Es ist eine der offenen Fragen zur Flutkatastrophe im Ahrtal vor einem Jahr: Wo war Landrat Jürgen Pföhler (CDU) in der Flutnacht? Was trieb der Mann, der zentral dafür zuständig gewesen wäre, die Menschen im Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler vor der Flut im Tal zu warnen? Pföhler musste am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags aussagen – der Landrat verweigerte die Aussage. Stattdessen schilderten Nachbarn Begegnungen mit dem Landrat in der Flutnacht – und Ermittler zeichneten ein desaströses Bild vom einem, der sich um Haus und eigenen Porsche sorgte, den Großteil der Nacht aber abgetaucht blieb.

Der Bahnhof von Altenahr wenige Tage nach der Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021. - Foto: gik
Der Bahnhof von Altenahr wenige Tage nach der Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021. – Foto: gik

Es war gegen 22.20 Uhr, als Landrat Jürgen Pföhler auf einmal im Haus seiner Nachbarn in der Brückenstraße in Bad Neuenahr-Ahrweiler stand. „Pföhler kam ins Wohnzimmer und sagte, wir müssten evakuieren“, so schildert es Sabine H. dem Untersuchungsausschuss im Mainzer Landtag. Auch ihre Mieterin Christine ist gerade da, sie hilft ihrem Vermieter gerade dabei, den Großfernseher in Sicherheit zu bringen. Man geht von einem Hochwasser aus, an diesem Abend des 14. Juli 2021 – aber nicht von einer Katastrophe. Noch nicht.

Zwei Dinge seien bei ihr hängengeblieben, berichtet die Mieterin: „Dass in Schuld die ersten Häuser schwimmen, und dass die Gefahr besteht, dass die Fußgängerbrücke durch die Wassermassen weggedrückt wird, und dann auch Schäden an den Häusern anrichten könnte.“ Das fragliche Haus steht unmittelbar an der Ahr, die besagte Fußgängerbrücke führt nur wenige Meter entfernt über die Ahr in Richtung Ehrenwallsche Kliniken – und die Ahr, sonst ein 30-Zentimeter-Flüsschen, steht zu dem Zeitpunkt bereits nahezu auf Höhe der Brückenquerung.

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„Der Landrat hat sehr besorgt gewirkt“

Der Landrat habe „sehr besorgt“ gewirkt, so berichtet es die Mieterin weiter, „es war ihm ein großes Anliegen uns zu warnen.“ Der Auftritt des Landrats im Wohnzimmer habe sie „extremst alarmiert“, berichtet sie vor dem Ausschuss in Mainz: „Er wollte uns unbedingt überzeugen, dass wir nicht im Haus bleiben.“ Vielleicht liegt es daran, dass Pföhler selbst nebenan wohnt, vielleicht liegt es daran, dass zu diesem Zeitpunkt der Landrat selbst in höchster Sorge um sein eigenes Hab und Gut ist. Es werde jetzt evakuiert, schreibt Pföhler ungefähr um diese Zeit in einer SMS an eine gute Bekannte, und fügt hinzu: „Hoffentlich stürzt das Haus nicht ein.“

Trümmerberge in der Innenstadt von Ahrweiler eine Woche nach der Flutkatastrophe. - Foto: gik
Trümmerberge in der Innenstadt von Ahrweiler eine Woche nach der Flutkatastrophe. – Foto: gik

Der Landrat als Retter in der Not, als besorgter Evakuierer – es ist ein Bild, das in dieser Nacht vom 14. auf den 15. Juli nur ungefähr fünf Personen so erleben: Das Ehepaar, in dessen Wohnzimmer Pföhler aufkreuzt und deren Mieterin, eine weitere Nachbarin, die eine enge Freundin von Pföhlers Frau ist, und ein Bauingenieur aus der Nachbarschaft. Dieser Nachbar beobachtet am Flutabend auch, wie Pföhler und seine Ehefrau zwischen 20.00 Uhr  und 20.30 Uhr mit ihrem Hund Gassi gehen, der Landrat hält beim Nachbarn an, fragt die Helfer, die gerade den Keller ausräumen, nach dem Hausherrn.

