Wie geht es weiter mit dem Ausbau der A643 bei Mainz? Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) will offenbar an dem sechsspurigen Ausbau der A643 durch das Naturschutzgebiet Mainzer Sand festhalten, wie Mainz& nun auf Anfrage erfuhr. Zugleich verweist sein Ministerium zurück nach Mainz: Die Ampel-Regierung müsse erst einmal Baurecht schaffen. Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) fordert derweil angesichts einer unklaren Finanzierungslage ein „klares Bekenntnis“ des Bundes zum Ausbau – ist gar kein Geld für den Bau da? Die Autobahn GmbH weist derweil Zahlen der Stadt Mainz zu angeblich gesunkenem Verkehrsaufkommen als falsch zurück.

Die neu gebaute Schiersteiner Brücke ist seit 2023 fertig, der Ausbau der sich daran anschließenden A643 auf Mainzer Seite wird aber noch Jahre dauern. - Foto: Autobahn GmbH
Die neu gebaute Schiersteiner Brücke ist seit 2023 fertig, der Ausbau der sich daran anschließenden A643 auf Mainzer Seite wird aber noch Jahre dauern. – Foto: Autobahn GmbH

Die unendliche Geschichte rund um den Ausbau der A643 bei Mainz wird offenbar so schnell nicht enden: Im Streit um die Ausbauplanungen schieben sich inzwischen Bund und Land Rheinland-Pfalz gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Die rheinland-pfälzische Landesregierung müsse erst einmal Baurecht schaffen, heißt es aus Berlin, in Mainz hingegen betont man, der Bund müsse erst einmal sagen, was er denn überhaupt geplant haben wolle – und ob das Geld dafür überhaupt vorhanden sei.

Zur Erinnerung: Anfang August hatte das Umweltkommissariat der Europäischen Union den Plänen für einen sechsspurigen Ausbau der A643 von Mainz nach Wiesbaden ein glattes Nein erteilt, als Gründe wurden vor allem eine „unzureichende“ Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Naturschutzgebiet „Mainzer Sand“, nicht ausreichende Ausgleichsmaßnahmen sowie eine unzureichende Prüfung von Alternativen für den sechsspurigen Ausbau genannt. Damit kippte die EU zumindest vorerst mehr als zehn Jahre andauernde Planungen für den Ausbau der wichtigen Pendlerstrecke zwischen Mainz, dem rheinhessischen Umland und Wiesbaden.

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Land: Bund muss sich zu Ausbauvorhaben bekennen

Prompt forderte die rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) „ein Bekenntnis vom Bund“ zu dem Ausbau: „Der sechsspurige Ausbau der A643 ist zwingend notwendig – für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts, für die Logistik, den Güterverkehr und die tausenden Pendlerinnen und Pendler, die tagtäglich auf diese Verbindung angewiesen sind“, betonte Schmitt. Die A643 sei eine der zentralen Verkehrsachsen in Rheinland-Pfalz, der Ausbau zwischen Mainz und Wiesbaden sichere die Leistungsfähigkeit dieser Verbindung. Die 4+2-Variante sei „ein Placebo“, das „kaum weniger Flächenverbrauch“ bringe und dazu neue Unsicherheiten im Genehmigungsprozess.

Die rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) fordert die Umsetzung der Autobahnprojekte vom Bund - doch Baurecht in Rheinland-Pfalz hat sie auch noch nicht geschaffen. - Foto: Verkehrsministerium RLP
Die rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) fordert die Umsetzung der Autobahnprojekte vom Bund – doch Baurecht in Rheinland-Pfalz hat sie auch noch nicht geschaffen. – Foto: Verkehrsministerium RLP

Und Schmitt fordert vom neuen Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), der Bund müsse nun Farbe bekennen – schließlich hatte der Bund 2015 den Ausbau mit sechs Spuren plus zwei Standspuren per Dekret verfügt. Dagegen läuft aber ein breites Bündnis von Umweltverbänden in Mainz, unterstützt unter anderen von den Regierungsparteien SPD und Grüne Sturm. Doch Schnieder hielt sich bedeckt – nun fragte Mainz& im Bundesverkehrsministerium nach: Wie stehe der Minister zum Ausbau – bleibt es bei sechs Spuren?

