Der 8. Januar könnte zum Großstreiktag in Deutschland werden: Die Landwirte planen einen Großprotesttag und wollen bundesweit mit Traktoren-Demos sowie mit Blockaden ihrem Unmut Luft machen. Die Wut auf die Politik der Berliner Ampel ist riesig, da half es auch wenig, dass am Donnerstag die Bundesregierung zurückruderte und einen Teil der Kürzungen im Agrarbereich zurücknahm. Unter dem Motto „Es reicht“ und „Genug ist genug“ schließen sich immer mehr Branchen dem Protest der Bauern an – die Losung lautet nichts weniger als: „Die Ampel muss weg!“

Traktoren aus Rheinhessen im Dezember bei der Großdemo vor dem Brandenburger Tor. - Foto: LSV RLP
Traktoren aus Rheinhessen im Dezember bei der Großdemo vor dem Brandenburger Tor. – Foto: LSV RLP

Schon im Dezember hatten die Landwirte deutschlandweit gegen die Sparbeschlüsse der Bundesregierung mobil gemacht, auch in und um Mainz wurden am 22. Dezember Autobahnauffahrten blockiert und mit kilometerlangen Traktoren-Corsos gegen verschlechterte Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft protestiert. Auslöser waren Sparbeschlüsse von SPD, Grünen und FDP, nach denen schon 2024 die Agrardieselentlastung für die Landwirte sowie die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft vollständig gestrichen werden sollten.

Selbst Grüne hatten das als unverhältnismäßig kritisiert: Die Landwirtschaft müsse zehn Prozent der Kürzungen tragen, während sie nur 1,4 Prozent vom Haushalt bekomme, sagte etwa der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling, selbst Landwirt in Hessen, den ZDF-Heute-Nachrichten. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte die Sparpläne seiner eigenen Regierung als „überzogen“ und als einseitige Überbelastung der Landwirte kritisiert – am Donnerstag zeigten die Proteste der Bauern einen ersten Erfolg: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einigten sich auf Änderungen der durch die Haushaltskrise des Bundes ausgelösten Sparpläne.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Steuerbefreiung für Landwirtschafts-Fahrzeuge bleibt, Agrardiesel fällt

Danach soll nun die Steuerbefreiung der landwirtschaftlichen Fahrzeuge doch erhalten bleiben, das geschehe, um den „zum Teil erheblichen bürokratischen Aufwand“ für die Betriebe zu vermeiden, teilte die Bundesregierung am Donnerstag mit. Eigentlich hatten mit der Streichung der KFZ-Steuerbefreiung rund 485 Millionen Euro eingespart werden sollen, weitere rund 440 Millionen Euro wollte die Bundesregierung durch die Streichung der Diesel-Vergünstigungen für Landwirte einsparen.

Protest der Landwirte gegen die geplanten Kürzungen im Agrarbereich. - Foto: Ruzycki
Protest der Landwirte gegen die geplanten Kürzungen im Agrarbereich. – Foto: Ruzycki

Nun soll das „grüne Kennzeichen“ zwar erhalten bleiben, die Steuervergünstigungen allerdings trotzdem gestrichen werden, wenn auch langsamer als vorher: „Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel wird nicht in einem Schritt vollzogen“, hieß es nun von der Bundesregierung. Stattdessen solle eine schrittweise Reduzierung erfolgen, „um den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Anpassung zu geben.“ Danach soll der Entlastungssatz 2024 zunächst um 40 Prozent reduziert werden, 2025 und 2026 sollen dann weitere Reduzierung um jeweils 30 Prozent erfolgen – 2026 entfallen sie dann ganz.

