becherer weiter.
Die Kreischefin der Mainzer Grünen, Christin Sauer, lobte, es brauche „in herausfordernden Zeiten Persönlichkeiten, die echte Lösungen anbieten“ – dazu gehöre Thorsten Becherer,. Er wisse „aufgrund seiner Biografie und beruflichen Expertise genau, wie wirtschaftlicher Erfolg in einer klimaneutralen Zukunft gelingen kann.“ Becherers familiäre Verwurzelung und sein berufliches, wie ehrenamtliches Engagement machten ihn „zu einem glaubwürdigen und tatkräftigen Vertreter der Region“, Becherer bringe deshalb „die besten Voraussetzungen mit, um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Bundestag zu vertreten und die grünen Ziele voranzutreiben.“
Info& auf Mainz&: Ausführlich haben wir über den Rückzug von Tabea Rößner und ihr Schreiben hier auf Mainz& berichtet.