Die 50. Mainzer Johannisnacht ist in vollem Gange, und es ist ein friedliches, rauschendes, verzauberndes Fest: Drei Tage lang haben die Mainzer bereits mit voller Begeisterung das Stadtfest zu Ehren des Buchdruck-Erfinders Johannes Gutenberg gefeiert. Volle Straßen, proppevolle Weindörfer, umjubelte Musiker – die Mainzer genießen ihr Fest in vollen Zügen. Nach etwas verhaltenem Start am Freitagabend wurde die Johannisnacht 2017 am Samstag und Sonntag gestürmt. Dazu trug natürlich das tolle Wetter bei, aber auch, dass die 50. Johannisnacht wirklich richtig viel bietet: tolle Straßenkünstler, gut in der Stadt verteilte Buden, gemütliche Weinecken. Besonders der Künstlermarkt hat zu alter Form zurück gefunden – und am Samstagabend rockte „der Meister“ Guildo Horn den Domplatz. Klasse.
Fast zwei Stunden brachte „der Meister“ den Liebfrauenplatz hinterm Dom richtiggehend zum Kochen. Der skurrile Entertainer hüpfte, sprang, wirbelte auf der Bühne, lüpfte auch schon mal den Saum seiner schrillen Outfits und ließ es mit seiner tollen Band so richtig krachen. „Aber bitte mit Sahne“ kam da als fetzige Rocknummer daher, und am Ende durfte natürlich sein größter Hit nicht fehlen: „Guildo hat Euch lieb!“ schallte es über den Domplatz, das Lied, mit dem Horn 1998 beim Grand Prix d’Eurovision einen starken 7. Platz für Deutschland holte. Und der von seinen Fans liebevoll „Der Meister“ genannte Wirbelwind war sichtlich gerührt von dem tollen Abend mit den Mainzer Fans – und die dankten ihm die tolle Party mit Ovationen.
Zeitgleich feierte Torfrock auf dem Schillerplatz ihr 40. Bühnenjubiläum – es war einfach zu viel los, um überall zu sein. Die Johannisnacht war da schon mehr als 24 Stunden alt und stand in voller Blüte. Zur Eröffnung hatten am Freitagabend schon Mad Zeppelin den Schillerplatz gerockt, auf dem Ballplatz begeisterte Fastnachter Christian Schier und auf dem Bischofsplatz war gleich an zwei Nächten hintereinander mit Shebeen und Brass Machine fetter Soul-Pop geboten. Dazwischen konnte man ja noch über die Ludwigsstraße bummeln, über die Domplätze flanieren und sich am Rhein bis zum Rummel vorarbeiten – ein ganz schön weites Stück Fußmarsch.
Gautschen: Ver.di-Chef Bsirske und Helga Nass im Bottich
Am Samstag dann traf man sich natürlich beim Gautschen, dem ersten großen Höhepunkt der Johannisnacht. Bei 30 Grad und vor propevollem Liebfrauenplatz wanderten unter großem Johlen fertig ausgebildete Drucker, Schriftsetzer und Mediengestalter in den Bottich auf der Bühne – und auch der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske. Ver.di ist seit 50 Jahren Partner der Buchdruckerzunft beim Gautschen, kein Wunder, dass nun ihr Chef mal ins wirklich kühle Nass musste – Gautschmeister Harro Neuhardt hatte das Wasser im Bottich eigens noch mit Eiswürfeln so richtig abkühlen lassen…
Die hohe Ehre wurde dann aber auch einer Dame zuteil, die nun wirklich für das Wohl und Wehe vieler sorgt: Helga Nass, Kult-Bierwirtin aus der Mombacher Straße, wanderte zu ihrer eigenen Überraschung auf die Bühne und in den Bottich. Die Wirtin nahm’s gelassen und war hocherfreut ob der Ehre – und bei den Temperaturen war das kühle Bad ja auch gut zu ertragen. Aber es gab ja noch soooo viel mehr zu sehen: Der wunderbare und einzigartig große Büchermarkt auf und um den Ballplatz, Gutenberg-Kreativaktionen im Gutenberg-Museum samt Sündennachlass mit frisch gedruckten Ablassbriefen, das Culinarium am Rheinufer, und und und.