„Wir haben eine gute Lösung gefunden, die eine überproportionale Belastung abwendet“, sagte Özdemir am Donnerstag. Die Landwirte sehen das allerdings komplett anders: Der Schritt reiche mitnichten aus, die Kürzungen müssten komplett zurückgenommen werden, forderten Bauernverbände sowie die Vereinigung Landwirtschaft verbindet LSV RLP umgehend. Im ZDF erklärte ein Landwirt etwa, die  Agrardieselhilfen seien der weitaus größere Posten und machten 70 Prozent der Kürzungen in seinem Betrieb aus. „Das ist ein Sterben auf Raten“, kritisierte er.

„Genug ist genug“ und „Es reicht“: Bauern rufen zu Protestwoche auf

„Uns reicht es nicht, was da passiert, es muss viel mehr passieren – es geht um den generellen Umgang der Regierung mit uns Landwirten“, sagte etwa der Pulheimer Landwirt Markus Wipperfürth, der für Tausende seiner Berufskollegen sprach. Das vermeintliche Entgegenkommen sei nur „ein Taschenspielertrick, wir lassen uns nicht mehr übertölpeln“, kritisierte Wipperfürth. Das Problem seien die generell hoch getriebenen Energiepreise – genau so sah das auch Bauernpräsident Joachim Ruckwied: „Dies kann nur ein erster Schritt sein. Unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch“, betonte der Verbandspräsident.

Traktorenkette auf der Theodor-Heuss-Brücke im Januar 2020 - auch damals gab es schon Bauernproteste. - Foto: gik
Traktorenkette auf der Theodor-Heuss-Brücke im Januar 2020 – auch damals gab es schon Bauernproteste. – Foto: gik

Tatsächlich hat sich die Wut über die Kürzungspläne der Bundesregierung längst zu einer allgemeinen Protestwelle gegen die Politik der Berliner Ampel insgesamt ausgeweitet. Unter dem Motto „Genug ist Genug“, „Es reicht“ und „Die Ampel muss weg“ schließen sich immer mehr Branchen der Protestwelle an: Auch Bäckereien, Lieferanten und Restaurants erklären sich mit den Protesten der Landwirten solidarisch – und wollen am 8. Januar gemeinsam mit ihnen durch Schließung ihrer Betriebe protestieren. Selbst Tankstellen kündigten schon an, am Montag dicht zu machen.

Offen zu den Protesten rufen auch Spediteure und der das mittelständische Transportgewerbe auf: „Das Maß ist voll!!! Mit ihrer planlosen und mittelstandsfeindlichen Politik fährt die Ampelregierung Deutschland vor die Wand!“, schimpfte der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterverkehr Logistik und Entsorgung, Dirk Engelhardt, etwa auf Facebook. Gemeinsam rufe man mit den den deutschen Bauern zu einer bundesweiten Aktionswoche ab dem 8. Januar auf.

Groß-Blockade von Mainz und Autobahnen am 8. Januar geplant

Am kommenden Montag soll sich deshalb in Deutschland wenig bewegen: Mit Traktoren-Demos über Hunderte von Kilometern wollen die Landwirte Autobahnen und Bundesstraßen und dazu ganze Innenstädte blockieren – auch in Mainz. So plant etwa die Vereinigung Land schafft Verbindung im Norden von Rheinland-Pfalz die Blockade der Bundesstraße 50 im Hunsrück samt Auffahrten auf die A60 Richtung Mainz und Köln, und das ab 6.00 Uhr morgens.

Schon im Dezember 2023 kam es zu Traktoren-Großdemos auf den Autobahnen in Rheinland-Pfalz. – Video: Wilhelm Hartmann, Screenshot: gik
Schon im Dezember 2023 kam es zu Traktoren-Großdemos auf den Autobahnen in Rheinland-Pfalz. – Video: Wilhelm Hartmann, Screenshot: gik

Auch auf der anderen Rheinseite im Westerwald sind umfangreiche Blockaden und Demonstrationszüge geplant: Man wolle mit einem gemeinsamen Konvoi die A3 von Montabaur aus in Richtung Köln, und weiter über die A48 Richtung Bendorf ziehen, hieß es beim LsV Westerwald – geplant sei eine Weiterführung bis Koblenz und dann über die A61 und die A60 nach Bingen und Mainz. Entlang der gesamten Strecker sollen Auffahrten mit Traktoren blockiert werden, in Mainz schließlich eine Großdemo mit Traktoren aus allen umliegenden gemeinden stattfinde.,