„Was passiert, wenn die Ahr die Brücke beziehungsweise die Gasleitung beschädigt, die an der Brücke angehängt ist“, berichtete der Nachbar dem Untersuchungsausschuss, diese Sorge habe den Landrat umgetrieben. „Er hat mich gefragt, ob ich wüsste, wen man anrufen könnte, um die Leitung abzuriegeln“, berichtet der Mann, beantworten kann er die Frage nicht. Sein Eindruck ist indes nicht, dass sich Pföhler um seine Nachbarn sorgt oder gar um die Gasversorgung in der Stadt: „Es ging dabei um den Schutz seines Hauses“, berichtet der Nachbar.

Katastrophenalarm geht erst um 23.09 Uhr raus

Um 20.00 Uhr ist an der oberen Ahr längst Land unter. Bereits um 17.30 Uhr hat eine enorme Flutwelle den Campingplatz in Dorsel verwüstet, sechs Menschen sterben in den Fluten, werden von Wohnwagen mitgerissen. Gegen 19.00 Uhr wird der Ort Schuld mit voller Wucht von der Flutwelle getroffen, die wird mindestens fünf ganze Häuser mit sich reißen, Gastanks, Autos, Bäume und Brücken. In der Kreisverwaltung Ahrweiler erfährt man davon noch über Stunden hinweg – nichts. Um 14.34 Uhr hat die Kreisverwaltung Ahrweiler eine Hochwasser-Warnmeldung über die Handy-App Katwarn herausgegeben, es sei örtlich mit Überschwemmungen zu rechnen, die Leute sollen Keller und Tiefgaragen meiden.

Die frühere Altenahrer Bürgermeisterin und heutige Landrätin Cornelia Weigand (parteilos) bei ihrem Besuch im Mainzer Landtag. - Foto: gik
Die frühere Altenahrer Bürgermeisterin und heutige Landrätin Cornelia Weigand (parteilos) bei ihrem Besuch im Mainzer Landtag. – Foto: gik

Eine allgemeine Bevölkerungswarnung der höheren Stufe, landläufig „Katastrophenalarm“ genannt, wird erst um 23.09 Uhr herausgehen, da hat die Ahr längst das Tal meterhoch unter Wasser gesetzt. Dabei versucht bereits am Nachmittag gegen 16.20 Uhr die Bürgermeisterin von Altenahr, Cornelia Weigand (parteilos) händeringend, den Landrat dazu zu bewegen, den Katastrophenalarm auszurufen. Weigand hat die Pegelprognose von 5,19 Metern des Landesamtes für Umwelt um 15.29 Uhr gesehen, Weigand ist alarmiert – doch der Landrat ist nicht zu erreichen. Ans Telefon bekommt die heutige Landrätin nur einen Mitarbeiter Pföhlers – und der vertröstet sie: Es müssten noch „Dinge gecheckt“ werden, es werde „erst einmal nichts passieren“, bekommt Weigand zu hören.

 

Der Landrat ist an diesem Tag nur sehr schwer zu erreichen: Bis gegen 14.00 Uhr sei Pföhler an seinem Arbeitsort in der Kreisverwaltung Ahrweiler noch nicht gesichtet worden, berichtet Polizeihauptkommissar Uwe Gebert am Freitag dem Ausschuss. „Für den Zeitraum 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr haben wir keine Hinweise oder Aussagen, dass man ihn in der Kreisverwaltung gesehen hätte“, referiert Gebert aus den Ermittlungen des Landeskriminalamtes. Wo Pföhler steckte, weiß offenbar niemand.

Die Kreisverwaltung in Ahrweiler, in einem Kellerraum saß hier in der Flutnacht der Krisenstab - ohne Landrat Pföhler. - Foto: gik
Die Kreisverwaltung in Ahrweiler, in einem Kellerraum saß hier in der Flutnacht der Krisenstab – ohne Landrat Pföhler. – Foto: gik

Ganze zwei Mal schlägt der Landrat, der qua Amt für den Katastrophenschutz zuständig wäre, an jenem Schicksalstag in der Kreisverwaltung auf: das erste Mal den Ermittlungen zufolge irgendwann zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr. Pföhler habe da die Technische Einsatzleitung besucht und mit deren Leiter, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) Michael Zimmerman geredet. Der Landrat wird später bei seiner Vernehmung angeben, er habe die Aufgabe des Katastrophenschutzes dauerhaft an Zimmermann delegiert, an Übungen nahm Pföhler selbst nie Teil.

