Am Donnerstag kommt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Jahresempfang der Wirtschaft nach Mainz, treffen wird er dabei nicht nur einige Tausend Vertreter von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – sondern auch einige Hundert Landwirte samt Traktoren. Mit rund 150 Traktoren wollen die Landwirte schon ab dem Mittag in die Mainzer Innenstadt kommen, und rund um die Rheingoldhalle ihrem Unmut über die Kürzungen des Bundes Ausdruck verleihen. geplant ist auch ein Gespräch mit Habeck selbst. „Unsere Motivation zum Protest ist weiter hoch“, heißt es beim LSV RLP.
Der Jahresempfang der rheinhessischen Wirtschaft gehört zu den wichtigsten gesellschaftlichen Terminen zum Jahresauftakt in Mainz und gilt als größter Jahresempfang der regionalen Wirtschaft in Deutschland. Die Strahlkraft des Treffens reicht weit über Mainz hinaus: Jedes Jahr im Januar kommen dabei mehrere Tausend Unternehmer aus Betrieben und Berufen aller Branchen zusammen, hinter dem Empfang stehen mittlerweile 15 Kammern und Institutionen der Wirtschaft, des Handwerks, der Freien Berufe und der Landwirtschaft.
Ziel des Empfangs ist aber auch der Dialog mit Spitzenpolitikern aus Bund und Land sowie Repräsentanten der Region – und dabei wird am Donnerstag einer der höchsten Politiker des Landes erwartet: Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Dessen Rede in der Rheingoldhalle am frühen Abend dürfte mit höchster Spannung erwartet werden, stehen doch gerade die Grünen seit ihrem verkorksten Heizungsgesetz massiv in der Kritik, Politik an den Bürgern des Landes vorbei zu machen.
Landwirte: Forderungskatalog für Habeck, Proteste vor der Tür
In der Fastnacht ergötzen sich die Redner aus der Bütt derzeit an allerlei Variationen von „Wir haben nicht verloren, es haben uns nur weniger Leute gewählt“ – einer Abwandlung des inzwischen schon legendären Ausspruchs Habecks, die Geschäfte würden „nicht Pleite machen, sie haben nur geschlossen“. Habeck will sich am Morgen mit der Landesregierung treffen und anschließend die Unternehmen Schott und Werner & Mertz besuchen. Wegen der Politik der Bundesregierung, insbesondere der Energiepolitik, überlegen immer mehr Unternehmen, ihre Produktion aus Deutschland weg zu verlagern – Deutschland steckt in einer Rezession.
Gesprächsbedarf gibt es aber nicht nur hinter den Konzerntüren: Habeck wird am Donnerstag auch auf wütende und protestierende Landwirte treffen. „Die Motivation zum Protest ist weiterhin hoch“, sagte Jan Ruzycki vom Bündnis „Landwirtschaft verbindet“ LSV RLP im Gespräch mit Mainz&: „Die Landwirte sind immer noch bereit, für ihre Anliegen auf die Straßen zu gehen.“ Die Kürzungen beim Agrardiesel sei auch weiterhin völlig unakzeptabel, und „es ist ja auch kein Kompromiss, es in zwei Jahren abzuschaffen“, betonte Ruzycki: „Bis auf absehbare Zeit werden wir immer noch mit Diesel fahren, das ist alternativlos.“
Die Landwirte fordern deshalb weiter die Rücknahme der Kürzung, dazu Respekt für die Menschen, die die Lebensmittel in Deutschland produzieren sowie bessere Rahmenbedingungen und deutlich weniger Bürokratie. „Der Agardiesel ist keine Subvention, es ist nur ein Ausgleich, Lebensmittel auf dem Acker zu produzieren“, betonte am Mittwoch der FDP-Landtagsabgeordnete Marco Weber, selbst Landwirt, im Mainzer Landtag – das Plenum wird zwei Tage lang ausführlich über die Bauernproteste debattieren.
Kritik im Landtag an Dreyer und Schmitt: „Bodenhaftung verloren“
Die Landwirtschaft sei im Übrigen der einzige Sektor in Deutschland, der seine Klimaziele erreicht habe,. betonte Weber – die Opposition warf hingegen den Ampel-Parteien in Berlin wie in Mainz vor, die Bodenhaftung verloren zu haben und die Landwirte im Regen stehen zu lassen. Der Agrarexperte der Freien Wähler, Helge Schwab, kritisierte erneut, dass sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) eben nicht hinter die Landwirte gestellt, sondern vielmehr die Kürzungen begrüßt habe: „Das passiert, wenn man die Bodenhaftung bereits verloren hat“, schimpfte Schwab, die Landwirte sollten nun „für die Fehler einer scheinbar völlig überforderten Bundesregierung herhalten.“
CDU-Landtagsabgeordneter und Landwirt Johannes Zehfuß warf wiederum FDP-Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt „halbherzige“ Aussagen und Unterstützung der Landwirte vor. Mit den abrupten Kürzungen seien gerade die kleinen Betriebe in Gefahr, die in Rheinland-Pfalz den Großteil der Landwirtschaft ausmachten, betonte Zehfuß. Doch die Ziele auch der Mainzer Ampelkoalition zur Stärkung der Landwirtschaft hätten sich „in Rauch und Asche aufgelöst“, klagte Zehfuß.
