Im August kippte die ADD den Nachtragshaushalt der Stadt Mainz für das Jahr 2024 – und verband das mit schweren Vorwürfen: Die Stadt habe in ihrer Haushaltsaufstellung „ein völlig unzutreffendes Bild“ der realen Haushaltslage gezeichnet, vor allem, weil wichtige Prognosen über erhebliche Fehlbeträge in den Jahren 2025 und 2026 nicht aufgeführt waren. Nun fordert Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) im Mainz&-Interview: „Wir müssen uns ehrlich machen.“ Die Stadt habe sich mit Projekten in den vergangenen Jahren übernommen – und für die Bürger wird wohl vieles teurer.

Legte Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) dem Stadtrat bewusst dramatische Minuszahlen im Mainzer Haushalt für die kommenden Jahre nicht vor? Der Vorwurf der Täuschung steht im Raum. - Foto: gik
Legte Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) dem Stadtrat bewusst dramatische Minuszahlen im Mainzer Haushalt für die kommenden Jahre nicht vor? Der Vorwurf der Täuschung steht im Raum. – Foto: gik

Besonders drastisch hatte die ADD in ihrem Schreiben vom 5. August gerügt, dass in dem Nachtragshaushalt für 2024 für die Folgejahre 2025 und 2026 noch immer ein Plus für die städtische Kasse ausgewiesen war, während in Wirklichkeit satte Minusbeträge in den Prognosen standen – und dies der Stadt wohl schon im März bekannt war.

Trotzdem tauchten die Negativbeträge in den Vorlagen für den Stadtrat nicht auf, das wirft Fragen auf: Wurde die wahre Haushaltslage der Stadt verschleiert – etwa, um kritische Debatten kurz vor der Kommunalwahl zu verhindern? Und wie geht es jetzt für Mainz weiter, was kommt auf die Bürger zu? Über diese Fragen sprach Mainz&-Chefredakteurin Gisela Kirschstein mit dem Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos).

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Hase: „Stadträte hätten informiert werden müssen“

Mainz&: Herr Haase, im Nachtragshaushalt 2024, den der Stadtrat drei Tage vor der Kommunalwahl im Juni verabschiedet hat, standen maßgebliche Prognosen über ein kommendes Haushaltsminus der Stadt Mainz nicht drin – es geht um ein Minus von rund 251 Millionen Euro für 2025 und von rund 159 Millionen Euro für 2026. Die ADD hat das als „schweren Rechtsverstoß“ gerügt. Und es stellt sich jetzt natürlich die Frage, ob der Stadtrat, ja, ob nicht die nicht die Bevölkerung vor der Kommunalwahl getäuscht wurden. Was war da los?

Der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) äußert sich im Mainz&-Interview zum Thema Haushalt und Finanzen. - Foto: gik
Der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) äußert sich im Mainz&-Interview zum Thema Haushalt und Finanzen. – Foto: gik

Haase: Also die Haushaltslage ist dem Stadtrat schon auch deutlich vermittelt worden, zum Beispiel in der Rede von Finanzdezernent Günter Beck am 6. März 2024. Auch lagen dem Rat alle Zahlen zu 2024 vollständig und schriftlich vor. Allerdings kritisiert die ADD, dass die Zahlen für die mittelfristige Prognose, also ab 2025, nicht mit dem Nachtrag 2024 geändert wurden.

Dies ist aber, so betont die Finanzverwaltung, ein übliches Vorgehen – und die seit vielen Jahren verwendete Software gebe das auch so vor. Außerdem gingen alle davon aus, dass es reicht, die Zahlen für 2025 mit dem Haushalt 2025, der ja jetzt, also wenige Monate später aufgestellt wird, zu aktualisieren. Das war erkennbar eine Fehleinschätzung. Kurz: Nein, es gab da keine Täuschung. Aber den genannten Mangel müssen wir selbstverständlich künftig abstellen. Der Forderung der ADD werden wir unverzüglich nachkommen.