Ab 17.00 Uhr habe der Landrat gewusst, dass ein Hochwasser von mehr als fünf Metern drohte, so berichtet es Gebert dem Ausschuss – eine im Ahrtal nie dagewesene Höhe. Das schlimmste Hochwasser der vergangenen 100 Jahre hatte es 2016 gegeben, damals stieg die Ahr auf 3,70 Meter. In der Kreisverwaltung ist man alarmiert, mehrfach versucht Pföhlers engster Mitarbeiter zwischen 17.00 Uhr und 17.20 Uhr seinen Chef zu erreichen – Zimmermann braucht Entscheidungen, dazu drängt Weigand auf Ausrufen des Katastrophenschutzes.

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Der Katastrophenstab des Landkreises Ahrweiler – „Technische Einsatzleitung“ im Amtsdeutsch – übernimmt schließlich um 17.40 Uhr die Einsatzleitung, einen Überblick über die Lage hat man nicht. Das Gremium besteht hauptsächlich aus erfahrenen, aber zusammengewürfelten Ehrenamtlichen von Feuerwehren und THW, die meisten haben nie zusammengearbeitet, viele arbeiten sogar überhaupt zum ersten Mal in einem solchen Krisenstab mit.

Innenminister Roger Lewentz (links) bei seinem Besuch in der TEL in Ahrweiler, ganz rechts: Landrat Jürgen Pföhler (CDU). - Foto: Kreis Ahrweiler
Innenminister Roger Lewentz (links) bei seinem Besuch in der TEL in Ahrweiler, ganz rechts: Landrat Jürgen Pföhler (CDU). – Foto: Kreis Ahrweiler

Das Gremium sitzt in einem abgeschotteten Kellerraum neben der Tiefgarage der Kreisverwaltung, Handyempfang gibt es hier so gut wie nicht, Pföhlers Mitarbeiter muss ständig vom ersten Stock – dem Amtssitz des Landrats – eine enge Kellertreppe hinunter und durch die Tiefgarage in die TEL laufen, um BKI Zimmermann das Handy mit dem Landrat am anderen Ende in die Hand zu drücken. Um 17.38 Uhr wird Pföhler so wohl über die Übernahme der Einsatzleitung informiert, gegen 18.50 Uhr warnt Pföhler die TEL vor: Gleich kommt der Innenminister zu Besuch.

Innenminister Roger Lewentz (SPD) trifft um 19.20 Uhr zum Kurzbesuch in Ahrweiler ein und wird von Pföhler in der Tiefgarage in Empfang genommen – es ist das zweite Mal, dass Pföhler die TEL in dieser Nacht betrifft. Es wird auch das letzte Mal sein – danach taucht Pföhler über Stunden hinweg ab. Wo er sich aufhält, was genau der Landrat tut, vieles bleibt ein Rätsel. Der Innenminister will von all dem nichts erfahren haben, er wird zu Protokoll geben, er habe „einen konzentriert arbeitenden Krisenstab“ vorgefunden, von einer Katastrophe größeren Ausmaßes sei nichts zu spüren gewesen. Minister und Landrat lassen ein Foto von dem Besuch machen, dann ist Lewentz auch schon wieder weg.

 

Tatsächlich ist ausgerechnet die Position S2 für der Lagebeobachtung im Krisenstab nur provisorisch besetzt, der THW-Mitarbeiter, der die Position mitten am Abend übernimmt,  wird später klagen, er habe sich gar kein Lagebild machen können – er habe schlicht keine Informationen bekommen. Um 19.30 Uhr verlässt Innenminister Lewentz die TEL bereits wieder, Pföhler geht mit ihm. Der Landrat sei danach wohl in seine Büro gegangen und habe die Pressemitteilung samt dem Foto freigegeben, berichtet Gebert. Und danach? „Nach 20.00 Uhr wurde Pföhler in der Kreisverwaltung nicht mehr gesehen“, vermerkt der Ermittler.

