Die Mainzer Grünen gehen mit einer neuen Forderung in den Wahlkampf-Endspurt: “Mainz braucht einen neuen zweiten Grüngürtel”, sagte Grünen-Kreischefin und Spitzenkandidatin Christin Sauer und der Ortsvorsteher der Mainzer Oberstadt, Daniel Köbler. Ihr Vorschlag: Eine “grünes Band”, das sich über sieben Kilometer Länge von Gonsenheim nach Hechtsheim ziehe. Verwunderlich dabei: Die genannte Strecke besteht zum Großteil heute aus Feldern, renaturierten Bereichen und Streuobstwiesen. Die ÖDP kritisierte deshalb, die Grünen wollten offenbar einen Grüngürtel “auf der grünen Wiese”, Mainz brauche aber mehr Grün in der Innenstadt – und eine Aufwertung seiner existierenden Grünzonen.
“Wie Grün ist Mainz?”, fragte diese Zeitung in einer Bilanz zur dritten Amtszeit der Ampel-Fraktionen im Mainzer Stadtrat Mitte Mai – die Bilanz fällt höchst durchwachsen aus. Denn gerade in Punkto Naherholungsbereiche hat sich in Mainz in den vergangenen fünf Jahren schlicht nichts getan. Die wichtigsten Naherholungsgebiete sind weiter das Mainzer Rheinufer – das sich noch immer im Umbau befindet – , der Ernst-Ludwig-Platz, der weiter seiner Neugestaltung harrt, sowie Hartenbergpark, Volkspark und Stadtpark mit dem anschließenden Grüngürtel entlang der ehemaligen Wallanlagen.
Die Coronazeit mit ihren Lockdowns machte mehr als deutlich: Mainz verfügt über viel zu wenig Grünzonen und Naherholungsgebiete. Neue Anlagen wie der Mainzer Zollhafen sind bislang fast komplett ohne Grünbereiche gestaltet worden, das “Grünufer” auf der Nordmole ist noch immer im Bau – und im Naturschutzgebiet Mombacher Rheinufer, liebevoll “Mombeach” genannt, unterband die Stadt zuletzt rigoros alles Verweilen und Picknicken.
Grüne wollen zweiten Grüngürtel für Mainz – durch die Felder
Nun machen die Mainzer Grünen im Endspurt des Kommunalwahlkampfes einen neuen Vorschlag: “Mainz braucht einen zweiten Grüngürtel”, forderten Spitzenkandidatin Christin Sauer und Oberstadt-Ortsvorsteher Daniel Köbler nun. Ihr Argument: Mainz sei eine dynamische Stadt, die wachse und sich wandele. “Doch Wachstum darf nicht allein Nachverdichtung und Versiegelung bedeuten, um Wohnraum und Arbeitsplätze zu schaffen”, betonen die beiden Stadträte: “Mainz braucht mehr Flächen zur Naherholung.”
Deshalb wolle man sich im neuen Stadtrat für einen zweiten Grüngürtel stark machen, der sich “wie ein grünes Band auf einer Länge von sieben Kilometern von Gonsenheim bis Hechtsheim ziehen” soll. “Das Natur- und Freizeitareal lässt die Stadt freier atmen, bietet erfrischende Kühle in den Dürre- und Hitzemonaten, spendet Schatten und dient als Freizeit- und Erholungsraum für die Mainzerinnen und Mainzer”, schwärmten Sauer und Köbler. Zudem stärke ein neuer Grüngürtel “die grüne Lunge der Stadt und schützt die Artenvielfalt. Er lädt zum Joggen, Spazieren, zum Spielen, Picknicken oder Grillen ein.”
Die Entwicklung des ersten Mainzer Grüngürtels entlang der Wallanlagen sei “über 100 Jahre her”, argumentieren Sauer und Köbler weiter. Inzwischen sei Mainz aber mit mehr als 220.000 Einwohnern um mehr als das Doppelte gewachsen. “Das führt dazu, dass die bisherigen Flächen, die dem Schutz der Natur und der Bewahrung der Artenvielfalt diesen sollen, enormem Nutzungsdruck unterliegen”, betonten die Grünen. Der Lennebergwald, der Mainzer Sand oder das Mombacher Rheinufer seien Beispiele für diese Entwicklung.
Neuer Grüngürtel von Gonsenheim bis Hechtsheim – über Felder
“Daher müssen dringend neue naturnahe Flächen geschaffen werden, um das ökologische Gleichgewicht in der Stadt zu wahren”, betonten die Grünen: “Wir sind davon überzeugt, dass ein attraktives Mainz die Balance zwischen Geschäftigkeit und Entspannung bieten muss, zwischen bezahlbarem Wohnraum und entsiegelten Flächen.” Mainz werbe als Zentrum für Biotechnologie für die Fachkräfte von morgen, ob diese aber nach Mainz kämen, “hängt auch davon ab, wie attraktiv der Lebens- und Arbeitsraum für sie und ihre Familien ist”, erklärten Sauer und Köbler.
