Am Montagabend ist es endlich so weit: Die Salzbachtalbrücke der A66 bei Wiesbaden wird für den Verkehr freigegeben, dann stehen immerhin wieder vier verengte Fahrspuren über das Salzbachtal zur Verfügung. Am Samstag nutzten derweil Tausende die Gelegenheit, zu Fuß über die Brücke zu flanieren: Am Nachmittag wurde die Marke von 10.000 Besuchern geknackt. Die Vorfreude in Wiesbaden, aber auch in Mainz ist groß: Die neue Brücke füllt eine wichtige Lücke der Autobahn 66 – und sie wird Wiesbaden vom Verkehrskollaps befreien.

Coole Weihnachtsradler am Samstag auf der Salzbachtalbrücke beim Selfie mit OB Gert-Uwe Mende (SPD). - Foto: gik
Coole Weihnachtsradler am Samstag auf der Salzbachtalbrücke beim Selfie mit OB Gert-Uwe Mende (SPD). – Foto: gik

Sie kamen zu Fuß oder mit dem Rad, hatten Hunde dabei und Kinderwagen: Mit Kind und Kegel haben die Wiesbadener am Samstag „ihre“ Autobahnbrücke über das Salzbachtal erobert. Zwei Tage vor der Freigabe der Autobahnbrücke für den Verkehr nutzten Neugierige in Scharen die Gelegenheit, einmal zu Fuß über das Salzbachtal zu flanieren. Die Aussicht war dabei stark eingeschränkt: Ein stabiler Bretterzaun verhinderte den Blick weit übers Tal, nur von kleinen Aussichtshockern konnte erhaschen, was hinter dem Zaun zu sehen war.

Der Grund für den Zaun wie für die Flaniermeile: An der Autobahnbrücke wird bis zuletzt gearbeitet. „Sie sehen da hinten den Grund dafür, dass die Brücke noch nicht für den Verkehr freigegeben ist“, betonte denn auch der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD): „Die Kollegen der Autobahn GmbH arbeiten buchstäblich bis zur letzten Minute.“ Dazu gehört denn auch der Schutzzaun: Die stabile Wand soll den Verkehr ab Montagabend schützen, denn unmittelbar nach der Freigabe ist vor der Baustelle: Bis 2025 soll der zweite Teil des Brückenbauwerks entstehen.

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Havarie im Juni 2021, Sprengung im November 2021

Es war am 18. Juni 2021, als ein Pfeiler der maroden Salzbachtalbrücke mit einem Knall nachgab. Betonteile stürzten auf die darunter liegende Fahrbahn der Bundesstraße 54 – die Brücke war havariert, der Verkehr darunter musste umgehend gestoppt werden. Die Folgen waren dramatisch: Nicht nur die Verlängerung der Mainzer Straße – einer der wichtigsten Einfallstraßen nach Wiesbaden aus Richtung Mainz -, sondern auch die Hauptbahnverbindung nach Wiesbaden mussten voll gesperrt werden, und blieben es für Wochen danach.

Sprengung der Salzbachtalbrücke am 7. November 2021. - Foto: Autobahn West GmbH
Sprengung der Salzbachtalbrücke am 7. November 2021. – Foto: Autobahn West GmbH

Denn die alte Autobahnbrücke aus den 1960er Jahre erwies sich als so marode, dass sich die Autobahn GmbH des Bundes kurzerhand entschloss, das Bauwerk komplett zu sprengen: Am 7. November 2021 wurde in einer spektakulären Bilderbuch-Sprengung der Brückenkoloss in Schutt und Asche gelegt.  15.000 Tonnen Schutt mussten im Anschluss zerkleinert werden und wurden binnen vier Wochen entfernt. Der Neubau dann ging nahezu reibungslos – und durchaus schnell.

