Die Firma m2a artitude Betriebs GmbH der Frankfurter Eventmanagerin Missy Motown hatte deutlich mehr Verträge zeitgleich mit dem Land, der Kreisverwaltung Ahrweiler und der landeseigenen Investitions- und Strukturbank ISB, als bislang bekannt. Insgesamt flossen dabei nach Mainz&-Recherchen bisher rund 3,14 Millionen Euro an Steuergeldern – bei einem potenziellen Vertragsvolumen von rund 5,5 Millionen Euro. Zudem räumte die ISB-Bank auf Mainz&-Anfrage ein: Es gab sehr wohl weitere Firmen, die sich ebenfalls für die Auftragsvergabe beworben hatten.

Die Geschäftsführerin des Helfer-Stabs, Missy Motown alias Nicole Schober, in einem Interview mit dem SWR. - Screenshot: gik
Die Geschäftsführerin des Helfer-Stabs, Missy Motown alias Nicole Schober, in einem Interview mit dem SWR. – Screenshot: gik

Die Frage, warum das Land Rheinland-Pfalz ausgerechnet die Firma der ursprünglich aus Frankfurt gekommenen Eventmanagerin Missy Motown mit hoch dotierten Aufträgen zur Besetzung der Info-Points im Ahrtal beauftragt hatte, hatte im April der Obmann der Freien Wähler im Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags zur Flutkatastrophe im Ahrtal, Stephan Wefelscheid, aufgeworfen. Mit einem hochgerechneten Betrag von 731.792 Euro wäre „ein solch durchaus lukrativer Vertrag auch für weitere Interessenten interessant gewesen“, hatte Wefelscheid damals angemerkt – und die Frage nach der Vergabe der Verträge gestellt.

Nun stellt sich heraus: Die m2a artitude GmbH hatte nicht nur einen Vertrag zur Besetzung der Info-Points, sondern zeitweise sogar drei Verträge gleichzeitig – mit einem möglichen Auftrags-Gesamtvolumen von rund 5,5 Millionen Euro. Die Verträge wurden von der Dienstaufsicht ADD und der Investitions- und Strukturbank des Landes Rheinland-Pfalz (ISB) geschlossen, bis heute sind laut Antwort der beteiligten Institutionen insgesamt 3,14 Millionen Euro ausgezahlt worden – zum Großteil aus Mitteln des Staatshaushalts Rheinland-Pfalz.

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Vertrag 1: Personal für Info-Points

Die Info-Points im Ahrtal waren bereits kurz nach der Flutkatastrophe des 14. Juli 2021 zunächst als lose Anlaufstellen für die Bevölkerung entstanden. In den teils völlig zerstörten Orten entstanden an zentralen Punkten meist schlichte Pavillon-Zelte als Anlaufstellen für Lebensmittel, Hilfsgüter – und für Fragen aller Art. Aus dieser Erststruktur heraus entstand nach Mainz&-Recherchen die Idee von permanenten Anlaufpunkten für die Bevölkerung – eine Idee, die bis heute im Ahrtal als geradezu genial und wertvoll empfunden wird.

Eine Anwohnerin in Kreuzberg an der Ahr in einer der selbst organisierten Versorgungszelte, wie sie kurz nach der Flut im ganzen Ahrtal entstanden. - Foto: gik
Eine Anwohnerin in Kreuzberg an der Ahr in einer der selbst organisierten Versorgungszelte, wie sie kurz nach der Flut im ganzen Ahrtal entstanden. – Foto: gik

Zur Besetzung dieser „Info-Points“ schloss die Dienstaufsicht ADD am 7. September 2021 einen Dienstleistungsvertrag mit der m2a artitude Betriebs GmbH von Nicole Schober alias Missy Motown. Die m2a wiederum sollte laut Vertrag Personal für den Betrieb der Info-Points stellen, das aber an die neu gegründete Helfer-Stab gGmbH weitergegeben und von dort eingesetzt und koordiniert wurde. Die Vergabe erfolgte ohne Ausschreibung, die Dienstaufsicht ADD beruft sich dabei „auf die von der Landesregierung beschlossenen Vergabeerleichterungen im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe“, wie die ADD selbst Ende April mitteilte.

Es sei darum gegangen, Hilfe schnell und unbürokratisch zu organisieren und zu verstetigen, hatte ADD-Präsident Linnertz dazu betont. Die m2a sollte zur Besetzung der Info-Points bis zu 15 Vollzeitmitarbeiter stellen, wie die BILD-Zeitung nun erfuhr, erhielt die m2a artitude GmbH dafür bis Ende 2022 insgesamt 848.507,68 Euro an Zahlungen. Der Vertrag war nach Ende der Einsatzleitung durch die ADD im Ahrtal am 1. Oktober 2021 anschließend auf die Kreisverwaltung Ahrweiler übergegangen, die ihn Ende 2022 auslaufen ließ.

