Triumpf für die CDU in Hessen: Ministerpräsident Boris Rhein kann mit deutlicher Mehrheit in Hessen weiter regieren. Bei der Landtagswahl am Sonntag kam die CDU laut derzeitigen Hochrechnungen auf 34,9 Prozent – und legte damit im Vergleich zu 2018 um 7,9 Prozentpunkte zu. Die Hessen entschieden sich damit für Stabilität, die Parteien der Ampel-Regierungen hingegen wurden deutlich abgestraft: SPD und Grüne liegen mit gerade einmal 15,6 und 15,2 Prozent nahezu gleichauf – für Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ein echtes Waterloo. Es brauche nun eine Politik von „Vernunft und Lösungen“, mahnte der Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir – denn die AfD wird zweitstärkste Kraft. Eine Mainz&-Analyse.

Strahlender Wahlsieger: Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU kann in Hessen gestärkt weiter regieren. - Screenshot: gik
Strahlender Wahlsieger: Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU kann in Hessen gestärkt weiter regieren. – Screenshot: gik

Es war ein Wahlkampf ohne klare Landesthemen, bestimmt wurde er vor allem von Bundesthemen: Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) konzentrierte sich im Wahlkampf-Endspurt vor allem darauf, die Politik der Ampel-Regierung in Berlin zu geißeln und verwies darauf: Wer eine pragmatische Politik ohne Turbulenzen haben wolle, müsse CDU wählen – genau das taten die Wähler in Hessen denn auch. Die Wahlbeteiligung lag übrigens bei 65,5 Prozent.

Nach der aktuellen ZDF-Hochrechnung um 19.27 Uhr kommt die CDU demnach auf 34,9 Prozent und kann damit satte 7,9 Prozent zulegen – die Werte variieren ein wenig je nach Sender. Grüne und SPD hingegen kommen nur noch auf etwas mehr als 15 Prozent – das ist ein Debakel für die beiden Berliner Regierungsparteien, die aber auch in Mainz sowohl in der Stadt als auch auf Landesebene regieren. Mit 15,6 Prozent für die SPD und 15,2  Prozent für die Grünen liefern sich die beiden Parteien noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen, damit schneiden beide Parteien sogar noch schlechter ab als in den Umfragen der vergangenen Wochen.

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ZDF-Hochrechnung für die Hessenwahl 2023 um 19.27 Uhr. - Grafik: ZDF heute
ZDF-Hochrechnung für die Hessenwahl 2023 um 19.27 Uhr. – Grafik: ZDF heute

Triumpf für Boris Rhein: Präsidial, Jovial und mit Ampel-Angriffen

Für Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) ist das ein Triumph: Der Hesse, der als eher moderater Unionspolitiker und Vertreter einer liberalen Großstadt-CDU gilt, hat erst vor etwas mehr als einem Jahr den Chefposten von seinem Vorgänger Volker Bouffier (CDU) übernommen. Rhein, der im Land mit seinen Bekanntheitswerten noch deutlich hinter seinem Vorgänger hinterherhinkt, hat damit gezeigt, dass er Wahlen gewinnen kann – der Neu-MP geht bei seiner ersten Wahl durch die Wähler deutlich gestärkt in seine erste volle Amtszeit.

Behauptete sich klar nach nur etwas mehr als einem Jahr im Amt als Regierungschef: Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). - Foto: CDU Hessen
Behauptete sich klar nach nur etwas mehr als einem Jahr im Amt als Regierungschef: Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). – Foto: CDU Hessen

Rhein profitierte dabei von gleich drei Faktoren: CDU und Grüne hatten in den vergangenen fünf Jahren erneut weitgehend geräuschlos und konstruktiv zusammengearbeitet. Hessen steht gut da, die Regierung beschränkte sich nicht darauf, Macht zu verwalten, sondern gestaltete durchaus Wirtschaft, Gesundheitspolitik und die Verkehrswende – Letzteres vor allem durch die Grünen. Rhein setzte sich denn auch bewusst von seinem Bundeschef Friedrich Merz (CDU) ab, und betonte wieder und wieder, er regiere gerne und gut mit den Grünen zusammen.

Für Rückenwind sorgte aber eben auch die Bundespolitik: Besonders das Heizungsgesetz der Ampel-Regierung sorgte für Wut und Abkehr von den Ampel-Parteien, dazu kam in den vergangenen Wochen die sich zuspitzende Krise in Sachen Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen. „Wir haben eine Riesen-Migrationskrise“, betonte denn auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in Berlin – und benannte damit das Kernproblem, das auch die Wahlen mit entschied: Jeden Tag meldeten sich überforderte Bürgermeister und Landräte, klagte Linnemann – doch ausgerechnet Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verweigere sich jeder Lösung und sei deshalb „abgestraft“ worden.