Funkerraum der Einsatzleitung Ahrweiler in der Flutnacht. - Foto: gik
Funkerraum der Einsatzleitung Ahrweiler in der Flutnacht. – Foto: gik

„Man darf davon ausgehen, dass der Landrat wusste, dass die Hochwassergefahr an der Ahr sehr hoch ist, der Pegel Altenahr stand da schon bei 5,09 Metern“, so berichtet es der Polizeibeamte weiter. Pföhler habe zu dem Zeitpunkt gewusst, dass bereits mehrere hundert Einsatzkräfte im Einsatz waren, dass Menschenrettung an der oberen Ahr nötig war, und dass der Einsatz von Hubschraubern nicht mehr möglich war – „das stand so in der PM“, betont Gebert.

Mit seinem Wissen tut Pföhler offenbar vorerst – nichts. Wohl zwischen 20.00 Uhr und 20.30 Uhr trifft der Nachbar Pföhler und seine Frau beim Spaziergang mit dem Hund, gegen 20.40 Uhr begegnet ein weiterer Zeuge dem Landrat auf der Fußgängerbrücke über die Ahr. „Er stand auf der Brücke und hat den Verlauf des Hochwassers angesehen“, berichtete der Zeuge dem Ausschuss. Pföhler habe „keinen sehr nervösen Eindruck gemacht“, und das, obwohl die Ahr bereits sehr hoch stand. „Es kam ein großer Baum angeschwommen, knallte gegen die Brücke, die bewegte sich – wir haben dann gemacht, dass wir nachhause kamen“, berichtet der Mann. Gewarnt habe der Landrat die Menschen auf der Brücke nicht.

 

Wo genau sich Pföhler in der kommenden Stunde aufhält, ist unklar. Das Ehepaar Pföhler geht offenbar bereits seit längerer Zeit getrennte Wege, es gibt eine Zweitwohnung in der Altstadt von Ahrweiler. Gegen 20.00 Uhr will hier eine Zeugin beobachtet haben, wie ein roter Porsche aus einer der Garagen im Hof gefahren wird. „Es war ungewöhnlich, weil es ein Mittwoch war, es sich aber bei dem Porsche um einen Sonntagswagen handelte“, berichtet die Nachbarin: „Ich hab mich noch gewundert: Warum holt der an so einem regnerischen Mittwochabend den Wagen da raus?“

Verwüstungen in Dernau an der Ahr sechs Tage nach der Flutkatastrophe. - Foto: gik
Verwüstungen in Dernau an der Ahr sechs Tage nach der Flutkatastrophe. – Foto: gik

Pföhler selbst sieht sie nicht, dass der Landrat selbst am Steuer sitzt, ist für die Seniorin  trotzdem sonnenklar: „Ich kenne das Auto, bei uns gibt’s nicht so viele Porsches“, sagt die Dame auf Nachfragen im Ausschuss: „Der kam aus der Garage Nummer vier, die Pföhler gehört – wer solls denn sonst sein?“

Gesehen wird Pföhler dann erst wieder zwischen 21.30 und 21.45 Uhr, erneut von seinem Nachbarn in der Brückenstraße,. Pföhler habe vor seinem Anwesen gestanden, berichtet der Nachbar, der Landrat habe ihn gewarnt: Alle Personen im Umkreis von 50 Meter würden evakuiert. Eine offizielle Warnmeldung aber gab es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, die Aufforderung, die Seitenbereiche der Ahr zu verlassen, wird erst um 22.04 Uhr von der TEL veranlasst – an die Bevölkerung wird sie erst um 23.09 Uhr verschickt.

 

Wo Pföhler zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr war, ist bis heute unklar. Hartnäckig hält sich das Gerücht, der Landrat sei – jetzt inzwischen fein im Anzug gekleidet – in einem Nobelrestaurant in Ahrweiler gesehen worden. Eine Feier habe es an jenem Abend tatsächlich gegeben, sagte nun Ermittler Gebert – aber nicht von Pföhler, sondern des CDU-Landtagsabgeordneten Horst Gies.