Denn das Glück im Unglück: Weil die Brücke ohnehin erneuert werden sollte, lagen bereits vorgefertigte Brückenteile in dem zuständigen Unternehmen parat – der Neubau ging deshalb für deutsche Verhältnisse in Rekordzeit vonstatten. Insgesamt rund 226 Stahlbauteile im Gesamtgewicht von rund 2.810 Tonnen wurden verbaut, Stück für Stück konnten die an den Seiten fertig montierten Brückenteile über das Salzbachtal vorangeschoben werden. Im November 2022 war die Lücke bereits zur Hälfte wieder geschlossen, im März 2023 wurde der vierte fertige Brückenabschnitt über das Tal hinaus in die Lücke geschoben. Es sei „der Ehrgeiz der gesamten Mannschaft“, das Brückenbauwerk mit hohem Tempo fertigzustellen, bekannte Autobahn West-Geschäftsführer Stephan Krenz einmal.

„Wenn es drauf ankommt, können wir schnell Infrastruktur“

Genau zweieinhalb Jahre dauerte die Fertigstellung der ersten Brückenhälfte über das Salzbachtal, für deutsche Verhältnisse dürfte das Rekord sein. „Das zeigt: Wenn es drauf ankommt, können wir in Deutschland auch schnell Infrastruktur“, betonte denn auch der Wiesbadener Oberbürgermeister Mende am Samstag beim Spaziergang auf der Brücke: „Die Katastrophe am Anfang hatte am Ende wenigstens einen Beschleunigungseffekt.“

Stadtspitze beim Spaziergang auf der Salzbachtalbrücke (von links): Wirtschaftsdezernentin Christiane Hinninger, Verkehrsdezernent Andreas Kowol (beide Grüne) und OB Gert-Uwe Mende (SPD). - Foto: gik
Stadtspitze beim Spaziergang auf der Salzbachtalbrücke (von links): Wirtschaftsdezernentin Christiane Hinninger, Verkehrsdezernent Andreas Kowol (beide Grüne) und OB Gert-Uwe Mende (SPD). – Foto: gik

Er sei „heilfroh, dass die Brücke jetzt wieder aufgeht und der Verkehr wieder hier fließen kann“, sagte Mende im Gespräch mit Mainz&: „Ich hoffe, das führt zu einer deutlichen Entlastung in der Innenstadt mit weniger Schleichverkehr und schnelleren Wegen für die Handwerker.“ 80.000 Fahrzeuge hätten sich nach der Havarie der Brücke im Stadtraum von Wiesbaden verteilt, „das hatte erhebliche Auswirkungen und viele Bürger wirklich negativ betroffen.“ Nun gehe „eine zweieinhalb-jährige Leidenszeit zu Ende“, freute sich Mende: „Ich glaube, viele Bürger atmen auf.“

OB Mende, Verkehrsdezernent Andreas Kowol und Wirtschaftsdezernentin Christian Hinninger (Grüne) hatten sich die Mittagsstunden zum Rundgang ausgesucht, es war die richtige Entscheidung: Am frühen Nachmittag kämpfte sich die Sonne durch den Nebel und belohnte mit Sonnenschein von einem blassblauen Himmel. „Es ist traumhaft“, schwärmte auch Verkehrsdezernent Kowol, „nicht nur wegen dem Wetter, sondern auch wegen der vielen Wiesbadenern.“

Zehntausend zum Spaziergang auf der Salzbachtalbrücke

Schon am Morgen war an den Brückenauffahrten kein Halten mehr gewesen: Bereits um zehn vor 10.00 Uhr gab die Stadt die Brücke für die Neugierigen frei. Und die strömten zu Tausenden, um das fertiggestellte Bauwerk mit eigenen Augen zu sehen. Um 14.00 Uhr hatten die Organisatoren bereits 8.200 Besucher gezählt, eine halbe Stunde später waren es bereits 9.300 – bereits um 15.00 Uhr wurde wohl die Marke von 10.000 Besuchern geknackt. „Kommt ja nicht so oft vor, dass man auf einer Autobahn spazieren gehen kann“, witzelte einer.