„Hessen hat Stil, Stabilität und sanfte Erneuerung gewählt“

Tatsächlich kommt die SPD mit nur noch etwas mehr als 15 Prozent auf ihr schlechtestes Ergebnis in Hessen in ihrer Geschichte. Wie groß der Absturz der Sozialdemokraten ist, zeigt der Rückblick in die vergangenen Jahre: Vor zehn Jahren kam die SPD in Hessen noch mit Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel auf 30,7 Prozent, 2008 lieferte man sich gar unter Andrea Ypsilanti mit 36 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU von Roland Koch um das Amt des Ministerpräsidenten. Doch die traditionell engen Wahlergebnisse von Hessen sind offenbar Geschichte: Boris Rhein konnte mit einem präsidial-jovialen Regierungsstil punkten und kann sich nun seinen Koalitionspartner unter SPD und Grünen aussuchen.

Wahljubel bei der hessischen CDU am Wahlabend der Hessenwahl 2023. - Screenshot: gik
Wahljubel bei der hessischen CDU am Wahlabend der Hessenwahl 2023. – Screenshot: gik

„Es ist ein unfassbar großartiger Tag für die hessische CDU, dieser 8.10. wird in die Geschichte der Hessen-Union eingehen“, rief Rhein denn auch am Abend seinen Anhängern in Wiesbaden zu. Das sei ein klarer Regierungsauftrag, „die Hessen haben Stil, Stabilität und sanfte Erneuerung gewählt“, betonte Rhein. Als Erfolgsrezept nannte er ein altes der SPD: „Wir sind bei den Menschen vor Ort und hören uns ihre Nöte an“, betonte Rhein, und stichelte in Richtung SPD-Spitzenkandidatin: „Nicht weg sein, da sein – wir haben es gemacht.“

Die CDU werde nun „eine Regierung aus der Mitte bilden“, kündigte Rhein an – der Ministerpräsident hat nun die Wahl, mit den Grünen weiter zu regieren oder eine Koalition mit der SPD zu bilden. Letztere kommt dabei deutlich geschwächt daher: Für Bundes-Innenministerin Nancy Faeser wurde der Wahlabend in Wiesbaden zum Waterloo. Die SPD-Spitzenkandidatin führte einen Wahlkampf mit Pannen und ohne jede Strahlkraft, ihre Doppelrolle als Ministerin in Berlin und Wahlkämpferin vor Ort machte sie bei den Wählern wenig glaubwürdig.

Waterloo für Nancy Faeser: Debakel für SPD, Arroganz, Lösungsferne

Die SPD habe in Hessen mit ihren Themen zu einem sozialeren Hessen wie kostenfreie Kitas, bezahlbarem Wohnraum und Sicherung von Jobs in der Zukunft „leider überhaupt nicht durchdringen können“, klagte Faeser am Abend, und fügte allen Ernstes hinzu: „Wir haben uns erhofft, eine Landesregierung anführen zu können“, nun sei „das Wahlergebnis sehr enttäuschend, was auch sonst.“ Kernproblem der Bundesministerin war indes, dass ihr ausgerechnet zwei ihrer Berliner Kernthemen um die Ohren flogen: Die Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland und die Frage nach der Steuerung von Zuwanderung.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): Gerade kein Heimspiel in Hessen. - Grafik: SPD Hessen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): Gerade kein Heimspiel in Hessen. – Grafik: SPD Hessen

Selbst ZDF-Politikexperte Karl Rudolf Korte bescheinigte der Bundesinnenministerin bei diesen Themen ein arrogantes Auftreten fern der Realität: Faeser habe nicht einmal „in Ansätzen Lösungsmodelle in der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen vorgestellt, bilanzierte Korte im ZDF, dazu seien ihre Aussagen in diesen Fragen „für viele Leute zu arrogant formuliert dahergekommen.“ Das habe zu einem „Amalgam von Staatsversagen und Staatsfrust“ geführt – der große Profiteur davon: die AfD.

Die rechtsextreme Partei ist denn auch der heimliche große Sieger des Wahlabends: In Bayern wie in Hessen wird die AfD wohl mit deutlichen Zuwächsen zweitstärkste Partei in den Landesparlamenten. In Hessen sehen die Prognosen sie bei 17,2 Prozent und damit noch vor SPD und Grünen. Die AfD werde nicht länger als rechtsextreme Partei und damit als wählbare Alternative wahrgenommen, analysierte Korte.

AfD zweitstärkste Kraft im Parlament: Denkzettel-Wahl für Ampel

Die AfD selbst jubelte, viele Menschen hätten erstmals AfD gewählt. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, freute sich Bundesvorsitzende Alice Weigel: „Es war eine Denkzettel-Wahl für die Ampel.“ In der Tat zeigen Analysen der Wählerwanderung, dass die AfD in Hessen vor allem Stimmen von SPD (20.000), FDP (18.000) und Linkspartei (10.000) einsammelte, und dazu rund 13.000 Nichtwähler wieder zur Urne bewegen konnte. Von den Grünen wanderten rund 7.000 Stimmen zur AfD, und von der CDU rund 9.000 Stimmen – damit sammelte die AfD rund 35.000 Stimmen von den Ampel-Parteien ein.