Mainz&: In der Tat, die ADD rügt schließlich, der Haushalt hätte ein geradezu gegensätzliches Bild der realen Lage gezeichnet…

Muss Weichen in der Finanzverwaltung neu stellen: OB Nino Haase (parteilos) in seinem, Büro im Mainzer Stadthaus. - Foto: gik
Muss Weichen in der Finanzverwaltung neu stellen: OB Nino Haase (parteilos) in seinem, Büro im Mainzer Stadthaus. – Foto: gik

Haase: Der ADD ist die Prognose ja auch schon im April per Brief zugegangen, genauso hätten die Stadträte informiert werden müssen. Das ist ein Fehler, den wir künftig vermeiden müssen. Wie gesagt: Die Prognosen im Nachtrag abzuändern, war bisher nie der Modus. Es liegt eben auch an der SAP-Maske: In dem Nachtragshaushalt ist nicht vorgesehen, die Prognose anzupassen.

Das klingt im ersten Moment immer so ein bisschen seltsam, als müsste man einfach eine andere Zahl einfügen, und dann ergibt sich der Rest, aber das ist eben nicht so, weil gerade in der Haushaltsaufstellung vieles händisch eingetragen und händisch gegen gecheckt werden muss. Man hätte aber natürlich, und das sage ich ganz offen, einen Anhang beifügen können. Zur Klarstellung: Das wird der Modus für die Folgejahre sein.

Mainz&: Kannten denn die Mitglieder des Finanzausschusses diese Zahlen?

Haase: Ich bin ja nicht im Finanzausschuss, der Finanzausschuss wird vom Finanzdezernenten geleitet. Und der Finanzdezernent sagt, er hätte das dort mündlich mitgeteilt, das nehme ich jetzt mal so hin. Ich glaube, es ist deswegen gut, auch zur Absicherung aller Seiten, dass wir in Zukunft unsere Prognoseanpassung, unser aktualisiertes Liquiditätsreporting dort im Finanzausschuss formalisieren und standardmäßig immer schriftlich einreichen. Dann liegt es dort vor, und jeder weiß, was gesagt wurde. Ich bin überzeugt, dass das in der Situation hilfreich ist.

Landeszuschüsse werden erst 2026 wieder fließen

Mainz&: Jetzt steht in dem Brief der ADD auch, die liquiden Mittel der Stadt wären alle, überschuldet wäre sie zwar nicht – aber die ganze „BioNTech-Milliarde“ ist weg…

Haase: Ja, das ist richtig – aber man kann einen kommunalen Haushalt auch nicht so bewerten, wie sein privates Haushaltskonto. Es waren ja etwas mehr als zwei Milliarden Euro an Einnahmen, da ging etwa die Hälfte schon mal für Schuldentilgung drauf. Dann haben wir noch ungefähr 400-500 Millionen Euro in die Umlage des kommunalen Finanzausgleichs gezahlt, auch das muss man ja sehen. Da geht dann schon relativ schnell einiges weg von dieser Summe. Und dann fehlten uns dadurch, dass wir plötzlich Geld hatten Schlüsselzuweisung und Zuwendungen des Landes, etwa für Schulbauten oder Kitabauten. Allein für das Haushaltsjahr 2023 waren das 135 Millionen Euro, die wegfielen und die wir aus unserem Cash-Bestand zahlen mussten.

Finanz"geschenke" vom Land gibt es erst wieder 2026: Bis dahin fällt Mainz wegen der Biontech-Milliarden aus dem Zuschuss-Modus heraus. - Foto: gik
Finanz“geschenke“ vom Land gibt es erst wieder 2026: Bis dahin fällt Mainz wegen der Biontech-Milliarden aus dem Zuschuss-Modus heraus. – Foto: gik

Daneben existiert aus der fehlenden Konnexität mittlerweile eine Unterdeckung bei Pflichtleistungen, die uns Bund und Land auftragen, von über 250 Millionen Euro pro Jahr. Das sind gewaltige Summen, die einen ausgeglichenen Haushalt 2025 nicht zulassen. Und: Wir haben keine Förderung mehr erhalten, und das ist ein relevanter Bestandteil eines normalen Haushalts. Unser Umlage- und Ausgleichssystem in Rheinland-Pfalz ist nicht auf solche Einnahme-Spitzen ausgelegt. Das ist darauf ausgelegt, dass eine Kommune eine steigende Einnahmesituation hat, die mehr oder minder in der Größenordnung konstant bleibt.