Drei Verträge mit ISB, Auftragsvolumen: 5,5 Millionen Euro

Doch das war nur ein Teil der Vertragsbeziehungen der m2a artitude Betriebs GmbH zum Land Rheinland-Pfalz: Wie die landeseigene ISB-Bank nun auf Mainz& Anfrage bestätigte, bestanden zeitgleich mit dem Vertrag zur ADD und danach dem Kreis Ahrweiler noch zwei weitere Dienstleistungsverträge – mit der ISB. Danach schloss die Landesbank am 1. November 2021 ebenfalls einen Vertrag mit der m2a über das Stellen von Personal an den Info-Points, dieses Mal aber für Beratung beim Ausfüllen der komplizierten Anträge für Finanzentschädigungen für Flutbetroffene.

Die Info-Points im Ahrtal leisteten wee5tvolle Hilfe für die Bewohner nach der Flutkatastrophe. - Foto: ADD
Die Info-Points im Ahrtal leisteten wee5tvolle Hilfe für die Bewohner nach der Flutkatastrophe. – Foto: ADD

Nach Angaben der ISB konnten über diesen Vertrag für die ISB-Infopoints seit dem 01.11.2021 „bis zu 20 Vollzeitarbeitskräfte (VAK) pro Monat abgerechnet werden.“ Die tatsächliche Anzahl der abgerechneten VAK habe sich dabei am jeweiligen Bedarf und der Verfügbarkeit von Personal orientiert, das habe beispielsweise zwischen 16,54 Vollzeitäquivalenten im Dezember 2021 über 10,87 im August 2022 bis hin zu 19,18 VAK im April 2023 gereicht.

Für diesen Vertrag im Rahmen von Antragstellung für die Aufbauhilfen RLP habe die ISB so bis Ende 2022 insgesamt 912.198,39 Euro brutto an die m2a gezahlt – das Auftragsvolumen habe inklusive sämtlicher zusätzlicher Optionen rund eine Million Euro betragen. Zum 1. Januar 2023 wurde zudem ein Folgevertrag zur personellen Betreuung und Organisation der ISB-Infopoints abgeschlossen, hier können bis zu 20 VAK pro Monat abgerechnet werden. Bislang seien in diesem Vertrag von Januar 2023 bis April 2023 insgesamt 339.215,36 Euro brutto geflossen. Die maximale Vertragslaufzeit betrage aber zwei Jahre und sechs Monate, das Auftragsvolumen für die Gesamtdauer  inklusive sämtlicher zusätzlicher Optionen rund 2,3 Millionen Euro.

Finanzierung aus dem Landeshaushalt, vergeben ohne Ausschreibung

Zugleich bestätigte die ISB auch, dass die Verträge über die ISB aus dem Landeshaushalt beglichen werden: „Die Finanzierung erfolgt aus dem Landeshaushalt, Einzelplan 12“, so die Antwort im Wortlaut – dahinter verbergen sich Mittel aus dem Bereich „Hochbaumaßnahmen und Wohnungsbauförderung“. Das gilt auch für Vertrag Nummer drei, ein am 1. April 2022 geschlossener Dienstleistungsvertrag für „Aufsuchende Hilfen“ mit der m2a. Hier seien vertraglich bis zu 40 VAK möglich, aktuell seien knapp 27 VAK beschäftigt, so die ISB weiter.

Von der Flut zerstörtes Haus in Dernau Mitte Juli 2022, ein Jahr nach der Katastrophe. - Foto: gik
Von der Flut zerstörtes Haus in Dernau Mitte Juli 2022, ein Jahr nach der Katastrophe. – Foto: gik

Gezahlt habe die iSB hier bislang rund eine Million Euro brutto für den Zeitraum Mai 2022 bis April 2023. Da auch dieser Vertrag eine maximale Vertragslaufzeit von zwei Jahren und sechs Monaten hat, käme im Maximalfall ein Auftragsvolumen von rund zwei Millionen Euro zusammen.

Interessant dabei ist: Auch diese Verträge wurden ohne ein förmliches Ausschreibungsverfahren vergeben, hatte es zunächst geheißen. Nun teilte die ISB indes mit: Die Verträge seien „nach Durchführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens geschlossen“ worden, das „auf der Grundlage des geltenden Vergabe- und Haushaltsrechts und unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt geltenden Ausnahmeregelungen durchgeführt wurde.“

„Markterkundung“: Vier Unternehmen hatten Interesse

Vor der Auftragsvergabe für die personelle Betreuung und Organisation der ISB-Infopoints habe man „eine Markterkundung durchgeführt“, so die ISB weiter, „um unter den gegebenen Umständen des engen zeitlichen Rahmens trotzdem noch den größtmöglichen Wettbewerb herstellen zu können.“ Vier Unternehmen und eine Gruppe von in Sinzig tätigen Ehrenamtlern hätten dabei Interesse signalisiert, die Aufgabe zu übernehmen. Nach Aufforderung zur Angebotsabgabe hätten davon aber „nur zwei Unternehmen und die Ehrenamtler ein Angebot abgegeben, zwei Unternehmen haben abgesagt.“