Künstlermarkt: Besser geordnet, neue Stände, tolle Atmosphäre
Besonders spannend in diesem Jahr: Wie würde der Künstlermarkt aussehen? Nach dem Umzug im vergangenen Jahr auf dem Platz zwischen Theodor-Heuss-Brücke und Fischtor hatte es gleich reihenweise Klagen von Händlern gegeben. Mangelhafte Atmosphäre, eine versteckte dritte Reihe, Krach von der Kirmes – viele Standbetreiber schimpften lauthals. Die Stadt reagierte mit einer ganzen Reihe von Ideen: Der Künstlermarkt beginnt nun direkt am Fischtorplatz hinter der Ampel, und schon zu Beginn locken viele Stände mit hochwertigen Waren.
Am Rheinufer dann wurde genau an der Stelle, die im vergangenen Jahr als so kahl und atmosphärisch schlecht gerügt wurde, geschickt ein kleines Gastronomiekarré mit französischem Flair eingefügt: Bretonische Galettes gab es hier, ein Getränkestand mit Tischen und Bänken sorgte für gemütliche Dorfatmosphäre. Das Konzept ging auf: Die Besucher verweilten und bummelten deutlich interessierter an den Ständen entlang. Dazu hatten die Reihen der Stände in diesem Jahr Namen wie „Zur schönen Aussicht“ bekommen, die Standreihe am Rhein war deutlich besser zu finden, und die Doppelreihe entzerrte den Besucherstrom erheblich.
Dazu hatten die Marktorganisatoren bei der Auswahl der Stände offenbar mehr auf Qualität geachtet: Stände mit Billigschmuck waren deutlich seltener zu sehen, dafür herrschte ein riesiges Angebot hochwertiger Lederwaren, exzellenter Schmuckkreationen, Töpferwaren und Kleiderkreationen. Neben beliebten Traditions-Künstlern gab es auch viel Neues und Individuell-Kreatives zu sehen – wie etwa den Stand einer Schmiedemeisterin aus Bremen, die fantastische Kerzenständer und liebevolle Drachenvögel aus Eisen im Angebot hatte. Oder die „Schokoklunker“, eine Berliner Firma, die täuschend echt aussehende Pralinen, Kekse, Schokoladenriegel oder Donuts als Schmuck fertigen.
So stimmte der Mix bei der Johannisnacht 2017 wieder – und die Mainzer kauften. Am Sonntagnachmittag gab es fast allerorten zufriedene Gesichter, „wir sind geräubert“, hieß es gar bei dem einen oder anderen Standbetreiber. Und wer das alles abschreiten und bestaunen wollte, brauchte gut und gern fünf Stunden Zeit… Dazwischen konnte man schon mal mittelalterlichen Klängen oder einer bunten Truppe mit Hawai-Hemden und Steeldrums begegnen – die Straßenkünstler zum 50. Geburtstag der Johannisnacht brachten gute Laune zwischen die Besucher. Nur das Problem der durchwandernden Besucher am Abend scheint es noch immer zu geben – den Weg zum Rummel nahm der Großteil eben immer noch durch den Künstlermarkt.
Tolles Khider-Porträt von Bianca Wagner versteigert
Auf dem Rheinvergnügen hinter der Theodor-Heuss-Brücke lockten dann Geisterbahn und Riesenrad, Break-Dancer und Autoscooter. Aber auch auf der Ludwigsstraße fand man ein Kinderkarussel und das große Rio-Überraschungs-Haus, das bunt vor dem Staatstheater leuchtete. Gleich dahinter hängt derzeit auf einem Transparent das Motto der Spielzeit am Balkon des Staatstheaters: „Man darf nicht alles glauben, was man sieht“ – wie passend…
Am Sonntagvormittag dann noch ein Kultur-Highlight, natürlich auf dem Ballplatz: Abbas Khider, der amtierende Mainzer Stadtschreiber, bezauberte mit einer Lesung aus seinem aktuellen Roman „Die Ohrfeige“ – und natürlich vor allem mit seiner Persönlichkeit. Und während er las, wurde Khider gezeichnet: Mainz&-Karikaturistin Bianca Wagner zeichnete Khider, heraus kam ein großartiges Porträt. Das wurde im Anschluss versteigert, rund 200 Euro kamen zugunsten der Hilfsorganisation Fallschirm Mensch zusammen.