Verwüstungen in Altenahr Tage nach der Flutkatastrophe. - Foto: gik
Verwüstungen in Altenahr Tage nach der Flutkatastrophe. – Foto: gik

Die Feier findet im noblen Restaurant Sanct Peter statt, doch Pföhler sei gar nicht eingeladen gewesen, betont Gebert. Auch habe kein einziger Zeuge erklärt, er habe den Landrat an dem Abend bei der Feier gesehen. „Wir gehen davon aus: im Restaurant Sanct Peter war er nicht“, betonte der Ermittler nun, im Zuge von Handydaten „haben wir aber auch festgestellt, dass Gies Pföhler gegen 20.00 Uhr angerufen hat.“ Gies ist nicht nur ein Parteifreund Pföhlers, sondern auch sein 1. Beigeordneter im Kreis, dass Pföhler bei einer solchen größeren Feier seines engen Kollegen nicht auftaucht – eigentlich schwer vorstellbar. Sagte der Landrat den Abend vielleicht ab – oder war er doch kurz vor Ort?

Tatsache ist: Ab etwa 22.00 Uhr wird Pföhler auf einmal aktiv. Er telefoniert länger mit seinem Mitarbeiter und mit BKI Zimmermann, jetzt plötzlich lässt der Landrat die höchste Alarmstufe 5 ausrufen – den Katastrophenalarm samt Evakuierungs-Aufforderung. Der Alarm ist für 22.04 Uhr vermerkt, doch per Katwarn wird er erst um 23.09 Uhr verschickt. „Wir haben festgestellt, dass die TEL schon eine halbe Stunde vorher Sascha Cremer beauftragt hat, den Alarm auszulösen“, berichtet Gebert.

 

Cremer ist stellvertretender BKI – doch Cremer ist an dem Abend selbst als Feuerwehrmann im Einsatz. „Es war sonst offenbar niemand in der TEL, der den Alarm auslösen konnte“, berichtet Gebert – so wurde die lebensrettende Meldung erst mit einer Verzögerung von rund 30 Minuten verschickt. Pföhler jedenfalls warnt ab 22.15 Uhr seine Nachbarn, um 22.35 Uhr smst der Landrat an eine Vertraute: „Wir müssen evakuiert werden, (…) hoffentlich stürzt das Haus nicht ein.“

Pföhler schreibt diesen Satz offenbar unter dem Eindruck der Ereignisse in Schuld mit fünf weggerissenen Häusern, der Landrat kümmert sich jetzt offenbar um Tiere und Haus. Um kurz vor 23.00 Uhr wird er ein weiteres Mal von Nachbarn vor seinem Haus gesehen, gegen 23.00 Uhr wird ein silbernes Fahrzeug der Familie Pföhler gesehen, wie es die Brückenstraße verlässt.

„Zwischen 23 und 24 Uhr gab es sehr viele Anrufe“ vom Handy des Landrats, gibt Gebert weiter an – jetzt, endlich, erreicht auch Bürgermeisterin Weigand den Landrat. Bei ihrer Vernehmung vor dem U-Ausschuss berichtet sie, Pföhler habe sehr aufgelöst gewirkt, ein Interesse für die Nöte seiner Bürgermeisterin oder die Lage im Tal habe er nicht gehabt. Der Landrat organisiert noch eine Pressekonferenz am nächsten Morgen, nach Mitternacht verzeichnen die Ermittler dann wieder zahlreiche fehlgeschlagene Versuche Pföhler per Handy zu erreichen. Wo sich der Landrat inzwischen aufhält, dazu gibt es keine Angaben.

Um 0.22 Uhr ist ein Gespräch zwischen Pföhler und dem Chef der Dienstaufsichtsbehörde ADD, Thomas Linnertz, verbrieft, an den Inhalt habe sich Linnertz aber nicht erinnern können. berichtet Ermittler Gebert weiter. Um 0.50 Uhr schreibt Pföhler an seine Vertraute: „Katastrophe, Tote, Menschen auf Dächern, keine Hubschrauber, Stromausfälle. Unser Haus ist geflutet, ich bin am Ende.“

Landrat Jürgen Pföhler (CDU) bei seinem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags. - Foto: gik
Landrat Jürgen Pföhler (CDU) bei seinem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags. – Foto: gik

