Sie sind eigentlich die heimlichen großen Umweltsünder der digitalen Gesellschaft: Rechenzentren sind die neuen Stromfresser. Seit 2010 hat sich ihr Energieverbrauch mehr als verdoppelt, manche fressen so viel Strom wie eine deutsche Großstadt. Doch Rechenzentren können auch nachhaltig und umweltgerecht – und genau das wollen jetzt die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden beweisen: Am Montag wurde der Grundstein zu einem riesigen Rechenzentrum auf der Ingelheimer Aue gelegt, das nachhaltig und „grün“ arbeiten soll – und dabei Mainz beheizen wird.

Die Ingelheimer Aue aus der Luft gesehen - neben den Schornsteinen der KMW steht auf dieser Montage schon das neue Rechenzentrum mit seiner roten Fassade. - Foto: KMW, TTSP HWP
Die Ingelheimer Aue aus der Luft gesehen – neben den Schornsteinen der KMW steht auf dieser Montage schon das neue Rechenzentrum mit seiner roten Fassade. – Foto: KMW, TTSP HWP

Einst wollten die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden (KMW) ein Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue bei Mainz bauen, das Projekt wurde in letzter Minute von den Grünen in untrauter Eintracht mit der CDU gekippt – seitdem entwickeln sich die KMW immer mehr zu einem Unternehmen mit „grünen“ Ambitionen: In Mainz entstand ein großes Fernwärmenetz, ein Blockheizkraftwerk und ein Müllheizkraftwerk gehören heute zum Energiepark, ebenso wie ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk, aber auch ein Windpark im Nordschwarzwald oder ein Wind-to-Gas-Park in Brunsbüttel.

Nun geht die KMW einen weiteren Schritt hin zum modernsten Kraftwerksbetreiber Deutschlands – so zumindest das eigene Leitbild des Unternehmens, das gemeinschaftlich von den Städten Mainz und Wiesbaden getragen wird: Am Montag wurde der Grundstein für ein neues „grünes“ Rechenzentrum gelegt. Auf der Ingelheimer Aue soll bis 2025 ein Groß-Rechenzentrum aus drei Blöcken auf insgesamt 25.000 Quadratmeter Fläche entstehen, direkt neben den bestehenden Kraftwerken der KMW.

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Grundstein für grünes Rechenzentrum auf Ingelheimer Aue gelegt

Das Projekt war im März 2023 auf den Weg gebracht worden: Damals schlossen die KMW ein Joint Venture mit der norwegischen Firma „Green Mountain“, die bereits in Norwegen vier „hochsichere, innovative und nachhaltige Rechenzentren“ betreibt sowie ein weiteres in London. Der Ansatz der Norweger lautet: „Grüne“ Rechenzentren, die zu 100 Prozent mit erneuerbarem Strom betrieben werden, was in Norwegen kostengünstig ist. Durch den Einsatz von Fjordwasser-Kühlung wird in den norwegischen Rechenzentren eine hohe Energieeffizienz erreicht, das Modell soll nun auch in Mainz Schule machen.

So soll das neue "grüne" Rechenzentrum auf der Ingelheimer Aue einmal aussehen. - Foto: KMW, TTSP HWP
So soll das neue „grüne“ Rechenzentrum auf der Ingelheimer Aue einmal aussehen. – Foto: KMW, TTSP HWP

Das neue Rechenzentrum mit dem Namen FRA1-Mainz soll nämlich durch die KMW mit erneuerbarem Strom versorgt werden, die Kühlung durch den angrenzenden Rhein erfolgen. Das sei „sehr energieeffizient“ und sorge für einen PUE-Wert unter 1,3, schwärmten die KMW am Montag. Der PUE-Wert ist eine Kennzahl für die sogenannte Power Usage Effectiveness, diese Kennzahl werde „oft fälschlich als Maßzahl für die Energieeffizienz eines Rechenzentrums bezeichnet“, heißt es beim Umweltbundesamt, obwohl damit aber lediglich „Aussagen zur Energieeffizienz der Gebäudetechnik“ getroffen werden könnten – und nicht über die Gesamtumweltbelastung samt der Server.