Run auf die Salzbachtalbrücke: Zu Tausenden strömten die Neugierigen am Samstag auf die fertige neue Autobahnbrücke. - Foto: gik
Run auf die Salzbachtalbrücke: Zu Tausenden strömten die Neugierigen am Samstag auf die fertige neue Autobahnbrücke. – Foto: gik

Tatsächlich herrschte auf der Brücke beinahe so etwas wie Volksfest-Stimmung: An einigen schnell aufgebauten Buden mit Essen und Trinken wurden die Besucher mit dem Nötigsten versorgt, manch einer hob ein Glas Sekt auf die Fertigstellung, und der ein oder andere machte sogar Luftsprünge fürs Foto. An dem Lager der Sektkellerei Henkell prangte denn auch weithin sichtbar ein Riesenbanner mit der Aufschrift „Danke allen Brückenbauern!“ Kein Wunder, hatte doch vor allem die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden zweieinhalb Jahre unter einem wahren Verkehrskollaps gelitten.

„Die Wirtschaft atmet auf“, sagte Wirtschaftsdezernentin Christiane Hinninger (Grüne), egal ob Bürger, die zur Arbeit müssten, der Handel oder die sonstige Wirtschaft – „alle freuen sich darüber.“ Der Verkehrsgau habe auch Themen betroffen wie Fachkräftemangel und Standortfragen, wenn es darum gehe, wie gut die Stadt erreichbar sei, betonte Hinninger weiter.

Hinninger: Schuldenbremse für Investitionen überdenken

Und so plädierte denn auch selbst die grüne Wirtschaftsdezernentin im Gespräch mit Mainz& für mehr Investitionen in Brücken und Infrastruktur als Investitionen in die Zukunft: „Ich denke, die Geschichte diese Brücke zeigt ganz klar, dass es sich eben nicht lohnt, keine Investitionen in die Zukunft zu tätigen, das sollten wir daraus gelernt haben“, betonte Hinninger. Werde direkt in die Infrastruktur investiert, „kann so etwas nicht passieren“, unterstrich die Wiesbadener Dezernentin: „Jede Investition, die wir nicht tätigen, wird hinterher viel, viel teurer.“

Baufahrzeuge am Samstag auf der Salzbachtalbrücke: Nach der Baustelle ist vor der Baustelle. - Foto: gik
Baufahrzeuge am Samstag auf der Salzbachtalbrücke: Nach der Baustelle ist vor der Baustelle. – Foto: gik

Und Hinninger forderte auch, in diesem Zusammenhang über die Schuldenbremse zu reden: „Denn die Frage ist doch: Habe ich eine schwarze Null auf dem Konto, aber dafür ist die Infrastruktur marode. Oder ist es nicht klüger, unseren Kindern und Enkeln Schulen und Infrastruktur zu hinterlassen, die in Ordnung ist.“

Die Bundesregierung hat denn auch mehrfach versprochen, die Modernisierung maroder Brücken zu beschleunigen: Rund 4.000 marode Autobahnbrücken habe er bei seinem Amtsantritt übernommen, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im August bei der Einweihung der neuen Schiersteiner Rheinbrücke. Deren Erneuerung oder Sanierung „packen wir jetzt an, und wollen für mehr Tempo sorgen“, versprach der Minister – am Montag wird die offizielle Einweihung der Salzbachtalbrücke sicher als Erfolg in dieser Hinsicht präsentiert werden.

Brücken „wichtige Lebensadern“ für Gesellschaft und Wirtschaft

Leistungsfähige Straßen und Brücken seien für eine Gesellschaft „von unverzichtbarem Wert“ und wahre „Lebensadern“, hatte Wissinig schon im August betont – für die Salzbachtalbrücke gilt das ebenso: Der Bruch der Autobahnbrücke unterbrach eine Lebensader im westlichen Rhein-Main-Gebiet, die vom Rheingau bis Frankfurt, aber eben auch für viele Pendler aus dem rheinhessischen Umland in Richtung Wiesbaden oder Frankfurt unverzichtbar ist.

