Das Heilig-Geist-Spital gehört zu den ältesten erhaltenen Häusern von Mainz, das spätromanische Gebäude stammt aus dem Jahr 1236, es ist damit das älteste Bürgerspital Deutschlands. Früher ein Ort der Krankenpflege, dient der Hauptraum bereits seit vielen Jahren als Restaurant – doch das ist nicht alles, was der Bau zu bieten hat: Im Obergeschoss befindet sich auch noch eine alte Hauskappelle, und die dient heute den Mainzer Schlaraffen als „Burg“. Am Tag des Offenen Denkmals öffneten die „Schlaraffen“ die Tore zu einem Blick hinter die Kulissen.

Das obere Stockwerk des Heiliggeist in Mainz: Hinter dem Erker verbirgt sich die alte Hauskappelle des früheren Spitals. - Foto: gik
Das obere Stockwerk des Heiliggeist in Mainz: Hinter dem Erker verbirgt sich die alte Hauskappelle des früheren Spitals. – Foto: gik

Es war um das Jahr 1236, als der Mainzer Erzbischof Siegfried III. von Eppstein am damaligen Rheinufer ein neues Gebäude mit einem prachtvollen Tor errichten ließ: Das Heilig-Geist Spital sollte der Pflege der Armen, Kranken und Obdachlosen dienen, der Neubau am damaligen Rheinufer ersetzte einen kleineren Bau in der Nähe des Doms. 1236 wurde der Bau im spätromanischen Stil der Bruderschaft zum Heiligen Geist übergeben. Eine Besonderheit: der Bau ragte zur Hälfte über die Stadtmauer hinaus, die sogar zum Teil diagonal durch die Räume führte.

Das hatte für das Spital und die Mainzer durchaus Vorteile: Eine kleine Pforte im Erdgeschoss ermöglichte es Spätankömmlingen, auch nach Schließung der Stadttore über das Ostportal noch Einlass ins Spital zu finden – und damit in die Stadt Mainz. Schon 1244 ging die Verwaltung des Spitals an die nunmehr freie Stadt über, fiel aber mit dem Verlust der Stadtfreiheit im Jahre 1462 wieder an die Kirche zurück, die das Haus nun in ein Altersheim für Frauen verwandelte – und im spätgotischen Stil umbaute.

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Hauskappelle des Heiliggeist-Spitals öffnete Türen

Jetzt entstand der große Saal im Erdgeschoss mit dem imposanten Kreuzgewölbe, die Fenster bekamen gotische Spitzbögen, die aber teilweise später wieder zurückgebaut wurden. Den Mainzern ist das altehrwürdige Gebäude schon seit vielen Jahren als Restaurant bekannt, dass aber das Gebäude selbst das älteste erhaltene Bürgerspital Deutschlands ist, wissen wohl schon weniger.

Ulrich H. Drechsler zeigt die "Burg" der Schlaraffia Moguntia in der alten Hauskappelle des Heilig-Geist-Spitals. - Foto: gik
Ulrich H. Drechsler zeigt die „Burg“ der Schlaraffia Moguntia in der alten Hauskappelle des Heilig-Geist-Spitals. – Foto: gik

Am Tag des Offenen Denkmals gab das „Heiliggeist“, wie es heute genannt wird, indes noch ein Geheimnis Preis: Eine kleine Pforte an der Mailandsgasse verbirgt eine steile Treppe, die geradewegs hinauf in das Obergeschoss des alten Spitalgebäudes führt. Oben wartet die ehemalige Hauskappelle, ein alter Bogen mit verzierten Steinen kündet noch von der ursprünglichen Nutzung des Raumes. Heute aber findet sich hier eine „Burg“: Das Hauptquartier des Männervereins „Schlaraffia Moguntia“.

„Wir sippen hier“, sagt Ulrich H. Drechsler zur Begrüßung, und das ist nicht despektierlich gemeint: „Sippung“ heißen die Treffen der Schlaraffen, die Vereinigung wurde 1859 von Pragern Schauspielern gegründet, und zwar „zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor“, erklärt Drechsler. Die Mitglieder heißen „Sassen“, sie setzen sich aus Knappen, Junkern und Rittern zusammen – die Schlaraffen verstehen ihre Vereinigung als Spiel nach dem Vorbild des mittelalterlichen Rittertums.