Bei uns war es so: wir hatten diesen unfassbaren Twist von der Nehmer- zur Geberstadt, und jetzt sind wir schon gar nicht mehr in der Lage zu geben, müssen aber für dieses Jahr noch zahlen. Und wir werden auch für nächstes Jahr keine Schlüsselzuweisungen erhalten, weil diese Zuweisungsgrundlagen für vier Quartale zurückgerechnet werden. Das heißt: Wir kommen erst 2026 wieder in die Situation, dass wir die entsprechenden Zuweisungen des Landes erhalten.

Mainz&: Sind da haushalterische Fehler gemacht worden bei der Aufstellung der Finanzplanungen? Hätte man das nicht abbiegen können?

Bis in Mainz die Geldquellen wieder sprudeln, kann es dauern - Kritiker sagen: Den Einbruch hätte die Stadt kommen sehen müssen. - Foto: gik
Bis in Mainz die Geldquellen wieder sprudeln, kann es dauern – Kritiker sagen: Den Einbruch hätte die Stadt kommen sehen müssen. – Foto: gik

Haase: Wir reden von sehr, sehr volatilen Verläufen. Binnen weniger Wochen hatte sich die Einnahmesituation mal eben um hundert Millionen verändert – aber so eine Haushaltsplanung dauert einige Monate. Wir haben den Haushalt ja eingebracht am 6. März 2024, die Haushaltsaufstellung begann aber schon Ende letzten Jahres -, man musste also in einer Zeit, in der sich die Einnahmesituation permanent geändert hat, den Haushalt aufstellen.

Jetzt kann man im Nachgang natürlich sagen, da hätte man noch schneller und agiler agieren müssen, ich sage so: Mein Wissen ist, dass die Finanzverwaltung in diesen unsteten Zeiten einen anderen Zeitpunkt berechnet hatte, bis zu dem die Liquidität der Stadt ausgehen würde – und dieser scheint aber aufgrund der anderen Einnahmesituation früher gekommen zu sein. Ob man dann den Vorschlag der Finanzverwaltung anders gemacht hätte, wenn man schon gewusst hätte, dass im Juni etwa die Liquidität weg ist, das weiß ich nicht, das muss man die Finanzverwaltung fragen, die ja im Thema Liquiditätssteuerung am nächsten dran ist. Aber das ist im Rückblick immer einfach gesagt.

Haase: Stadt muss auf realistisches Projektvolumen kommen

Mainz&: Wie geht es denn jetzt weiter? Jetzt sagt die ADD ja: Haushalt ist nicht genehmigt, Ihr müsst bis Ende Oktober einen neuen Nachtragshaushalt aufstellen, und Ihr müsst von diesen Fehlsummen runterkommen. Wie kann das gehen? Was steht auf der Streichliste?

Hat sich Mainz in der Vergangenheit mit zu vielen Großprojekten gleichzeitig übernommen? Der neue OB Nino Haase (parteilos) will umsteuern. - Foto: gik
Hat sich Mainz in der Vergangenheit mit zu vielen Großprojekten gleichzeitig übernommen? Der neue OB Nino Haase (parteilos) will umsteuern. – Foto: gik

Haase: Das klingt jetzt zwar wie eine Binsenweisheit, aber aus jeder schweren Situation kann man am Ende ja auch einen Vorteil ziehen. Wo ich jetzt schon ein Umdenken angestoßen habe, ist die Frage: Was muten wir unserer Verwaltung jedes Jahr an Projekten zu – und zwar auch von politischer Seite? Wir haben ein realistisches Projektvolumen pro Jahr in einer bestimmten Größenordnung, sagen wir von rund 70 Millionen Euro. Das ist das, was wir aktuell mit unseren Mitteln in der Stadt seriös umsetzen können. Wenn wir einen Ticken mehr anmelden, und das dann übertragen, dann ist das auch kein Problem. Aber genau diese Projekte hatten in den letzten zehn Jahren dramatische Ausmaße angenommen. Die Kluft zwischen dem, was politisch gefordert war, und dem, was in der Umsetzung wirklich möglich war, war viel zu groß.

Mainz&: Das heißt, es wurden zu viele Großprojekte gleichzeitig angegangen?