Die Landwirte erbost zudem, dass weiterhin vor allem bei ihnen gespart werden soll: „Alle bekommen zehn Prozent mehr, wir zehn Prozent weniger, das geht einfach nicht“, kritisierte Ruzycki: „Deshalb sind wir auch so unnachgiebig: es ist einfach keine Luft mehr.“ Der Öffentliche Dienst bekomme eine Lohnsteigerung von 11,5 Prozent, das Bürgergeld werde um 12 Prozent erhöht, nur die Bauern sollten zehn Prozent weniger erhalten – „das nennt man in Berlin einen Kompromiss“, kritisierte der LSV in einem Facebook-Post.
Traktoren-Korso, eiskaltes Spalier und Gespräch mit Habeck
Am Donnerstag wollen die Landwirte deshalb einen Forderungskatalog an Habeck übergeben. Der Bundeswirtschaftsminister habe den Landwirten kurzfristig ein persönliches Treffen kurz vor seinem Auftritt in der Rheingoldhalle angeboten, sagte Ruzycki weiter. Vermutlich habe man nur zehn Minuten Zeit, die wolle man aber nutzen: „Wir wollen ihm da noch einmal schildern, dass die Sparmaßnahmen nicht umgesetzt werden können.“
Zuvor ist erneut ein Traktoren-Korso in die Mainzer Innenstadt geplant: Am Morgen treffen sich die Landwirte zunächst auf dem Messegelände in Mainz-Hechtsheim bei den Agrartagen, um 14.30 Uhr soll sich dann ein Korso von rund 150 Traktoren auf den Weg in die Innenstadt machen. Die Route soll über die Rheinhessenstraße und die Pariser Straße zur Alicenbrücke am Hauptbahnhof, und von dort über die Kaiserstraße zum Rheinufer führen. Es muss also mit Behinderungen im Stadtverkehr gerechnet werden.
Ein zweiter, kleinerer Aufzug, wird sich zudem über Bauhofstraße, Flachsmarktstraße und Quintinsstraße zur Rheingoldhalle bewegen. „Die Landwirte werden dort auf der Busspur parken und eine Kundgebung an der Rheinpromenade abhalten“, teilte die Mainzer Polizei mit. Zwischen 16.00 Uhr und 20.00 Uhr sei zudem eine Kundgebung durch die Mainzer ÖDP auf dem Jockel-Fuchs-Platz vor der Rheingoldhalle geplant.
Grabkerzen und Gummistiefel: „Der Politik die kalte Schulter zeigen“
Die Landwirte betonen derweil: „Eine Blockade oder ein Behindern der Veranstaltung ist durch unsere Demonstration explizit nicht das Ziel!“ Man wolle stattdessen der Politik die kalte Schulter zeigen, und durch „eisige Stille“ dem Unmut Ausdruck geben. „Als gemeinsames Zeichen der Ablehnung der Politik von Minister Habeck und seinem Umgang mit der Wirtschaft/Landwirtschaft drehen wir uns La Ola-förmig auf der Höhe seiner Person oder seiner Limousine um, und zeigen so der Politik der Berliner Ampel die kalte Schulter.“, heißt es in der Ankündigung von LSV RLP: „Genau so, wie er unserem Anliegen die kalte Schulter gegenüber zeigt!“
Die Teilnehmer am Jahresempfang der Wirtschaft sollen zudem durch ein Spalier aus Landwirten empfangen werden. Als „Zeichen des Niedergangs der heimischen Landwirtschaft“ sollen die Teilnehmer sich zudem mit Gummistiefeln dekorieren sowie ein Grabkerzen-Licht mit sich zu führen. „Symbolisch drücken wir damit aus, dass wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, erinnern aber gleichzeitig daran, dass immer mehr Betriebe zur Aufgabe gezwungen werden oder keinen Nachfolger mehr finden“, heißt es im Demo-Aufruf weiter.
Nachdem alle Gäste angereist seien, werde es gegen 18.30 Uhr eine Abschlusskundgebung auf der Rheinseite der Rheingoldhalle geben, so der LSV weiter. Von Aktionen wie am Fähranleger im Schüttrupp distanziere man sich ausdrücklich. In Rheinland-Pfalz sind bislang alle Bauernproteste komplett friedlich und ohne jede Ausschreibungen verlaufen, von rechten Gruppierungen hat sich der LSV sowie der Bauernverband mehrfach distanziert. Eingeladen zur Teilnahme an der Demo seien „alle, die unsere Werte und Anliegen teilen und Interesse am demokratischen Meinungsaustausch haben.“
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