Das Mainzer Innenministerium wirft dem früheren Ahrweiler Landrat Jürgen Pföhler (CDU) „schwerwiegende Dienstvergehen“ im Zuge der Flutkatstrophe im Ahrtal 20921 vor. Pföhler habe „durch seine Verhaltensweisen und Unterlassungen gravierend und umfassend gegen seine Dienstpflichten verstoßen“, sagte Innenminister Michael Ebling (SPD) am Mittwoch in Mainz. Das Katastrophenschutzsystem im Landkreis Ahrweiler sei „umfassend mängelbehaftet“ gewesen, der Landrat in der Flutnacht seiner Verantwortung in keinster Weise nachgekommen. Das hat schon jetzt akute Folgen: Pföhler wurde bereits ein Drittel seines Ruhegehalts gekürzt. Sein Anwalt widerspricht, Pföhler will sich wehren.

Kurz vor dem vierten Jahrestag der Flutkatastrophe im Ahrtal vom 14. Juli 2021 war bekannt geworden, dass das Innenministerium in Mainz dem früheren Landrat Jürgen Pföhler (CDU) im Rahmen eines Disziplinarverfahrens schwere Vorwürfe macht. An diesem Mittwoch berichtete Innenminister Michael Ebling (SPD) nun erstmals öffentlich und ausführlich im Innenausschuss des Mainzer Landtags über die Ergebnisse des Verfahrens.
Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal waren in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 20ß21 insgesamt 136 Menschen ums Leben gekommen, eine Person davon wird bis heute vermisst. Allein an der unteren Ahr, im Raum Bad Neuenahr-Ahrweiler und bis zur Flussmündung in Sinzig starben mehr als 80 Menschen in den meterhohen Fluten – viele von ihnen ungewarnt in Erdgeschosswohnungen. Die Dienstaufsichtsbehörde ADD hatte bereits 2021, kurz nach der Flutkatastrophe, ein Disziplinarverfahren gegen den damaligen Landrat des Kreise Ahrweiler, Jürgen Pföhler, eingeleitet.
Ministerium: Pföhler „gravierend gegen Dienstpflichten verstoßen“
Das Disziplinarverfahren war wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den Landrat ausgesetzt worden, die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz stellte das Verfahren jedoch im April 2024 ohne Anklage ein. Ermittelt worden war wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung im Amt sowie der fahrlässigen Tötung durch Unterlassung, die Staatsanwaltschaft kam jedoch zu dem Ergebnis, es gebe dafür „keinen hinreichenden Tatverdacht“, eine Verurteilung sei nicht wahrscheinlich“ – es sei nicht nachzuweisen, dass Menschen durch ein anderes Handeln des Landrats hätten gerettet werden können.

Dabei hatte die Staatsanwaltschaft zugleich dem Landrat ein Komplettversagen in der Flutnacht attestiert, vor allem, weil er sich seiner Gesamtverantwortung entzogen habe – in die gleiche Richtung argumentiert nun das Mainzer Innenministerium. Das habe nach dem Ende der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen „das Disziplinarverfahren an sich gezogen und im Oktober 2024 auf weitere Tatvorwürfe ausgedehnt“, sagte Ebling, nun liege der Abschlussbericht dazu vor. Für diesen seien mehr als 10.000 Seiten Akten, der Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft sowie die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe im Ahrtal ausgewertet worden.
Und danach „steht fest, dass der ehemalige Landrat durch seine Verhaltensweisen und Unterlassungen gravierend und umfassend gegen seine Dienstpflichten verstoßen hat“, betonte Ebling. Als Gründe nannte der Innenminister eine ganze Liste schwerer Vorwürfe: Demnach habe sich bereits das vorgehaltene Katastrophenschutzsystem im Landkreis Ahrweiler „als umfassend mängelbehaftet“ erwiesen, und dafür trage der Landrat die Verantwortung. „Die unter seiner Führung geschaffenen Rahmenbedingungen waren nicht geeignet, einen sachgerechten Einsatz zu ermöglichen“ oder den Schutzauftrag gegenüber der Bevölkerung gerecht zu werden, so Ebling weiter.
Vorwurf: in der Flutnacht Verantwortung nicht wahrgenommen
Zudem habe Pföhler auch im konkreten Einsatzgeschehen „nicht für die erforderlichen stabsmäßigen Strukturen gesorgt, und keine operativen, strategischen oder sonstigen Entscheidungen getroffen“. Er habe die ihm obliegende Verantwortung nicht wahrgenommen und sei stattdessen „dem Einsatzgeschehen fast vollumfänglich fern geblieben“, wobei er auch nicht sicher gestellt habe, dass er durchgehend telefonisch erreichbar gewesen sei. „Stattdessen widmete er sich privaten Angelegenheiten und räumte der Sicherung des eigenen Hab und Guts Vorrang ein“, so der Innenminister weiter.