Die Antwort aus Berlin: Ja, der Bund halte am sechsspurigen Ausbau fest, denn der sei „gesetzlich festgestellt“, das Projekt in die Dringlichkeitsstufe „Laufendes und fest disponiertes Projekt“ des Bedarfsplans für Bundesfernstraßen eingestuft. Doch dann verweist man in Berlin zurück auf das Land: Für den Abschnitt zwischen der Anschlussstellen Mainz-Gonsenheim und Mainz-Mombach werde ja derzeit noch das Planfeststellungsverfahren durchgeführt.

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Bund: „Müssen erst einmal Baurecht vom Land bekommen“

„Jetzt geht es erst einmal darum, Baurecht zu bekommen“, teilte die Pressestelle Bundesverkehrsministerium mit. Die Entscheidung über eine Baufreigabe werde erst dann erfolgen können, „wenn vollziehbares Baurecht vorliegt und die Ausführungsplanungen begonnen haben.“ Damit spielt der Bund den „Schwarzen Peter“ zurück nach Mainz, denn tatsächlich liegt der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau der Autobahn in der Verlängerung der Schiersteiner Brücke auch nach jahrelanger Planung weiter nicht vor – eigentlich sollte das Planungswerk 2021 fertig sein. Damit besteht auch kein Baurecht.

So sahen die Pläne des Landesbetriebs Mobilität für den Ausbau der A643 aus, Lärmschutzwand und Grünbrücke inklusive. Vorgestellt: 2019. - Foto: LBM
So sahen die Pläne des Landesbetriebs Mobilität für den Ausbau der A643 aus, Lärmschutzwand und Grünbrücke inklusive. Vorgestellt: 2019. – Foto: LBM

Im Mainzer Verkehrsministerium wiederum verweist man zurück auf den Bund: Das Planfeststellungsverfahren „läuft derzeit“, heißt es dort auf Anfrage – die Auftragsverwaltung liege aber seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr bei den Ländern, sondern bei der Autobahn GmbH des Bundes. „Die Frage, wann das Planfeststellungsverfahren mit welcher Variante abgeschlossen wird, kann vor diesem Hintergrund von Seiten des rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium derzeit nicht beantwortet werden“, so das Ministerium weiter.

Im Klartext: Solange der Bund keine eindeutigen Vorgaben gemacht habe, welche Variante es denn nun im Planfeststellungsbeschluss festzuschreiben gilt, könne man den Plan auch nicht fertig machen. Dabei lagen die Pläne für einen sechsspurigen Ausbau bereits 2018 vor, gefertigt durch den damals zuständigen Landesbetrieb Mobilität. Die Zuständigkeit für die Planungen ging 2021 auf die Autobahn GmbH des Bundes über, und die teilte nach dem Votum der EU-Kommission mit: Man arbeite „derzeit an einer weiteren Lösung, die einen noch geringeren Flächenbedarf als die bisher verfolgte Planfeststellungsvariante beinhaltet.“

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Mit neuer Variante müssten Planungen völlig neu gestartet werden

Ob das nun aber eine sechsspurige Variante oder die 4+2-Variante wäre – das sagt die Autobahn GmbH zum derzeitigen Zeitpunkt nicht so konkret. Das Problem dabei: Sollte nun doch eine 4+2-Variante gewollt sein, wäre das mit dem weit gediehenen Planfeststellungsbeschluss nicht in Einklang zu bringen – das gesamte Vorhaben müsste dann neu gestartet werden. Davor hatte schon im Juni 2022 der damalige sagte Chef der Niederlassung West der Autobahn GmbH, Ulrich Neuroth gewarnt: „Wenn man alles auf Stopp setzen will, muss man sich klarmachen: dann fangen wir wieder von vorne an“, sagte Neuroth damals gegenüber Mainz&: „Dann dauert der Ausbau weitere zehn Jahre.“