Begeisterung fürs Brückenbauwerk: Tausende flanierten am Samstag über die neue Salzbachtalbrücke. - Foto: gik
Begeisterung fürs Brückenbauwerk: Tausende flanierten am Samstag über die neue Salzbachtalbrücke. – Foto: gik

Die Stadt Wiesbaden will deshalb nun den Pendlern wieder Lust auf Autobahn und weniger auf Stadt machen: „Wir empfehlen bestimmte Routen für den Weg nach und durch Wiesbaden, und wollen bestimmte Strecken bevorzugt anbieten“, sagte Verkehrsdezernent Andreas Kowol. Ziel sei, Staus vorzubeugen und endlich auch wieder Wohngebiete von Durchgangsverkehr zu entlasten.

„Wir empfehlen, alles auf die A66 zurückzuverlagern“, betonte Kowol. Zu den empfohlenen Routen in Wiesbaden gehöre etwa der 2. Ring, für die Anfahrt aus Richtung Mainz die Verbindung über Mainzer Straße und Friedrich-Ebert-Allee, samt Tunnel unter dem 1. Ring in Richtung Innenstadt. Der 2. Ring werde auch weiterhin mit 50 Kilometern pro Stunde befahrbar bleiben, kündigte Kowol an – damit geht Wiesbaden auf einer wichtigen Durchfahrtstraße genau einen anderen Weg als Mainz, wo selbst wichtige Tangenten wie die Rheinachse auf Tempo 30 heruntergebremst wurden.

Wiesbaden setzt auf Mix von Tempo 50, Tempo 40 und Tempo 30

Im Innenstadtgebiet werde aus Gründen des Lärmschutzes auf vielen Straßen zukünftig Tempo 40 oder Tempo 30 gelten, sagte Kowol weiter. Durch die Rückverlagerung auf die A66 entstünden aber auf den Innenstadtstraßen neue Kapazitäten, von denen der Bus- und Radverkehr profitieren solle, sagte der Dezernent weiter: So werde etwa im Frühjahr 2024 die Umweltspur auf dem 1. Ring stadteinwärts bis zum Knoten Mainzer Straße verlängert.

Die fast fertige erste Brückenhälfte der Salzbachtalbrücke. - Foto: Autobahn West GmbH
Die fast fertige erste Brückenhälfte der Salzbachtalbrücke. – Foto: Autobahn West GmbH

Denn noch ist das komplette Ende des Brückengaus noch nicht in Sicht: Fertig ist erst einmal nur die Hälfte der neuen Autobahnbrücke, der nördliche Teil soll 2025 fertig werden. Die im Zuge der Brückenhavarie eingeführten Sofortmaßnahmen in Wiesbaden wie die Anpassung von Ampelschaltungen, die Schaffung zusätzlicher Fahrspuren und die Änderung von Verkehrsführungen sollen denn auch bis zur endgültigen Fertigstellung der Salzbachtalbrücke bestehen bleiben.

Der Verkehr wird denn auch vorerst in verengten Fahrspuren von zwei pro Richtung noch langsam über die neue Brücke geführt – es werden Tempolimits eingerichtet. Aber auch das werde „zu einem deutlich verbesserten Verkehrsfluss“ führen, freut man sich bei der Autobahn GmbH: „Den Verkehrsteilnehmern im Rhein-Main-Gebiet stehen erhebliche Verkehrserleichterungen bevor.“ Wann genau die Brücke für den verkehr geöffnet wird, steht noch nicht definitiv fest, Mende betonte aber: „Ich bin zuversichtlich: Am Montagabend ist die Brücke frei.“

Info& auf Mainz&: Mit einer ganzen Serie von Artikel haben wir über die Havarie, die Sprengung und den Neubau der Salzbachtalbrücke berichtet – gebt einfach mal das Stichwort „Salzbachtalbrücke“ in unsere Suchmaske ein, dann findet Ihr alle Artikel dazu.  Eine gute Zusammenfassung findet Ihr hier auf Mainz&. Beeindruckende Bilder und Videos zum Baugeschehen findet Ihr zudem hier auf der Seite der Autobahn GmbH zur Salzbachtalbrücke.