Zufriedene Polizei, entspannte Stimmung
Auch die Mainzer Polizei äußerte sich zufrieden: „Die entspannte Stimmung an beiden Tagen wurde nur durch wenige polizeiliche Anlässe getrübt“, hieß es in einer ersten Zwischenbilanz am Sonntagmittag. Je drei Schlägereien am Freitag- und am Samstagabend, eine randalierende größere Personengruppe im Bereich der Fahrgeschäfte am Adenauerufer am späten Samstagabend waren die größten Störvorfälle. Ein Polizeibeamter wurde dabei leicht verletzt, konnte seinen Dienst aber fortsetzen.
Gleich zu Beginn am Freitagabend fielen aggressive Bettler auf, daraufhin warnte die Polizei frühzeitig über Twitter vor Taschendiebstählen. Am Samstagabend konnte ein Mann nach einem beobachteten Taschendiebstahl gestellt und nach kurzer Flucht festgenommen werden – er hatte eine Tasche mit diversen Wertgegenständen dabei. Deren Herkunft wird noch ermittelt, wenn Ihr also Opfer eines Diebstahls wurdet, solltet Ihr Euch unbedingt bei der Mainzer Polizei melden.
Starke Sicherheitsvorkehrungen – zwei Schwimmer im Rhein
Insgesamt wurden bis Sonntagmittag 300 Personen kontrolliert und dabei acht Verstöße gegen Betäubungsmittelvorschriften gefunden und bei Jugendlichen insgesamt 35 Liter Alkohol sicher gestellt. 13 Personen erhielten einen Platzverweis. Überhaupt fiel den Besuchern die in diesem Jahr überaus massive Polizeipräsenz auf: An allen wichtigen Punkten waren erhebliche Einsatzkräfte stationiert, schwer bewaffnete und gerüstete Streifen patrouillierten gar auf dem Künstlermarkt – ein echtes Novum. Die Besucher sahen es als beruhigendes Zeichen: die Mainzer fühlten sich gut beschützt. Dazu waren an wichtigen Einfahrtspunkten oder Querstraßen schwere Säcke, Müllautos oder Polizeieinsatzfahrzeuge als Blockaden gegen mögliche Angriffe positioniert – die Mainzer Polizei tat alles, ein sicheres Fest zu gewährleisten.
Zwei Fälle allerdings sorgten für richtig Ärger und ein Großaufgebot aller verfügbarer Rettungsdienste: Zwei Schwimmer mussten Freitagabend und Samstagnacht aus dem Rhein geborgen werden. Am Freitagabend um 18.45 Uhr beschäftigte der erste die Sicherheitskräfte, Samstagnacht um 1.00 Uhr der zweite. „Blöde Idee!! Im Rhein schwimmen!! Gefährlich und verboten“, twitterte die Polizei erbost: „Da verstehen wir keinen Spaß – Rechnung folgt!“ Zu Recht: Die Gefahr der außerordentlich starken Rheinströmung wird leider immer wieder von alkoholisierten Männern unterschätzt, die meinen, ein kühles Bad käme jetzt gerade recht…
Am Samstagabend stürzte dann noch gegen 22.00 Uhr eine alkoholisierte Person von der Kaimauer, stürzte vier Meter in die Tiefe, prallte auf Steine im Rhein und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Der junge Mann musste in den Schockraum einer Mainzer Klinik gebracht werden, auch dieser Einsatz sorgte für erheblichen Aufwand bei den Rettungskräften. Sobald nämlich „Person im Rhein“ gemeldet wird, müssen die alles, aber auch wirklich alles aufbieten, was bei der Rettung helfen kann – Hubschrauber inklusive.
Info& auf Mainz&: Die 50. Mainzer Johannisnacht ist noch nicht zu Ende: Auch am Montag wird noch feste in der Mainzer Innenstadt gefeiert. Höhepunkt und Abschluss: Das große Feuerwerk auf dem Rhein um 22.30 Uhr. Abgeschossen wird es von einer Fähre auf dem Rhein, das Ufer zur Loge. Wer einen guten Platz haben will, kommt besser frühzeitig. Wo man am besten guckt, werden wir immer wieder gefragt: Von der Brücke hat man natürlich einen tollen Blick, besonders romantisch ist es dort aber nicht. Kenner und Genießer suchen sich deshalb einen Platz am Rheinufer in Höhe des Culinariums, dort hat man auch noch die Weinstände im Rücken…. Achtung: Die Polizei sperrt die Theodor-Heuss-Brücke bereits frühzeitig für den Autoverkehr, bitte darauf einstellen!