Gestern war übrigens der Tag der Hängematte, habt Ihr das mal ausprobiert? Über dem Boden schweben, sanft schaukeln, der schnöden Alltagswelt entfliehen – Hammocking ist ein Mega-Trend in den USA, nun schwappt die Faszination Hängematte auch immer mehr zu uns. Hängematten sind cool und das Symbol für Freiheit und Abenteuer schlechthin, den Trend und die Hängematten dazu importiert eine Firma aus dem rheinhessischen Jugenheim, gar nicht weit von Mainz: La Siesta gehört zu den größten Hängematten-Herstellern Europas. Seit 25 Jahren fertigt und importiert man hier die coolen Hängetücher, die am 31. Juli eine besondere Rolle in Mainz spielen werden… Mainz& hat La Siesta besucht.

„Entschuldigen Sie bitte die chaotischen Räume“, begrüßt uns Cornelius Grisar an der Tür zu den Büros im ersten Stock, „wir wachsen gerade gewaltig.“ Und schon stehen wir an der Kaffeetheke, wo die Fahnen von sieben oder acht Nationen der Mitarbeiter auf dem Board stehen. Prompt stößt Jean-Christophe Meillan zu uns und stellt sich als der Designer der Hängematten vor. „Der hat noch eine Nachtschicht vor sich“, grinst Grisar, „der neue Katalog muss fertig werden.“
Keine Frage: Bei La Siesta geht es um Hängematten im ganz großen Stil. 120 verschiedene Artikel führen sie hier: Hängematten aus Kolumbien, Brasilien und Mexiko, Familien-Hängematten, Single-Hängematten, Hängestühle, Hänge-Gestelle, Aufhängungen – es ist eine wahre Welt rund um das bunte Tuch in Banenform. „Wenn Sie eine Hängematte in ihr Leben lassen, gestalten Sie Ihren Raum individuell und anders“, sagt Grisar: „Sich ausklinken, die Perspektive wechseln, entschleunigen – einen Raum schaffen für sich selbst.“
Es ist eine uralte Art des Liegens und Schlafens: In Süd- und Mittelamerika werden Hängematten seit Jahrhunderten als Betten, Sofas und Entspannungsliegen genutzt. „Man sagt, dass noch heute geschätzte 20 Millionen Brasilianer in Hängematten schlafen“, sagt Grisar, und dass es in den Hotels dort ganz selbstverständlich Haken in den Wänden gebe zum Aufhängen der mitgebrachten Hängematte. Cool. Der große Vorteil nämlich: Hängematten sind im heißem Klima luftiger als Betten und zudem mit ihrer Entfernung vom Boden sicherer gegen Schmutz und Tiere.