Die alte Vorlandbrücke der A643 stammt aus den 1960er Jahren und ist marode. Wie lange sie noch hält? Unklar. - Foto: gik
Die alte Vorlandbrücke der A643 stammt aus den 1960er Jahren und ist marode. Wie lange sie noch hält? Unklar. – Foto: gik

Bleibt die Frage: Hält die marode Vorlandbrücke überhaupt so lange durch? Gerade erst hatte die Autobahn GmbH die nördlichen Rampen an der Anschlussstelle Mombach wegen mangelhafter Tragfähigkeit für Lkw sperren müssen. Die gestiegene Beanspruchung der Bauwerke vor allem durch Schwerlastverkehr könnten „unter anderem zu einer vorzeitigen Materialermüdung und damit zu einer Verkürzung der Nutzungsdauer der Bauwerke führen“, betonte die Autobahn GmbH – anders gesagt: Man weiß nicht, wie lange die Brückenbauwerke überhaupt noch halten.

Ohne einen Ausbau der Autobahn gebe es aber auch keine neue Vorlandbrücke, warnte Ministerin Schmitt vor Kurzem noch – doch nun steht selbst der Ausbau in Frage: Die BILD-Zeitung veröffentlichte Mitte September ein internes Papier des Bundesverkehrsministeriums, in dem Schnieder selbst „vor massenhaften Baustopps auf Bundesstraßen und Autobahnen“ warne. Denn trotz des Sondervermögens Infrastruktur des Bundes fehlten „für Unterhalt, Bau und Planung bei allen Straßen des Bundes (Bundesstraßen und Autobahnen) bis 2029 knapp 15 Milliarden Euro“, schreibt die Zeitung weiter.

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Kein Geld trotz Sondervermögen für Ausbau der A643?

Im Bundesverkehrsministerium heißt es zwar, es gebe keine „Streichliste“, doch in dem Papier, das Mainz& vorliegt, heißt es klar: „Für folgende Bedarfsplanprojekte im Bundesland Rheinland-Pfalz, für die bereits bestandskräftiges Baurecht vorliegt oder dieses bis 2029 erwartet wird, können auf Basis der aktuellen Finanzplanung keine Baufreigaben erteilt werden.“ Im Klartext: Für diese Projekte ist aktuell kein Geld da – und dazu gehören der Lückenschluss der A1 in der Eifel, die neue Rheinbrücke bei Wörth und eben der Ausbau der A643.

Die Anschlussstelle Mombach der A643: Gerade mussten zwei Rampen wegen drohender Überlastung für Lkw gesperrt werden. - Grafik: Autobahn GmbH
Die Anschlussstelle Mombach der A643: Gerade mussten zwei Rampen wegen drohender Überlastung für Lkw gesperrt werden. – Grafik: Autobahn GmbH

In Mainz schäumt man, gerade im Angesicht der in einem halben Jahr stattfinden Landtagswahl kommt der Projektstopp für diese wichtigen Achsen höchst ungelegen. „Diese Projekte sind für Rheinland-Pfalz unverzichtbar“, schimpfte Schmitt Ende vergangener Woche noch einmal auf einem Infrastrukturgipfel in Mainz, und forderte: „Die Bundesregierung muss ihre Versprechen einlösen und Planungssicherheit schaffen. Alles andere wäre ein Schlag für den Standort und für die Glaubwürdigkeit der Verkehrspolitik.“

Schmitt kritisierte, der Bund setze die falschen Prioritäten: „Deutschland hat ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur aufgelegt. Und gleichzeitig sollen Projekte, die seit Jahren vorbereitet sind, plötzlich gestrichen werden?“ Statt Milliarden für konsumtive Ausgaben auszugeben, müsse „endlich in Straßen, Brücken und Schienen investiert werden – langfristig und nachhaltig.“ Auch bei der Landesvereinigung der Unternehmerverbände (LVU) warnte man, „wenn Deutschland das Etikett des kranken Mannes in Europa endlich ablegen will, braucht es vor allem eines: Investitionen – insbesondere in die Infrastruktur“, so LVU-Hauptgeschäftsführer Thomas Weiler.