Bei den KMW betont man derweil, das sei ja noch nicht alles: Auch die Notstromversorgung werde emissionsfrei geregelt, denn die Gaskraftwerke der KMW würden die Notstromversorgung sicherstellen und damit dieselbetriebene Generatoren überflüssig machen. Mit das beste Argument aber dürfte dies sein: Die nicht unerhebliche Abwärme des Rechenzentrums wird in das Fernwärmenetz von Mainz eingespeist, mit den bis zu 60 Megawatt Leistung sollen einmal rund 20.000 Haushalte sowie das Fußballstadion von Mainz 05 und den Mainzer Dom mit Wärme versorgt werden.

Politik & Unternehmen: Leuchtturmprojekt und Meilenstein

„Das grüne Rechenzentrum von KMW und Green Mountain ist ein Leuchtturmprojekt für Rheinland-Pfalz“, schwärmte denn auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne). Das Rechenzentrum solle den Weg für nachhaltige Digitalisierung und wirtschaftliche Entwicklung ebnen und zeige, „dass wir unsere Umweltziele auch durch partnerschaftliche Zusammenarbeit und technische Innovationen erreichen können.“ Das neue Zentrum soll vor allem auch durch die große Nähe zu Frankfurt punkten, dem derzeitig wichtigsten Rechenzentrums-Standort und Internetknoten in Deutschland.

Grundsteinlegung für das neue Rechenzentrum der KMW mit Ministerin Katrin Eder (Grüne) Mitte und den OBs von Wiesbaden (Gert-Uwe Mende, SPD, links) und Mainz (Nino Haase, parteilos, rechts). - Foto KMW, PACO Media
Grundsteinlegung für das neue Rechenzentrum der KMW mit Ministerin Katrin Eder (Grüne) Mitte und den OBs von Wiesbaden (Gert-Uwe Mende, SPD, links) und Mainz (Nino Haase, parteilos, rechts). – Foto KMW, PACO Media

„Das neue Rechenzentrum in Mainz ist ein Motor für unsere digitale Infrastruktur und Wirtschaft“, freute sich denn auch der Mainzer OB Nino Haase (parteilos). Die technologischen Innovationen, gepaart mit umweltfreundlichen Maßnahmen wie eben der Abwärmenutzung im Fernwärmenetz, „positionieren Mainz als Vorreiter für grüne Rechenzentren“, sagte Haase weiter. Und sein Wiesbadener Amtskollege Gert-Uwe Mende, (SPD) meinte, das Projekt sei auch für Wiesbaden „von enormer Relevanz: Es ist zukunftsweisend, dass hier wirtschaftliche Vernunft und ökologische Verantwortung so beispielgebend Hand in Hand gehen.“

Die Partnerschaft mit den Norwegern von Green Mountain sei „wegweisend“, befand auch KMW-Vorstandschef Oliver Malerius, und betonte: „Unser Rechenzentrum nutzt die technischen Synergien unseres Standortes für ein nachhaltiges Konzept. Es zeigt, wie Innovation und Umweltschutz Hand in Hand gehen können, und es erfüllt uns mit Stolz, eine grüne digitale Zukunft mitzugestalten.“ Und auch die norwegischen Partner sehen in dem neuen Zentrum eine „Meilenstein“: Er sei „zuversichtlich, dass dieses Projekt einen neuen grünen Standard für Rechenzentren in Deutschland setzen wird“, sagte CEO Svein Atle Hagaseth.

Dafür muss das Zentrum aber erst noch gebaut werden, der erste Spatenstich ist bereits im September erfolgt. Das erste der drei Gebäude soll bereits im ersten Quartal 2025 fertig werden, auf der KMW-Homepage ist sogar von einer Fertigstellung Ende 2024 die Rede. Jedes der drei Gebäude soll am Ende rund 6.000 Quadratmeter IT-Fläche bieten. Das Rechenzentrum könne sowohl Mehrmieterverträge als auch dedizierte Gebäude für größere Einzelkunden gewährleisten, hieß es weiter. Wer diese Kunden sein könnten, darüber schwiegen sich die Projektpartner der neuen „Green Mountain KMW Data Center GmbH“ in der Pressemitteilung ebenso vornehm aus, wie über die Höhe der Investitionssumme.

Info& auf Mainz&: Was das neue Rechenzentrum mit dem Wärmemasterplan von Mainz zu tun hat könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Mehr zur KMW und dem Rechenzentrum findet Ihr auch hier im Internet.