Viele Europäer allerdings machen einen grundlegenden Fehler: Sie versuchen, sich der Länge nach in die Hängematte zu legen – mit Füßen und Kopf nach oben. Falsch, sagt Grisar: „Man legt sich diagonal hinein, dann öffnet sich die Hängematte und man kommt in eine horizontale Liegeposition.“ In der Tat: Das schräge Liegen schafft in der Hängematte eine fast gerade Liegefläche, die Rücken und Becken optimal unterstützt – nichts drückt, trotzdem fühlt man sich, wie auf einer festen Liegefläche. Rückenschmerzen adé…In den meisten Ländern Südamerikas sei das diagonale Liegen die gängige Liegeposition, sagt Grisar.
Das gilt zumindest für die klassische Hängematte in Banenform, daneben gibt es aber auch die großen Hängematten mit Spreizstäben, die sind vor allem in den USA beliebt. Praktisch jeder Backyard, also Hinterhof oder Gartenareal dort, habe eine Hängematte, das gehöre einfach dazu, berichtet Grisar. In Brasilien dagegen haben sie große Tuchhängematten mit Troddeln daran, aus Mexiko wiederum stammt die Netzhängematte, „dort gibt es noch heute ganze Hängemattendörfer“, berichtet Grisar: „Man staunt, wie konstant die Kultur bis heute beibehalten wird.“
Aus Mexiko, aber auch aus El Salvador importierten Grisars Eltern denn auch die ersten Hängematten – das war vor genau 25 Jahren. Grisars Vater Alexander ist Ingenieur, damals hatte er sich gerade selbstständig gemacht, die Geschäfte liefen schleppend. Mutter Dorothee begann, Kunsthandwerk aus Südamerika auf Märkten in Deutschland zu verkaufen, „es war eigentlich aus der Not geboren“, erinnert sich Grisar, der selbst 2011 als Betriebswirt und Mit-Geschäftsführer in das Familienunternehmen einstieg.
Es ist eine Globetrotter-Familie, diese Grisars: Der Vater wuchs in Chile als Sohn von Deutschen auf, Cornelius‘ Eltern lernten sich in Südafrika kennen, dort kamen auch Grisars zwei ältere Brüder zur Welt. Er selbst ist in Honduras geboren, als er ein Jahr alt war, zog die Familie nach Mainz. Auf der Fachmesse Ambiente in Frankfurt sahen die Eltern eine Frau, die Hängematten aus El Salvador verkaufte – die Idee zum neuen Produkt war geboren. „Heute ist das cool und zeitgemäß“, erinnert sich Grisar, damals, Anfang der 1990er, wurden sie dafür belächelt.

Doch die Grisars ließen sich nicht beirren, gewannen Outdoor-Läden als Kunden, dann Kindergärten und Kinder-Ausstatter. Kinder und Hängematten – das sei eine natürliche Liebe, erzählt Grisar: „Die toben da drin, kuscheln, legen sich rein und sind glücklich.“ Und damit begann die nächste Stufe der Hängematten-Geschichte, denn die Stoffgebilde bekamen bei den Kindern schnell Löcher. „Mein Vater ist totaler Perfektionist, der fing dann an, seine eigenen Hängematten zu entwickeln“, erzählt Grisar.
Den ersten eigenen Hersteller fand er in Kolumbien, damals ausgerechnet das gefährlichste Land Südamerikas. Doch der Ingenieur aus Deutschland, der das Land gut kannte, fand einen Fabrikanten und feilte mit ihm an Material und einheitlichen Längen – 1996 wurde so aus dem Importgeschäft der Hängemattenhersteller La Siesta. 95 Prozent aller aus Kolumbien exportierten Hängematten gingen damals nach Rheinhessen, erzählt Grisar – 1997 war die Familie nach Jugenheim umgezogen.
Heute verkaufen sie pro Jahr rund 300.000 Hängematten in 50 Länder der Welt – 2015 waren es nach einem Großauftrag sogar 500.000 Stück – und machen damit einen Umsatz von rund 10 Millionen Euro im Jahr. Knapp 30 Mitarbeiter arbeiten in Jugenheim, die Hauptländer sind die USA und Frankreich, auch Japan boome gerade gewaltig, sagt Grisar. Heute gibt es eine eigene Systematik der Modelle und eine Logik in den Namen, eine Computersoftware haben sie entwickelt, mit der sie die Farben und Designs der Hängematten am Bildschirm simulieren können.
Schließlich werde auch einem Webstuhl eine Tuchlänge von 600 Metern hergestellt, erklärt Grisar – das reicht für 300-400 Hängematten, ein Fehlgriff wäre da ärgerlich. Und sie tüfteln immer weiter an der idealen Hängematte: Das richtige Verhältnis von Länge und Breite ist wichtig für den Liegekomfort, auch die Breite und Elastizität der Seile an Kopf- und Fußende, und wie sie zusammenlaufen. Dazu entwickelte La Siesta 2007 ein eigenes Outdoor-Material aus Poly-Propylen damit Hängematten auch bei schlechtem Wetter draußen bleiben können.
Traditionell sind die Stoffgebilde aus Baumwolle, doch auch da gibt es Unterschiede: Modelle mit herrlich weicher Baumwolle, brasilianische Hängematten aus diagonal gewebtem Baumwoll-Stretch, und seit 2009 Hängematten auch aus Bio-Baumwolle. Gerade haben sie die „Aniversario“ bekommen, eine traumhaft schöne Hängematte in Brauntönen, die aus 100 Prozent Biobaumwolle in einem hundertprozentig ökologischen Herstellungsprozess in Kolumbien gefertigt wurde – eine Hängematten-Weltpremiere, sagt Grisar stolz.