Erstaunlich jedoch: Als Ort für den neuen Grüngürtel schlagen die Grünen ausgerechnet die Flächen vor, die bisher ohnehin schon grün sind: Die Felder und Grünzonen zwischen Gonsenheim, Bretzenheim und Hechtsheim. Nach Vorstellung der Grünen soll “der zweite Mainzer Grüngürtel” in Gonsenheim bei den aktuellen Grünflächen und Schutzgebieten Gonsbachtal und Kisselberg beginnen, und von dort über die Felder entlang des Mainz 05-Stadions nach Bretzenheim führen.
Dabei soll der “Grüngürtel” auch durch das neue BioTechHub verlaufen, das entlang der Saarstraße entstehen soll – das Areal soll bereits nach dem Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs eine große Parkanlage mit Wegen, Wasserlauf und viel Platz für Naherholung bekommen. Von hier wollen die Grünen einen Naherholungskorridor über das Stadion zur Koblenzer Straße auf Höhe der Wilhelm-Quetsch-Straße führen – also genau über die Felder, die die Landwirte bislang vehement als wertvollste Ackerflächen von Mainz verteidigen.
Felder bei Bretzenheim, renaturiertes Wildgrabental: mehr Grün?
Die Felder bei Bretzenheim sind bereits ein ausgiebig genutztes Gebiet, um auf ihren Wegen zu Joggen oder Hunde auszuführen, auch führen hier mehrere Fahrradrouten in Richtung Lerchenberg oder Finthen, Gonsenheim oder Bretzenheim. “Die Stadt bekommt eine neue Achse, um sie mitten im Grünen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu durchqueren”, schwärmen die Grünen nun: “Das ist Lebensqualität pur.”
In Bretzenheim solle der Grüngürtel durch den Stadtteil entlang des Südrings bis zur Alten Ziegelei, und von dort durch das Wildgrabental “bis zur Hechtsheimer Autobahnüberdeckung und den sich anschließenden Grünflächen” führen. Vorbild seien unter anderen die erfolgreichen Renaturierungen des Gonsbach- und des Wildgrabentals. Wie die Grünen selbst betonen, ist das Wildgrabental bereits ausgiebig renaturiert worden, hier harmonieren Streuobstwiesen mit Feldern und viel biologischen Kleingebieten und bilden ein Paradies für Spaziergänger.
Für einen zweiter Grüngürtel solle zunächst ein Konzept mit einem Ideenwettbewerb entwickelt werden, bei dem alle Bürger mitreden sollten. Dann erfolgten Bauleitplanung und planungsrechtliche Sicherung der dafür notwendigen Flächen im Flächennutzugsplan, Landschaftsplan und Bebauungsplan. “Gelingt das Projekt, entsteht mit der Verbindung von erstem und zweitem Grüngürtel eine naturnahe Fläche von insgesamt 16 Kilometern, Mainz würde deutlich grüner werden”, betonen Sauer und Köbler.
ÖDP: Grüngürtel auf der grünen Wiese, aber kein Grün für die Stadt
Eine Grüngürtel “auf der grünen Wiese, aber kein Grün für die Stadt?”, fragte denn auch ungläubig die ÖDP: Mainz habe in seinem Innenbereich ein massives Defizit an Grünflächen, betonte ÖDP-Stadträtin Dagmar Wolf Rammensee: “Diese Aufgabe sollte zuerst angegangen werden.” Vorrang müsse doch haben, die Wallanlagen, Stadt-und Volkspark, Mombacher Sand, Rheinufer, Zitadelle, Winterhafen und den Hartenbergpark “zu schützen, zu pflegen, zu entsiegeln und zu vernetzen”, betonte Wolf-Rammensee.
Die ÖDP verwies zudem darauf, dass die Ampel-Fraktionen einen Antrag der ÖDP-Stadtratsfraktion zur jüngsten Stadtratssitzung abgelehnt hatten, in dem die ÖDP die Erstellung eines Grünflächenkonzepts für die gesamte Stadt vorgeschlagen hatte. “Das Konzept sollte die bestehenden Grünflächen vor Bebauung schützen und qualitativ und zukunftsfähig aufwerten”, sagte ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler. Zudem sollten Erweiterungs- und Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, wie etwa die Begrünung versiegelter Flächen in der Stadt.
“Viele Bürgerbeteiligungen oder Befragungen bestätigen, dass es den Mainzer Bürgerinnen und Bürger an Grünflächen fehlt, das sollte die Stadt dazu bewegen, diesem Mangel entschieden und vor allem auch strategisch entgegenzutreten”, betonte Moseler: “Die Stadt kann eine Vorbildfunktion im Umgang mit dem Stadtgrün übernehmen, zum Beispiel in dem sie den Schutz des Baumbestands und die Begrünung eigener Liegenschaften priorisiert.”
“Wir sollten zeitnah die maroden Fahrradstraßen und Fahrradwege in den Grünanlagen sowie begehbare Bürgersteige fahr- und begehbar machen”, forderte Wolf-Rammensee. Und offensichtlich habe auch “keiner der Grünen an den Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen gedacht”, kritisierte sie: “Das ist recht publikumswirksam, aber es wird hoffentlich niemand drauf reinfallen.”
Info& auf Mainz&: Unsere Bilanz “Wie Grün ist Mainz?” lest Ihr hier auf Mainz&. Mehr zu den Protesten gegen die Umwandlung von Ackerflächen bei Mainz für den neuen BioTech-Hub findet Ihr hier auf Mainz&.