Es war schon ein gutes Stück Naivität, die da am Samstag zu teilweise chaotischen Zuständen führte: 30.000 feierwütige Narren stürmten die Mainzer Innenstadt – und die Stadt war so gut wie nicht vorbereitet. Wie naiv kann man eigentlich sein? Schon Tage vorher war glasklar: Dieser 11.11. würde kein normaler sein. Samstag, vernünftiges Wetter und vor allem ein massiver Trend hin zu Freiluftpartys – und fertig war das Chaos. Mainz& kommentiert: Da kippt etwas. Die alten Rezepte greifen nicht mehr – Mainz braucht dringend neue Konzepte für Freiluftparties und die Straßenfastnacht.

Warten auf den Rosemontagszug? Nein, auf die Narrenproklamation um 11.11 Uhr. Kurz danach war auch die Straße dicht. - Foto: gik
Warten auf den Rosemontagszug? Nein, auf die Narrenproklamation um 11.11 Uhr. Kurz danach war auch die Straße dicht. – Foto: gik

Es war ein Sturm mit Ansage. Schon Tage vor dem 11.11. war klar: An diesem Samstag würde alles in die Stadt strömen, was einer Party nicht abgeneigt war. Und so kam es auch: Ob Köln oder Mainz – wo immer „Fastnacht“ angekündigt war, wälzte sich eine wahre Flut von Partygängern in Kostümen in Richtung Eventort. Selbst die Großparty-erprobte Karnevalsstadt Köln wurde förmlich überrannt, alle Partyflächen waren binnen kürzester Zeit ausgelastet.

Die Fastnachtshochburg Mainz wiederum zeigte sich fast vollständig – unvorbereitet. 30.000 feierwillige Narren stürmten schon am Vormittag die Innenstadt, doch außer der Narrenparty auf dem Schillerplatz war nichts vorbereitet, nichts organisiert. Imbissbuden und Getränkestände in der Innenstadt? Fehlanzeige. Ebenso wie irgendeine Vorbereitung in Sachen Dixieklos, Reinigungstrupps oder Müllcontainer. Die Menge der Narren traf auf einen normalen Markttag samt Marktfrühstück – das musste ja schief gehen.

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Fahrgäste stehen gelassen, Müllberge auf den Straßen

Wo bei das „schief gehen“ ausdrücklich nicht dem Partyvolk anzukreiden ist: Das nämlich verhielt sich offenbar vorbildlich-friedlich, wie die Mainzer Polizei in ihrem Bericht betont. Keine Randale, keine Schlägereien, und das trotz hohen Alkoholkonsums – Respekt, liebe Feiernde. Nein, die Frage muss sich an die Stadt richten: Liebes Mainz, wo war eigentlich Deine Vorbereitung auf diesen 11.11.? Schon Tage vorher war klar: Die Narren würden die Stadt stürmen – in den sozialen Netzwerken war das klar abzulesen.

Schillerstraße dicht, LU ebenso - Stadt Mainz: unvorbereitet. - Foto: gik
Schillerstraße dicht, LU ebenso – Stadt Mainz: unvorbereitet. – Foto: gik

Aber statt Vorbereitung herrschte Verwirrung: Die Schillerstraße lief voll mit Zuschauern zur Narrenproklamation, die Polizei musste kurzfristig die Straße sperren. Konnte man das wirklich nicht vorhersehen? Und wieso bricht der Nahverkehr komplett zusammen, ausgerechnet an einem Tag, wo man noch dringender drauf angewiesen wäre?

Wieso können sich Besucher nicht darauf verlassen, rechtzeitig zu ihrer Sitzung zu kommen – wieder einmal? Wieso stehen Fahrgäste ohne jede Infos an Haltestellen, an denen einfach keine Busse fahren? Wer will denn, bitte, den Bürgern noch was von Verkehrswende erzählen, wenn gerade an Tagen der Feier Busse und Bahnen ein Totalausfall sind?

Unvorbereitet in Scherbenhaufen geschlittert

Wer am späten Nachmittag über die LU ging, durfte froh sein, wenn es ihn nicht der Länge nach beutelte: Ein Meer von Scherben, Müll und spiegelglatter Rutschbahn – von Reinigungskolonne indes keine Spurt. „Das ist schlimmer als Rosenmontag, weil dort kommt wenigstens das Reinigungskommando nach dem Zug“, kommentierte ein Beobachterin. Wie kann eine Stadt, eine Fastnachtsstadt zumal, so dermaßen unvorbereitet in so einen Scherbenhaufen schlittern?