Die Vertraute des Landrats war ebenfalls am Freitag vor den Untersuchungsausschuss geladen, die Dame sagte kurzfristig am Vorabend um 17.56 Uhr ab. Eine Vorladung vor deinen Untersuchungsausschuss ist eigentlich ebenso zwingend wie eine Ladung vor Gericht und kann nur durch ärztliches Attest verhindert werden. „Nach Prüfung der vorgebrachten Gründe bewertet der Ausschuss die vorgebrachte Entschuldigung für diesen Termin noch als genügend“, sagte Ausschuss-Vorsitzender Martin Haller am Freitag.

Die Vertraute ist nun erneut für die Sitzung am 15. Juli geladen, erschienen waren an diesem Freitag jedoch Pföhlers Ehefrau sowie der Landrat selbst. Beide verweigerten jegliche Aussage – gegen Pföhler wird nach wie vor wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung ermittelt. Pföhlers Frau habe bei ihrer Vernehmung lediglich angegeben, ihr Mann sei „zuhause gewesen und ab und zu mal weg“, berichteten die Ermittler. Der Ex-Landrat erschien um 17.52 Uhr in Begleitung eines Anwalts vor dem U-Ausschuss – bleich und beinahe schon apathisch, sein Gang schleppend, seine Körperhaltung leicht verzerrt. Pföhler hatte sich im Herbst 2021 krank gemeldet und wurde Ende Oktober 2021 in den Ruhestand versetzt.

Das Fazit der SPD fällt vernichtend aus: „Die Schilderungen der Zeugen hätten den Eindruck bekräftigt, „dass der oberste Katastrophenschützer des Kreises seiner Verantwortung nicht gerecht wurde“, sagte SPD-Obmann Nico Steinbach nach der Sitzung. Pföhler sei nicht auf seinem Platz in der Kreisverwaltung gewesen, und er habe „die Priorität auf private Belange“ gelegt. Entstanden sei „das Bild eines Landrats, der sich kopflos irrlichternd um persönliche Probleme kümmert, statt für die Bevölkerung da zu sein.“

Kurzer Auftritt vor dem Ausschuss: Landrat Jürgen Pföhler (CDU) bei seinem Eintreffen im Landtag. - Foto: gik
Kurzer Auftritt vor dem Ausschuss: Landrat Jürgen Pföhler (CDU) bei seinem Eintreffen im Landtag. – Foto: gik

Etwas diplomatischer, aber nicht weniger deutlich drückte es schließlich Ermittler Gebert aus: Es gebe „keine konkreten Hinweise darauf, dass der Landrat proaktiv daran beteiligt war, die Folgen der Flutkatastrophe abzuwenden“, sagte der Polizeimann. Pföhler habe weder zu irgendeinem Zeitpunkt von sich aus versucht, Weigand zu erreichen oder einen anderen Bürgermeister an der Ahr. „Er durfte wissen, dass die Lage durchaus dramatisch ist“, betonte Gebert: „Spätestens ab 22.00 Uhr ist ihm die Lage einigermaßen bekannt gewesen.“

Warum der nicht spätestens um 23.00 Uhr „den Versuch gemacht hat, die Kreisverwaltung Ahrweiler aufzusuchen“, habe sich ebenfalls nicht erschlossen, so der Ermittler weiter: „Hinderungsgründe haben wir auch keine entdeckt.“ Nach 23.00 Uhr „gehen wir davon aus, dass in Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig 87 Menschen verstorben sind“, sagte Gebert noch. Pföhler aber habe vor allem sich selbst in Sicherheit gebracht und einige, wenige Nachbarn in seinem Umfeld gewarnt: „Ihr müsst hier raus.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur schwierigen Arbeit des Krisenstabens in Ahrweiler in der Flutnacht lest Ihr hier bei Mainz&, wie überfordert der Stab des Landkreises war, und was das für die Verantwortung des Landes heißt, könnt Ihr zudem ausführlich hier nachlesen:

Flutkatastrophe Ahrtal: CDU nimmt Innenminister Lewentz ins Visier – Krisenstab Ahrweiler überfordert und schlecht aufgestellt