Die Vorwürfe stützen sich damit genau auf die Ermittlungen des Landeskriminalamtes zu der Frage, wo sich Pföhler in der Flutnacht aufhielt, und was er damals tat – einen detaillierten Bericht dazu lest Ihr hier auf Mainz&. Die Ermittler hatten Pföhler unter anderem vorgeworfen, seinen Porsche in Sicherheit gebracht und sein persönliches Habe aus seinem Haus am Ahrufer in Sicherheit gebracht zu haben – in der Einsatzleitung des Krisenstabes aber nur zwei Mal aufgetaucht zu sein, ein Mal in Begleitung des damaligen Innenministers Roger Lewentz (SPD).
Pföhlers schlechte Erreichbarkeit in der Flutnacht, zum Teil über Stunden hinweg, sahen die Ermittler als wesentliche Ursache dafür, dass der große Katastrophenalarm samt Evakuierungsanordnungen in der Flutnacht fiel zu spät ausgelöst wurde, nämlich erst um kurz nach 23.00 Uhr. Da standen weite Teile von Bad Neuenahr und Ahrweiler bereits unter Wasser, viele Menschen schliefen bereits. Pföhler sei „seiner Führungsverantwortung als administrativ-politisch Gesamtverantwortlicher – und Gesamteinsatzleiter – vollumfänglich nicht gerecht“ geworden, lautete nun das Fazit des Innenministeriums.

Land will Pföhler Pension aberkennen, Kürzung um ein Drittel
Zum Thema Warnung der Bevölkerung und möglicher Rettung von Menschenleben schwieg sich der Bericht des Innenministers allerdings aus, konstatierte aber Pföhler habe „durch seine Unterlassungen und Verhaltensweisen gegen dienstliches Wohlverhalten und Einsatzpflichten verstoßen“, und damit schwerwiegende Dienstvergehen begangen. Interessant ist auch, dass das Innenministerium auch die Zeit nach dem 15. Juli 2021 einbezog, und Pföhler vorwirft, er auch in der Krisenbewältigung nach der Katastrophe „keine aktive Rolle eingenommen.“

Durch seine schweren Dienstvergehen habe der Landrat „nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen das Vertrauen des Dienstherren und der Allgemeinheit endgültig verloren“, betonte Ebling. Als Disziplinarmaßnahme komme deshalb „nur die Aberkennung des Ruhegehalts in Frage.“ Das Ergebnis sei Pföhler im Juli bekannt gemacht worden, sein Rechtsvertreter habe indes Fristverlängerung bis zum 10. Oktober beantragt – und zwar zum Stellen weiterer Ermittlungsanträge. Dies sei wegen der Komplexität des Themas auch gewährt worden, sagte Ebling weiter.
„Nach Abschluss des Verfahrens wäre, sofern sich die Rechtslage nicht verändert, Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht Trier auf Aberkennung des Ruhegehalts zu erheben“, informierte Ebling weiter. Darüber hinaus sehe das Disziplinarrecht auch den Vollzug vorläufiger Maßnahmen vor – das Innenministerium habe deshalb bereits das Einbehalten eines Drittels des Ruhegehalts verfügt.
Der frühere Landrat will das indes nicht auf sich sitzen lassen: Pföhler ließ bereits über seinen Anwalt verbreiten, er werde dafür sorgen, „dass das Versagen der damaligen Landesregierung, des damaligen Innenministers und der ADD ganz konkret in den Blick gerät.“ Das Ruhegehalt Pföhlers sei ebenfalls „nicht antastbar.“ Pföhlers Anwalt Olaf Langhanki bekräftigte auf Mainz&-Anfrage jetzt noch einmal: „An den Vorwürfen ist nichts dran, es gibt keine Strafbarkeit und keinerlei vorwerfbares Fehlverhalten.“ Das Vorgehen des Innenministeriums sei „eine reine politische Aktion“, um von der Rolle der damaligen Landesregierung abzulenken.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Bilanz der Aufarbeitung der Flutkatastrophe im Ahrtal und wie Betroffene noch immer um eine Anklage vor Gericht kämpfen, lest Ihr hier bei Mainz&: