Der Hilfstransport aus Rheinland-Pfalz für die Flüchtlinge auf Lesbos ist nun endlich unterwegs: Die Hilfsgüter starteten am Mittwoch per Lkw Richtung Griechenland, nachdem die griechischen Behörden für einen Flug keine Genehmigung erteilt hatten. Derweil halten Berichte an, dass die Verteilung von Hilfsgütern an Flüchtlinge weiter von Polizisten auf Lesbos unterbunden werden. Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert berichtet derweil, nun nähmen Magen-Darm-Infektionen zu, weil die Menschen teilweise aus Verzweiflung Abwasser tränken.
Am Freitag hatte das Land Rheinland-Pfalz angekündigt, Masken und Desinfektionsmittel nach Lesbos zu schicken, doch ein eigentlich geplanter Hilfsflug mit der Linie Condor kam nicht zustande – die Behörden erteilten offenbar keine Genehmigung. „Eine für die Abfertigung erforderliche Bestätigung durch die griechische Regierung für die Hilfsorganisationen vor Ort“ habe nicht vorgelegen, teilte das Mainzer Sozialministerium etwas kryptisch mit – die Lage vor Ort ist offenbar unklar.
Nun habe man den Weg über die Straße gewählt, um schnellstmöglich Hilfe leisten zu können, heißt es aus dem Ministerium weiter: Am Mittwoch wurden nun 125.000 Mund-Nasen-Schutz-Masken, 12.600 Liter Desinfektionsmittel sowie Einweghandschuhe aus dem Bestand der Landesregierung per Lkw nach Griechenland auf den Weg gebracht. „Die Hilfsorganisationen vor Ort bestätigen, dass insbesondere persönliche Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel dringend benötigt werden“, sagte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). Rheinland-Pfalz sei gerne bereit, mit entsprechender Ausrüstung zu helfen, um die Notlage auf Lesbos zu lindern und eine Ausweitung der Corona-Infektionen zu bremsen.
Die Lieferung erfolge zunächst nach Athen auf dem Landweg, von dort aus würden die Güter nach Lesbos verschifft. Dort sollen sie von einer griechischen Hilfsorganisation entgegengenommen und an die Geflüchteten verteilt werden. Der Kontakt erfolge über den Mainzer Sozialmediziner Professor Gerhard Trabert, der sich seit vergangenem Samstag auf Lesbos aufhält. Von dort halten die Berichte an, dass Helfer massiv daran gehindert werden, Hilfsgüter an die Gestrandeten zu verteilen. Vergangene Woche war das große Flüchtlingscamp Moria abgebrannt, 12.500 Menschen campieren seither überwiegend am Straßenrand un in Olivenhainen.
Die aus Rheinland-Pfalz stammende Fotojournalistin Alea Horst, die bereits seit einigen Wochen auf Lesbos ist, berichtete am Mittwoch auf ihrem Facebook-Profil, sie habe gerade Lebensmittel im Wert von mehr als 1000 Euro in ihrem Auto, verteilen dürfe sie sie aber nicht. „Es ist mir nicht möglich, auf der Straße etwas zu verteilen, die Behörden lassen das nicht zu“, berichtete Horst in einem Video. Die Polizei verhindere, dass Autos mit Lebensmitteln in die Zone gebracht werden könnten. Es gebe Helfer, die Lebensmittel und Getränke über die Berge schmuggelten, um den Menschen auf der Straße etwas zu essen bringen zu können, berichtete Horst.
„Warum schaffen es die griechischen Behörden nicht, die Menschen anständig mit Essen zu versorgen“, sagte Horst, „die Anzahl der Flüchtlinge ist ja nicht gewachsen – warum haben die Leute Hunger und Durst, auch am Tag sieben nach dem Brand noch?“ Es stehe kein einziges Dixie-Klo, es gebe kein Wasser zum Waschen. Das Ergebnis: Magen-Darminfektionen, Wurmerkrangen und Skabies nähmen zu, berichtete Trabert, der eine medizinische Sprechstunde auf Lesbos abhält. Der Grund: „Da die Menschen kein sauberes Trinkwasser haben, zapfen sie teilweise aus Verzweiflung Abwasser an“, schreibt Trabert auf Facebook.
In seiner Sprechstunde habe er auch einen Patienten mit gebrochenem Fuß behandelt, der vor zwei Tagen von einem Polizisten mit einem Schlagstock geschlagen worden sei, berichtete der Arzt weiter: „Behandlung im Krankenhaus Fehlanzeige. Kinder schauen ins Leere. Schwangere haben Angst um ihr ungeborenes Leben. Säuglinge werden apathisch und mit Fieber zu mir gebracht.“
Die Bundesregierung hat inzwischen angekündigt, zusätzlich zu den ursprünglich 150 Menschen noch rund 1.500 weitere Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, ob die aber aus Lesbos stammen werden, ist unklar: Die griechische Regierung spricht davon, es handele sich dabei um Flüchtlinge mit bereits anerkanntem Asylgrund, bei vielen Geflüchteten auf Lesbos sind die Verfahren aber noch gar nicht abgeschlossen. Trabert sagte dazu, 1.500 Menschen aufzunehmen, sei nicht genug: „Es ist ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung, aber es müssen noch mehr Menschen aus der Hölle von Lesbos evakuiert und in Europa und besonders in Deutschland aufgenommen werden.“
Info& auf Mainz&: Der Verein Armut & Gesundheit sammelt Spenden für den Einsatz von Gerhard Trabert auf Lesbos und zur Finanzierung der Medikamente, das Spendenkonto findet Ihr hier auf der Homepage des von Trabert gegründeten Vereins. Mehr zum Brand von Moria könnt Ihr hier nachlesen. Mehr zu den Schilderungen der Zustände auf Lesbos sowie über den Streit um die europäische Flüchtlingspolitik lest Ihr hier auf Mainz&. Wer der Sozialmediziner Gerhard Trabert ist und was er so macht, lest Ihr in unserem Porträt „Der Straßen-Doc“ vom Dezember 2019.