Das ist eine überraschende Entwicklung im Fall der Missbrauchsvorwürfe in der Weisenauer Kita: Die Staatsanwaltschaft Mainz hat bei ihren Ermittlungen bisher keine Bestätigung für den Missbrauch unter Kindern in der Kita gefunden. Die Vorwürfe „haben sich nach dem bisherigen Ermittlungsstand nicht erhärtet“, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Mehr noch: „Es haben sich bislang überwiegend entlastende Erkenntnisse ergeben.“ Das ist erstaunlich, hatte doch das Bistum Mainz im Juni von zahlreichen und ausführlichen Belegen gesprochen.
Am 11. Juni hatte das Bistum darüber informiert, es gebe schwer wiegende Vorwürfe von sexuellem Missbrauch von Kindern an Kindern in der von der katholischen Kirche geführten Kindertagesstätte Mariä Königin. „Wir haben von einer massiven und großen Zahl von sexuellen Übergriffen von Kindern an Kindern, von Bedrohungen, Erpressungen und Gewalt mit großer Bestürzung gehört“, sagte Generalvikar Dietmar Giebelmann damals vor der Presse. Das Bistum hatte daraufhin die Kita mit sofortiger Wirkung geschlossen und allen Mitarbeitern gekündigt.
Mainz& hatte damals auch mit verschiedenen Müttern gesprochen, deren Kinder in der Kita waren. Berichtet wurden von Vorfällen von „in den Po zwicken“ über „Penis zeigen“, Zwingen sich auszuziehen bis hin zu Bedrohungen, Spielzeug von zu Hause mitzubringen. All dies berichtete auch Giebelmann persönlich vor der Presse. Eltern berichten, es habe drei, vier Rädelsführer gegeben, Jungen im Alter von sechs Jahren, andere Kinder hätten mitgemacht. Das Bistum teilte mit, die Vorfälle hätten bis auf wenige Kinder alle Kinder der Kita betroffen.
Staatsanwaltschaft: Vorwürfe nicht erhärtet
Nun teilte die Staatsanwaltschaft mit, die polizeilichen Ermittlungen seien vorläufig abgeschlossen – und die Vorwürfe hätten sich nicht erhärtet. 32 Kinder aus der Kita seien polizeilich angehört worden, daneben über 35 Eltern und weitere Bezugspersonen der Kinder sowie mehr als zehn sonstige Zeugen, darunter ehemalige Erzieher oder Praktikanten der Einrichtung. Die Anhörung der Kinder erfolgte in 30 Fällen in Form einer Video-Vernehmung.
Ebenfalls vernommen oder schriftlich angehört worden seien Kinderärzte, in einem Fall sei bei der Rechtsmedizin hinsichtlich eines Kindes ein Gutachten in Auftrag gegeben worden, weil dieses körperliche Auffälligkeiten im Intimbereich aufgewiesen habe. Die seien allerdings „im Ergebnis nicht auf einen Übergriff o.ä. zurückzuführen“, hieß es weiter. Zur Bewertung der Aussagen von kindlichen Zeugen sei ferner eine aussagepsychologische Sachverständige zugezogen worden, deren schriftliches Gutachten zwischenzeitlich ebenfalls vorliege.
2.000 Seiten Akten bisher
Die insgesamt sieben Beschuldigten – sechs Erzieherinnen und ein Erzieher – hätten sich bislang nicht geäußert, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller weiter mit. Deren Verteidigern würden derzeit die Ermittlungsergebnisse durch Gewährung von Einsicht in die Akten bekanntgegeben. Der Aktenbestand sei übrigens ausgesprochen umfangreich und umfasse bereits mehr als 2.000 Seiten, sagte Keller weiter.
Für die Verteidiger bestehe nun die Gelegenheit, binnen einer angemessenen Frist eine Stellungnahme abzugeben. Dann könnten auch „ergänzende Beweiserhebungen angeregt werden.“ Das klingt so, als könnte sich die Staatsanwaltschaft vorstellen, noch weiter zu ermitteln, brauche dafür aber weiterführende oder neue Anhaltspunkte….
Vorwürfe gegen Pfarrer wegen Missbrauchs auch nicht erhärtet
Interessant auch: Es gab auch eine Anzeige gegen den Pfarrer der Gemeinde wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs. Eine Mutter zweier Kinder hatte am 19. Juni Anzeige erstattet, weil es zu sexuellen Handlungen des Pfarrers an ihren Kindern gekommen sein sollte. Das hätten sowohl die Mutter als auch die beiden Kinder ausgesagt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Vorwürfe hätten sich aber „im Zuge der weiteren Ermittlungen, insbesondere auch durch die aussagepsychologische Begutachtung der angeblich betroffenen Kinder, nicht bestätigt“, hieß es dazu heute.
Auch bei einer „aufgrund gerichtlicher Anordnung erfolgte Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten und der Räumlichkeiten der Pfarrei führten nicht zum Auffinden belastenden Beweismaterials“, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft weiter. Der Verteidiger des Beschuldigten habe am 24.11.2015 eine umfangreiche Stellungnahme von rund 30 Seiten abgegeben, nach deren Auswertung das Ermittlungsverfahren voraussichtlich abgeschlossen werden könne.
Jugendpsychiater überrascht, Bistum hält an Vorwürfen fest
Überrascht von dem Ergebnis sind aber offenbar nicht nur wir bei Mainz&. Der Mainzer Kinder- und Jugendpsychiater Michael Huss sagte gegenüber dem Südwestrundfunk, bei ihm seien insgesamt acht Kinder aus dieser Kita in Behandlung gewesen. Sein Eindruck sei gewesen, dass es sehr wohl Vorfälle gegeben habe, die die Kinder emotional belastet hätten.
Generalvikar Giebelmann betonte am Dienstag, die Vorwürfe der Eltern seien „zum damaligen Zeitpunkt glaubhaft“ gewesen. Das hätten auch Fachärzte bestätigt, die Staatsanwaltschaft habe ja auch aus diesem Grund einen Anfangsverdacht gesehen und die Ermittlungen aufgenommen. Die Ermittlungen seien im Übrigen noch nicht abgeschlossen, betonte Giebelmann.
Zudem betonte Giebelmann, das Vorgehen des Bistums sei „nach Bekanntwerden der Vorwürfe notwendig und erforderlich“ gewesen. „Im Falle eines schweren Verdachts der Verletzung von Aufsichtspflichten muss gehandelt werden, um einen möglichen weiteren Schaden von den betroffenen Kindern abzuwenden“, fügte er hinzu. Die Kita sollte eigentlich zum Herbst dieses Jahres mit neuem Konzept und neuem Personal wiedereröffnet werden, das musste das Bistum aber verschieben.
Info& auf Mainz&: Den Vorgang rund um die Missbrauchsvorwürfe in der Kita in Mainz-Weisenau könnt Ihr hier auf Mainz& nachlesen.