„Die Landeshauptstadt wird an diesem Tag von allen Seiten angefahren und somit auch stark blockiert“, kündigte die Vereinigung Land schafft Verbindung (LSV RLP) an. „In Zeiten in denen die Kosten für Energie, CO2-Abgaben und die Maut steigen, werden wir Bauern zusätzlich und überproportional mit höheren Steuern und Abgaben belastet, das ist nicht hinnehmbar“, begründete LsV-Sprecher Jan Ruzycki die Proteste: „Diese erheblichen Mehrbelastungen können die Betriebe keinesfalls auffangen“ – zumal wirtschaftlich dadurch vor allem die kleinen und mittleren Betriebe getroffen würden.

Landwirte: „Kämpfen ums Auskommen“ – Distanzierung gegen Rechts

„Die Landwirte kämpfen mit ihrem Protest schlicht um das wirtschaftliche Auskommen“, betonte Ruzycki, der vom Weingut Klostermühlenhof im rheinhessischen Hahnheim kommt. „Rein statistisch liegen die Stundenlöhne bereits jetzt unterhalb der offiziellen Mindestlöhne“, erklärte Ruzycki weiter: „Wir sind gerne Landwirte, wir wollen arbeiten und gute, gesunde Lebensmittel auf den Markt bringen. Aber am Ende des Tages muss auch noch ein Ertrag übrig bleiben, von dem wir Reparaturen bezahlen, den Betrieb am Laufen halten und unsere Familien ernähren und zukunftsfähige Investitionen erbringen können.“

Distanzierung des Deutschen Bauernverbandes auf Instagram gegen Rechtsextreme. - Post: DBV
Distanzierung des Deutschen Bauernverbandes auf Instagram gegen Rechtsextreme. – Post: DBV

Genau das sei aber mit den geplanten Maßnahmen nicht mehr gewährleistet. Zudem fehlten den Landwirten schlicht die Alternativen bei den Traktoren und Maschinen – sie könnten auf Diesel schlicht nicht verzichten. Eine Lenkungswirkung sei deshalb durch eine Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen gar nicht zu erreichen. Stattdessen drohe ein Höfesterben, die Verteuerung der Lebensmittel und eine Zunahme von Lebensmittelimporten aus den Nachbarländern.

Die Protestwoche soll deshalb in vollem Umfang durchgeführt werden, kündigen die Landwirte an. Für Mittwoch, den 10. Januar, ist deshalb eine weitere Kundgebung im Mainzer Regierungsviertel geplant, am Freitag, den 12. Januar, sollen überall im Land Mahnfeuer brennen. Und für Montag, den 15. Januar, ist eine weitere Großdemonstration der Bauern in Berlin geplant – damit wollen die Landwirte kurz vor den Verabschiedungen des Sparpakets im Bundestag den Druck weiter hoch halten.

Die Unterstützung in der Bevölkerung sei großartig, man hoffe auch weiter auf viel Unterstützung, hieß es vom Bauern- und Winterverband Rheinland-Pfalz Süd. Derweil haben sich Bauernverbände und Landwirte-Vereinigungen explizit von Versuchen Rechtsextremer distanziert, die Proteste für ihre Zwecke zu vereinnahmen. „Der Deutsche Bauernverband distanziert sich aufs Schärfste von Schwachköpfen mit Umsturzphantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern, die unsere Aktionswoche kapern wollen“, schrieb etwa der Deutsche Bauernverband auf Instagram: „Wir stehen für entschiedenen, aber friedlichen und demokratische Protest!“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Protesten der Landwirten und ihren Gründen lest Ihr auch hier auf Mainz&.