Improvisierte Anlaufstation in Schuld Ende Juli 2021: Versorgungsstation, Infopoint und erste Hilfe bei bürokratischen Anliegen. - Foto: gik
Improvisierte Anlaufstation in Schuld Ende Juli 2021: Versorgungsstation, Infopoint und erste Hilfe bei bürokratischen Anliegen. – Foto: gik

Tatsächlich übernahmen im November 2021 beim Start der Antragsverfahren neben der m2a auch eine Gruppe Ehrenamtler in Bad Bodendorf und Sinzig die Besetzung der Info-Points, dazu wurde ein Dienstleistungsvertrag mit den Ahr-Thermen zur Besetzung von Info-Points geschlossen – hier wurden meist zwischen fünf und zehn Vollzeitstellen abgerechnet. Der Vertrag habe einen Auftragswert von 892.352,57 Euro für ein Jahr und drei Monate gehabt, sei aber nicht ausgeschöpft worden, so die ISB weiter.

Interessant dabei ist: Die ISB schloss hier mit beiden Gruppierungen direkt Verträge ab, beim Helfer-Stab aber über den Umweg der m2a artitude GmbH, die zudem eine Verwaltungspauschale von 15 Prozent erhielt. Bei der ADD hieß es dazu bisher, der Helfer-Stab sei zu dem Zeitpunkt eine lose Gruppierung gewesen, mit der keine Vertragsabschlüsse möglich gewesen seien.

Konzept Helfer-Stab weist eine „gGmbH in Gründung“ aus

Mainz& liegt aber nun ein „Konzept zur Koordination der Freiwilligen Hilfe in Katastrophenfällen“ mit dem Datum 14. August 2021 vor. In der Einleitung heißt es: „Der Helfer-Stab setzt sich aus mehreren NGO’s zusammen“, man befinde sich „in einer entsprechenden Konzeptionsphase“ für Stabsstrukturen. Gleichzeitig aber weist das Titelblatt des Konzeptes die Beschriftung „Helfer-Stab gGmbh i. Gr.“ auf – also eine gemeinnützige GmbH „in Gründung.“

Die Helfer-Wand an einem zerstörten Haus in Dernau an der Ahr im Juli 2022. - Foto: gik
Die Helfer-Wand an einem zerstörten Haus in Dernau an der Ahr im Juli 2022. – Foto: gik

Der Zusatz „in Gründung“ wird aber einer GmbH für gewöhnlich erst dann als Zusatz hinter den Namen gestellt, wenn der Gesellschaftsvertrag für die GmbH notariell beurkundet ist, wie die IHK Pfalz erklärt. Rechtlich spreche man dann von einer „Vor.-GmbH“, die „den Zusatz „in Gründung“ oder abgekürzt „i.Gr.“ führen und Geschäfte abschließen kann.“ War die Helfer-Stab gGmbH also schon Mitte August geschäftsfähig? Hätte die ADD also statt mit der m2a mit dem Helfer-Stab direkt einen Dienstleistungsvertrag abschließen können?

Wohl nicht, denn laut Handelsregister wurde der Gesellschaftsvertrag für die GmbH erst am 21. Oktober 2021 notariell beurkundet, und zwar in Frankfurt – also zwei Monate später. Dass sich der Helfer-Stab trotzdem schon im August als „gGmbH i.Gr.“ bezeichnete, sei „ausgesprochen unüblich“, sagen Experten für Handels- und Gesellschaftsrecht auf Mainz&-Anfrage – im Grunde suggeriere man damit einen Stand des Unternehmens, der aber noch gar nicht erreicht sei.

Für die Verträge mit der ISB gilt das indes nicht: Nach der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrag am 21. Oktober 2021 wäre die Helfer-Stab gGmbH geschäftsfähig gewesen, spätestens nach der Eintragung ins Handelsregister am 10. Januar 2022. Bei der ISB heißt es dennoch zum Vertrag vom 1. April 2022, es habe wegen des ursprünglichen Endes der Antragsfrist Mitte 2023 „erhöhten Handlungsdruck“ gegeben, die m2a artitude Betriebs-GmbH habe bereits die nötigen Kenntnisse sowie die Vernetzung zu den ISB-Infopoints gehabt. Der Vertrag sei „nach Durchführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens geschlossen“ worden, betont die ISB – von einem Einholen mehrere Angebote spricht sie dabei aber nicht.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Auftragsvergabe in Sachen Helfer-Stab könnt Ihr auch noch einmal hier bei Mainz& nachlesen, die ganze Geschichte um Hass und Hetze in Sachen Helferszene lest Ihr hier bei Mainz&. Alle Artikel rund um die Flutkatastrophe im Ahrtal findet Ihr zudem hier in unserem großen Mainz&-Dossier.

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