Die Hängematte stammt aus einem Nachhaltigkeits-Projekt von La Siesta in Kolumbien, das komplett nach dem Öko-Standard GOTS zertifiziert wurde, dem anerkannten und weltweit akzeptierten Global Organic Textile Standard, der nicht nur die Fasern selbst, sondern die ganze Fertigungskette einbezieht. Alle Bio-Hängematten von La Siesta sind nach GOTS-Standard hergestellt, die besonders weiche Aniversario aber gibt es nur in einer limitierten Auflage von 246 Stück – ein echtes Geburtstagsgeschenk.
Drei Meter lang ist eine kleine, traditionelle Hängematte bei La Siesta, die Familien-Matten sind sogar vier Meter lang. Zum Aufhängen braucht man etwa 70 Prozent der Gesamtlänge – je näher die beiden Aufhängpunkte beieinander liegen, umso höher muss der Haken hängen. Und dann sind da noch die Reisehängematten aus ultradünner Fliegerseide, die in einen kleinen Sack passen, perfekt zum Mitnehmen.
Und perfekt für den neuesten Trend in den USA: Dort nämlich sei Hammocking total angesagt, erzählt Grisar: „Man trifft sich mit der Hängematte in Parks, chilled, feiert Hängematten-Parties, sogar Hammocking-Clubs gibt es da an Unis, das geht gerade richtig durch die Decke.“ Das hänge auch mit einer jungen Generation zusammen, die sehr weltoffen und aufgeschlossen sei, total Outdoor-affin – und die anders leben wolle als ihre Eltern.

„Hammocking ist eine Art, sein Leben anders zu gestalten“, sagt Grisar, die Hängematte schaffe spezielle Momente. „Es ist viel mehr als einfach nur abhängen“, sagt der 37-Jährige, es gehe auch darum, „in die richtige Schwingung zu kommen“ mit dem Raum, der Umwelt, mit sich selbst. In Deutschland sei diese Kultur leider noch nicht so angekommen, bedauert Grisar – das soll zumindest in Mainz nun ein Weltrekord ändern: Am 31. Juli, veranstaltet La Siesta bei den Mainzer Sommerlichtern ein Rekord-Chillen in 250 Hängematten am Rheinufer.
„In eine so tolle und lebenslustige Stadt wie Mainz passt das doch perfekt“, schwärmt Grisar und gesteht, dass sein Traum ja ein kleiner eigener La Siesta-Hängematten-Laden in Mainz wäre…. Nun, liebe Ladenbesitzer – vielleicht liest das hier ja jemand, der nicht gleich horrende Mietpreise haben möchte… Eine Hängematte, findet jedenfalls Grisar, könne auch das Stadtleben bereichern und verspricht: „Eine gute Hängematte verbessert Dein Leben.“
Anmerkung: Das können wir bestätigen… denn neben der Tatsache, dass wir immer gerne innovative und spannende Unternehmen aus Mainz und manchmal eben auch Rheinhessen vorstellen, dient Mainz&-Chefin Gisela Kirschstein ganz persönlich seit einem halben Jahr eine Hängematte als Bett. Jede Nacht. Und es ist großartig – für Rücken, Geist und Erholung. Nur damit Ihr unsere Begeisterung für Hängematten nachvollziehen könnt 😉
Info& auf Mainz&: Mehr zum Weltrekord im Hängematten-Chillen lest Ihr in diesem Mainz&-Artikel. Mehr über die Firma La Siesta könnt Ihr auf dieser Internetseite nachlesen oder auf hier auf Facebook.