Schlaraffia: Persiflage und Hort des kultivierten Humors

„Es war gedacht als eine Persiflage auf die Obrigkeit“, erklärt Drechsler – ganz ähnlich der Garden in der Fastnacht, mit denen die Schlaraffen aber direkt nichts zu tun haben. „Eine Verbindung zur heutigen Fastnacht besteht nicht“, betont Drechsler, doch der Zeitgeist war ein Ähnlicher: Man parodierte Obrigkeit und Militär, schwang kunstvoll gedrechselte Reden und verlieh sich gegenseitig Orden und Ehrenabzeichen als Parodie auf das reale Leben. Den Schlaraffen geht es um intelligente Wortgefechte und kultivierten Nonsens, Leitfigur ist der Uhu als Symbol für Weisheit und Tugend: unter seinen Fittichen treffen die Schlaraffen zu ihren Sippungen zusammen.

Wappen der Mainzer Ritter in der Schlaraffia Moguntia. - Foto: gik
Wappen der Mainzer Ritter in der Schlaraffia Moguntia. – Foto: gik

„Es ist ein Rollenspiel“, betont Drechsler, die Mitglieder tragen Kostüme nach (gedachter) Ritterart mit Kappen statt Helmen. Toleranz wird in dem Bund groß geschrieben, der gleichwohl ein reiner Männerbund ist. „Die Burgfrauen sind aber ebenso Teil unserer Gemeinschaft, sie wir zutiefst verehren“, betont Drechsler.

Die wöchentlichen Treffen finden nur im Winterhalbjahr statt, zu dem jeweiligen Wochenthema steuern die Sassen kleine musikalische oder verbale Beiträge bei. Unter den einreitenden Rittern seien immer auch Abgesandte anderer „Reyche“, wie die Vereinigungen aus den verschiedenen Städten genannt werden.

Berühmte Schlaraffen: Herbert Bonewitz und Ernst Neger

„Wir zählen zu den ältesten Mainzer Vereinen nach der Ranzengarde und dem Mainzer Carneval-Verein“, betont Drechsler – berühmte Mitglieder der Schlaraffen waren etwa der Kabarettist Herbert Bonewitz oder der berühmte singende Dachdecker Ernst Neger, der als „Ritter Negus, der Daag- und Nachtdecker“ in die Annalen der Schlaraffia einging. Jeder Schlaraffe gibt sich nämlich einen „Ritternamen“ samt Wappen, das im „Rittersaal“ aufgehängt wird – auch die Burg der Mainzer Schlaraffen wird von den Wappen ihrer Mitglieder geziert.

Rittersaal der Mainzer Schlaraffen am Tag des Offenen Denkmals. - Foto: gik
Rittersaal der Mainzer Schlaraffen am Tag des Offenen Denkmals. – Foto: gik

Ulrich H. Drechsler firmiert hier etwa unter dem Namen „Ritter Netto mit der Nachwuchsgarantie“, der Mainzer Geschäftsmann ist zugleich Vorsitzender der Schlaraffia-Stiftung. Die verleiht seit 2016 den „Mainzer Stadtmusiker“, erster Preisträger war Domorganist Daniel Beckmann.

Der „Rittersaal“ jedoch ist den Schlaraffen ein Herzensanliegen: Gut 55 Jahre lang war die alte Hauskappelle des Heiliggeist das Zuhause der Schlaraffen, dann machten Veränderungen in den Besitzverhältnissen einen Umzug nötig. 1806 nämlich beendete der französische Kaiser Napoleon nach seiner Eroberung des Rheinlands jegliche kirchliche Orden und Besitzungen – das Mainzer Spital wurde in der Folge Magazinlager und Pferdestall.

1863 wurde das Gebäude von der Stadt für 32.000 Gulden an die Mainzer deutschkatholische Gemeinde verkauft, die das Bauwerk bis 1864 mit einem Aufwand von 70.000 Gulden sanierte, wie Wikipedia weiß. 1888 verkaufte die deutschkatholische Gemeinde das Gebäude an die Brey’schen Bierbrauerei, sie später erst in der Binding Brauerei, und dann in der Radeberger Gruppe aufging. Seit 2017 ist das ehemalige Spital im Privatbesitz zweier Mainzer Unternehmer – und im Sommer 2023 zogen die Schlaraffen zurück in ihre alte „Burg“.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Heilig-Geist-Spital und seiner Geschichte findet Ihr hier im Internet bei der Stadt Mainz. Die Mainzer Schlaraffia lädt übrigens Interessierte zu einem Kennenlernabend am 26. Oktober 2023 um 20.00 Uhr in ihre „Burg“ im Heiliggeist. Thema bei der „Sippung“ an diesem Abend ist „Offener Vorhang“, dabei könnt Ihr erleben, wie das Ritterspiel der Schlaraffen abläuft. Die Schlaraffia Moguntia findet Ihr hier im Internet.