Scherbenhaufen am Abend des 11.11. auf der Ludwigsstraße: Wieso gab es keine Vorbereitung? - Foto: gik
Scherbenhaufen am Abend des 11.11. auf der Ludwigsstraße: Wieso gab es keine Vorbereitung? – Foto: gik

Dem MCV allein diese Last aufzubürden, ist eigentlich frech. Ja, der Fastnachtsverein organisiert seit mehr als 70 Jahren die Mainzer Straßenfastnacht, aber seien wir doch mal ehrlich: Sind Events dieser Größenordnung echt noch einem einzigen „Verein alter Männer“ aufzubürden? Sorry, MCV, das ist jetzt nicht despektierlich gemeint – aber woanders werden Großevents mit 30.000 Besuchern Festival oder Mega-Event genannt. Und von professionellen Agenturen durchgeführt.

Beim Mainzer Carneval-Verein aber agieren hauptsächlich Ehrenamtler, die in den vergangenen Jahrzehnten mit höchstem Engagement und sehr viel Erfolg die Mainzer Straßenfastnacht organisiert haben. Aber die Zeiten haben sich geändert, und zwar gründlich: Seit der Corona-Pandemie werden Freiluft-Events in einem Maße gestürmt, wie es nie zuvor der Fall war. Tausende strömten in den vergangenen zwei Sommern auf alles, was Open Air und kostenlos war – das war auch schon am Rosenmontag 2023 zu beobachten.

Wo sind die Konzepte für Großevents in Mainz?

Oder beim Mainzer Marktfrühstück: Von einem gemütlichen Umtrunk der Marktbesucher am Samstagmittag ist das Marktfrühstück längst zu einem von Feierwilligenden überrannten Partyevent und Mega-Picknick geworden – und die Stadt Mainz fand bislang kein Konzept, um mit dem Massenansturm umzugehen. Erst in den vergangenen Wochen stellte der neue OB Nino Haase (parteilos) die Weichen neu – hin zu mehr Ordnung, mehr Konzeption, mehr Entzerrung.

Anarchoparty an Rosenmontag 2022: Auch vor fast zwei Jahren schon strömten Feierwillige die Mainzer Innenstadt - trotz Absage des Rosenmontagszuges. - Foto: gik
Anarchoparty an Rosenmontag 2022: Auch vor fast zwei Jahren schon strömten Feierwillige die Mainzer Innenstadt – trotz Absage des Rosenmontagszuges. – Foto: gik

Beim MCV aber zeigt man sich noch immer überrascht: Überrascht vom Ansturm auf die Karten für den 11.11, überrascht vom Ansturm der Feierwütigen, überrascht von den Kosten für Sicherheit und den neuen Auflagen. Bei der Stadtverwaltung macht man sich indes einen schlanken Fuß in Sachen Organisation, erlässt einfach Auflagen über Auflagen  – und wälzt Organisation und Sicherheit einfach auf den MCV ab. Soll der doch sehen, wie er klarkommt. Die Begrenzung auf 9000 Besucher auf dem Schillerplatz war bestenfalls naiv – und hat zu der Anarchoparty in der Innenstadt maßgeblich mit beigetragen.

Mainz muss dringend aufwachen. Es nützt ja nichts, neueste Party-Entwicklungen zu bejammern – es müssen Konzepte her, um solche Massenanstürme zu bewältigen. Wegducken ist keine Lösung, die Kölner machen es vor. Mainz hat in der Vergangenheit schon bewiesen, dass es Großparty kann – die Rosenmondnächte sind das beste Beispiel dafür. Also her mit den Konzepten für Großevents in der Innenstadt, und Schluss mit den überraschten Gesichtern angesichts von Partymassen und Müllbergen – wie auch schon beim Rosenmontag 2022. Wieso wurden aus der Anarcho-Party nach der Absage des Rosenmontagszuges keine Konsequenzen gezogen?

So wie hier nach der Rosenmondnacht 2023 sah es am 11.11. auch auf der Ludwigsstraße aus. - Foto: gik
So wie hier nach der Rosenmondnacht 2023 sah es am 11.11. auch auf der Ludwigsstraße aus. – Foto: gik

Es müssen Konzepte her für Riesen-Mülltonnen und Putzkolonnen, für Toilettenversorgung und Getränkestände. Das auf den Schultern eines einzigen Vereins abzuladen, wäre billig und fatal: Es ist die Stadt Mainz selbst, die hier gefragt ist. Wieso hat man nicht für den 11.11. Schausteller angesprochen, für Getränkestände auf der LU zu sorgen? Wieso wurden keine Putzkolonnen bereitgehalten, Müllcontainer aufgestellt und Dixieklos geordert? Warum gab es ganz offensichtlich kein ÖPNV-Konzept, um die Bürger an einem Ausnahmezustandstag durch die Stadt befördert zu bekommen?

Mainz kann Party, aber Mainz muss auch Konzeptionen können – dann können solche Großevents zu einer großen Chance werden: Für die Geschäftswelt, die Narrenvereine und die Stadt Mainz selbst.

Info& auf Mainz&: Mehr zu der Bilanz zum 11.11. in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&.