Man dürfe „nicht erst handeln, wenn auch in Rheinland-Pfalz Brücken unpassierbar werden oder zentrale Verkehrsachsen stillstehen“, warnte Weiler – das bezog sich klar auf die A643. Auch Schmitt betonte erneut, die A643 sei „eine zentrale Verkehrsachse zwischen Rheinhessen und dem Rhein-Main-Gebiet, täglich genutzt von tausenden Pendlerinnen und Pendlern sowie vom Wirtschaftsverkehr.“

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Autobahn GmbH: Zahlen aus Mainz „nicht aussagekräftig“

Doch diese Angaben werden von der grünen Verkehrsdezernentin in Mainz bezweifelt: Es gebe seit Corona eine „Stagnation und signifikanten Rückgang der gezählten Verkehrsmengen, nicht nur im städtischen Straßennetz“, antwortete Janina Steinkrüger im Stadtrat Anfang September auf eine Anfrage der FDP. Das sei „bedingt durch mehr Homeoffice und geringere Lastspitzen durch flexiblere Arbeitszeiten“, deswegen habe sich „die Situation auf dem gesamten Straßennetz gegenüber den letzten Jahren deutlich entspannt“, und das trotz Brückensperrungen und zahlreicher Baustellen.

Die Schiersteiner Brücke kurz vor ihrer Freigabe für den Verkehr nach dem Neubau: Wieder steigendes Verkehrsaufkommen. - Foto: gik
Die Schiersteiner Brücke kurz vor ihrer Freigabe für den Verkehr nach dem Neubau: Wieder steigendes Verkehrsaufkommen. – Foto: gik

Die Prognosen und Analysen der Verkehrswerte aus den Planfeststellungsunterlagen für den A643-Ausbau seien deshalb „auf Zeitpunkte bemessen, die mittlerweile überholt sind“ – man müsse „die seinerzeit prognostizierte Verkehrsentwicklung infrage stellen.“ Seien im Bereich der Vorlandbrücke (Zählstelle 7422 der BASt) im Jahre 2004 noch 61.588 Kfz pro 24 Stunden gezählt worden, so habe die Zahl 2023 bei nur noch 49.694 Kfz/24h gelegen. Man fordere deshalb „eine aktuelle Betrachtung auf Grundlage der Verhältnisse für 2025 „, um „eine verlässliche Datenbasis“ zu generieren.

Bei der Autobahn GmbH widerspricht man den Zahlen indes energisch: Die Zahlen aus den Jahren 2022 und 2023 seien „nicht aussagekräftig“, da damals die Salzbachtalbrücke bei Wiesbaden kollabiert und zuerst gesperrt und später nur eingeschränkt befahrbar war. Die havarierte Brücke war im Dezember 2021 gesprengt worden, der erste Teil wurde genau zwei Jahre später frei gegeben –  komplett fertig wurde die Brücke im Juli 2025. 2024 seien an der genannten Zählstelle auf der Schiersteiner Brücke wieder etwa 62.000 Kfz/ 24 Stunden im durchschnittlichen täglichen Verkehr an Werktagen gemessen worden.

Es habe aber auch Tage mit hoher Verkehrsstärke auf der Schiersteiner Brücke gegeben, in der Spitze seien erneut rund 81.000 Kfz pro 24 Stunden gezählt worden. Insgesamt sei deshalb „nicht von deutlich sinkenden Verkehrszahlen auszugehen“, betont man bei der Autobahn GmbH: „90.000 Kfz/24h in der Spitze sind in den nächsten Jahren, ohne laufende Baumaßnahmen in der Nähe, wieder realistisch.“ Bleibt die Frage: Wie lange halten die alten Brücken noch? Die Autobahn GmbH fragt sich das offenbar auch: Vergangene Woche sperrte sie die A643 bei Mainz-Mombach für rund eine Stunde – der Grund: Bauwerksprüfungen.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Streit um den Ausbau der A643 und zu den Hintergründen lest Ihr unter anderem hier bei Mainz&. Was die Autobahn GmbH da gerade so plant, haben wir hier aufgeschrieben, und mehr zur maroden Vorlandbrücke gibt’s hier.