Es war ein Schock vergangenen Donnerstag, als die Behörden in Hessen ein deutsch-türkisches Ehepaar in Oberursel festnahmen und in deren Keller eine fertige Rohrbombe fanden. Die Vorbereitungen galten, so glauben die Experten, dem Radrennklassiker um Frankfurt am 1. Mai, das Rennen wurde schließlich aus Sicherheitsgründen abgesagt. Kommenden Sonntag steht mit dem Gutenberg-Marathon erneut ein sportliches Großereignis in der Region an – wie geht man in Mainz mit der Gefahr eines möglichen Anschlags um? Nun, typisch Meenzerisch: entspannt, aber wachsam.
„Wir haben sofort mit der Polizei Kontakt aufgenommen“, sagte Stadtsprecher Ralf Peterhanwahr Mainz&: „Wir haben aber keinerlei Hinweise von der Polizei, dass es irgendwelche Bedenken gibt.“ Das bestätigt man auch bei der Mainzer Polizei: „Wir sind sensibilisiert wegen der Sache in Frankfurt“, sagte uns Polizeisprecherin Heidi Nägel. Hinweise auf irgendwelche Verbindungen des Oberurseler Ehepaars nach Rheinland-Pfalz lägen aber nicht vor. „Wir beobachten die Lage und würden entsprechend reagieren“, versichert Nägel.
Tatsächlich sind gerade Großsportereignisse stark ins Visier geraten, seitdem islamistische Täter im April 2013 einen Anschlag auf den Boston-Marathon verübten. Damals explodierten an der Laufstrecke mitten in Boston zwei selbst gefertigte Bomben, drei Menschen starben, 264 weitere wurden verletzt. Und so wurden die Ermittler in Hessen sehr hellhörig, als der Mann, den sie seit Mitte April observierten, anfing, Waldstücke und Parkplätze entlang einer Landstraße zwischen Oberursel und dem Feldberg zu durchstreifen, auszukundschaften könnte man wohl sagen – es war die Strecke des Frankfurter Radrennens.
Die Behörden in Hessen griffen zu, verhafteten den 35 Jahre alten Deutsch-Türken sowie seine 34 Jahre alte türkische Frau – und wurden in deren Keller fündig: eine fertige Rohrbombe, Teile eines G3-Sturmgewehrs, scharfe Munition, eine Übungsgranate für eine Panzerfaust. Und sie fanden drei Liter Wasserstoffperoxid, jener Flüssigkeit, aus der die Sauerland-Attentäter zusammen mit Acteon und Salzsäure den hochexplosiven Sprengstoff TATP herstellten.
Halil D., der Deutsch-Türke, hatte Kontakt zu der Sauerland-Gruppe, auch zu salafistischen Kreisen im Rhein-Main-Gebiet – und zu sogenannten „Gefährdern“, Syrien-Rückkehrern, die aufgrund ihre Kampferfahrung und Radikalisierung als gefährliche potentielle Täter für Anschläge in Deutschland gelten. MIt einem solchen Rückkehrer studierte Halil D. offenbar gemeinsam eine Weile Chemie, der Kumpel hatte für die Terrorgruppe Al-Qaida Propagandafilme im Internet veröffentlicht und Tipps zur Sprengstoffherstellung gegeben. 2011 wurde er vom Oberlandesgericht Frankfurt zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt.
Bei Halil D. fanden die Ermittler auf dem Computer Gewaltvideos der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), darunter sollen auch Enthauptungsvideos gewesen sein, sagte die Staatsanwaltschaft Frankfurt Mainz&. Und die Ermittler wissen, dass Halil D. in der islamistisch-extremistischen Szene im Rhein-Main-Gebiet gut vernetzt war. Welche Verbindungen genau, dazu halten sich die Ermittler bedeckt. Nachdem nun aber der Anschlag auf das Radrennen vereitelt wurde, könnte sich das Augenmerk anderer radikalisierter Islamisten auf andere Großveranstaltungen richten. Zum Gutenberg-Marathon werden immerhin bis zu 10.000 Läufer und 50.000 Zuschauer erwartet.
In Rheinland-Pfalz gibt es nach Angaben des Innenministeriums etwa einhundert Anhänger der radikal-islamischen Salafisten-Bewegung, davon werden etwa 25 als gewaltbereit eingestuft. Einen regionalen Schwerpunkt wie die Rhein-Main-Region gebe es aber nicht, heißt es, auch sei von Verbindungen des Oberurseler Falls nach Rheinland-Pfalz nichts bekannt.
„Wir wissen seit Monaten um eine abstrakt hohe Terrorgefahr“, betonte Ministeriumssprecher Marco Pecht im Gespräch mit Mainz&, die Wachsamkeit der Behörden sei „sehr, sehr hoch.“ Und gerade Großveranstaltungen wie der Gutenberg-Marathon stünden besonders im Fokus und seien „durch eine hohe Polizeipräsenz und eine besondere Aufmerksamkeit durch die Sicherheitsbehörden gekennzeichnet.“ Beruhigend.
Bei der Stadt betont man, es gebe natürlich umfassende Sicherheitskonzepte für den Marathon, aber gegen einen Bombenanschlag könnten die nicht helfen. Sollte es doch noch Hinweise auf eine akute Gefährdung gebe, „gebietet es die Sicherheit, das Rennen abzusagen“, betont Peterhanwahr. Danach sehe es derzeit aber nicht aus: „Wir gehen davon aus, Sonntagmorgen um 9.30 Uhr geht’s los, und wir erleben einen schönen Marathon.“ Und auch bei der Polizei heißt es, man beobachte die Lage weiter. „Ziel ist, den Marathon ganz normal durchzuführen“, sagt Nägel, „und danach sieht es im Moment auch aus.“