Wählerwanderung zur AfD - vor allem aus den Ampel-Parteien. - Screenshot: gik
Wählerwanderung zur AfD – vor allem aus den Ampel-Parteien. – Screenshot: gik

Die FDP muss denn auch nach langen Oppositionsjahren nun sogar um den Wiedereinzug in den Hessischen Landtag zittern: Am Abend schwankten die Hochrechnungen für die Liberalen zwischen 4,9 und 5 Prozent. Die Freien Wähler konnten ihr Ziel, in den hessischen Landtag einzuziehen, nicht realisieren: sie kommen nur auf 3,5 Prozent. Die Linke hingegen erlebte ein Desaster: Nach 15 Jahren fliegt die Partei nun wieder aus dem Landtag. Gerade einmal 3,5 Prozent gaben der Linkspartei in Hessen noch ihre Stimme, das sei „ein bitterer Abend für uns, auch für mich persönlich“, sagte Bundesvorsitzende Janine Wissler, die lange die Linke in Hessen geführt hatte.

Wissler galt mit ihrem Redetalent und ihren politischen Instinkten lange als strahlende Frontfrau der Linken, seit ihrem Abgang nach Berlin versank die Linke in Hessen aber in der Bedeutungslosigkeit. Dabei habe sich die Linke gerade im Kampf gegen Rechtsextremismus und bei der Aufklärung der NSU-Morde viele Verdienste erworben, betonte Wissler. „In Zeiten eines massiven Rechtsrucks“ werde die Links mit ihren Themen doch gerade jetzt dringend gebraucht: „Wir müssen die klare Alternative und Opposition zur Politik der Ampel sein“, sagte Wissler. Das Ziel müsse weiter „die Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum“ sein.

Mit wem regiert künftig Boris Rhein?

Bleibt also die Frage: Regiert Boris Rhein künftig mit der SPD, oder setzt er die Koalition mit den Grünen fort? Nimmt man seine Aussagen aus dem Wahlkampf als Maßstab, dürfte eine Fortsetzung von Schwarz-Grün anstehen, doch auch die Grünen gehen geschwächt aus der Hessenwahl hervor. „Alle Parteien, die an der Bundesregierung beteiligt sind, hatten keinen Rückenwind – wir mussten bergauf kämpfen“, sagte ein angesäuerter Spitzenkandidat und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir am Abend in Wiesbaden.

Sah sich schon als Ministerpräsident und muss nun deutlich kleinere Brötchen backen: Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir. - Foto: Grüne Hessen
Sah sich schon als Ministerpräsident und muss nun deutlich kleinere Brötchen backen: Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir. – Foto: Grüne Hessen

Die Grünen waren erstmals mit einem Ministerpräsidenten-Kandidaten in den Wahlkampf gezogen, nun muss Al-Wazir zurückstecken und seine Regierungsambitionen begraben: Für eine anvisierte Ampel-Koalition reicht es vorne und hinten nicht. „Es gibt keine Wechselstimmung in Hessen“, betonte Al-Wazir denn auch am Abend – und gab damit einen deutlichen Fingerzeig in Richtung Boris Rhein: Die Grünen würden gerne weiter mitregieren. Rhein aber kann nun durch Verhandlungen mit der SPD Zugeständnisse der grünen herausholen – und wird wohl genau das auch tun: Die CDU werde nun allen Sondierungen anbieten, kündigte Rhein an – SPD, Grünen und der FDP.

Das Fazit des Wahlabends lautete denn auch: Die Parteien der Ampel-Regierungen wurden abgestraft, Stabilität und gediegene Politik belohnt. Oder, wie Boris Rhein es formulierte: “ „Die Hessen haben Stil, Stabilität und sanfte Erneuerung gewählt.“ Und auch Al-Wazir betonte: „Ich glaube, dass es eine Lehre gibt aus diesem Wahlkampf: Wenn wir als Demokraten nicht gemeinsam arbeiten mit Vernunft und Haltung an der Lösung von Problemen, sondern uns wechselseitig mit Häme überziehen – dann gewinnen nur die Rechtsextremen.“ Die Quintessenz laute deshalb vor allem eines, betonte der stellvertretende Ministerpräsident: „Wir müssen an Lösungen arbeiten, nicht mit Populismus und Fakenews – wir brauchen Vernunft und Problemlösungen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Hessenwahl findet Ihr natürlich bei den einschlägigen Fernsehsendern und Medien in Hessen. Aktuelle Zahlen und sehr viele Grafiken zu Analysen rund um die Hessenwahl findet Ihr hier beim ZDF.