Haase: Nicht nur Großprojekte, das betraf auch viele kleinere. Die ADD hat das auch schon seit vielen Jahren bemängelt, und da hat sie auch Recht – es geht da um die sogenannte Überplanung. Wir übertragen mittlerweile Projektmittel von Haushalt zu Haushalt in der Größenordnung von 400 Millionen Euro. Das sind Sachen, die wir irgendwann mal im Haushalt angemeldet hatten, die wurden dann aber nie oder nur in kleinen Teilen abgerufen – und die Projekte liegen da. Manche werden dann ein bisschen bearbeitet, und manche eben nicht. Viele Projekte werden dann einfach nur teurer, weil sie länger liegen bleiben, dort müssen wir uns konzentrieren, wir dürfen uns nicht verzetteln.

Diesen neuen Richtwert der 70 Millionen Euro habe ich jetzt auch im Stadtvorstand klar kommuniziert, und übrigens auch schon mit der Gebäudewirtschaft Mainz besprochen, wo die Mitarbeiter auch sagen: Das ist ein Schritt in die absolut richtige Richtung, damit wir unseren Aufgaben eben auch nachkommen können. Und da hatten wir jetzt gerade im Stadtvorstand die erste Besprechungsrunde, welche Projekte wir schieben können. Und wir müssen schauen, dass wenn wir Leistungen erbringen, und dafür beispielsweise Gebühren nehmen, dann müssen die zumindest kostendeckend sein – auch das hat die ADD ja bemängelt, und da gebe ich ihr auch absolut Recht.

Haase: Werden über Anhebung von Gebühren sprechen

Mainz&: In dem Schreiben der ADD wird ganz explizit die Straßenreinigung genannt, vor allem der Winterdienst.

Haase: Das Thema Winterdienst ist, um ehrlich zu sein, von allen Dingen, die wir im Kopf haben, einer der Posten, die uns am wenigsten nach vorne bringen.

Mainz&: Welche Posten bringen die Stadt denn dann nach vorne?

Das Anwohnerparken in Mainz dürfte in Zukunft teurer werden. - Foto: gik
Das Anwohnerparken in Mainz dürfte in Zukunft teurer werden. – Foto: gik

Haase: Wir werden – und das haben wir ja auch schon gesagt – über das Thema Anwohnerparkausweise sprechen müssen, auch im Zusammenhang mit einem generellen Konzept für unsere Parkraumbewirtschaftung in Mainz, das sollte jetzt im Herbst fertig gestellt sein. Da geht es auch um das Thema Parkhäuser und deren Belegung, das wird ein relativ umfassender Aufschlag und ich glaube, ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir werden über die Anhebung von Gebühren in allen Segmenten sprechen, teilweise wurden dort Gebühren über 40 oder 50 Jahre nicht mehr angehoben. Das stellen wir jetzt alles zusammen, und werden dann mit dem Stadtvorstand die Maßnahmen besprechen. Und dann werden wir damit in unsere „Konsolidierungsrunde“ gehen.

Mainz&: Wer soll denn da mit am Tisch sitzen?

Haase: Die Fraktionsvorsitzenden aus dem Stadtrat, aber auch die finanzpolitischen Sprecher. Ich möchte es jetzt nicht zu einer Stadtratssitzung ausarten lassen, einfach, damit es nicht zu groß wird, aber ich habe auch den Fraktionen mitgeteilt, wenn sie als Fraktionsvorsitzende kommen wollen und dann auch noch einzelne Personen haben, von denen sie sagen, die brauchen wir für den Finanzsachverstand, und es sind verpflichte Mitglieder von Gremien, dann ist das in Ordnung.

Ich möchte jetzt sicherstellen, dass der Informationsfluss im Hinblick auf die Aufstellung des Haushaltes 2025 so gut läuft, wie nur möglich, und dass dort auch klar ist, in welcher Situation wir sind. Und auch, was sich die Politik in den nächsten Jahren als Rahmen stecken muss, dass – egal wie die Finanzlage aussieht -, wir immer auch drauf schauen: Was ist eigentlich die Kapazität der Stadt, was bekommen wir in einem Jahr realistisch gestemmt.

Mainz&: Wann soll die Konsolidierungsrunde denn zusammentreten?

Haase: Der erste Termin ist am 9. September, und dann noch einer am 30. September.

Haase: Rathaus und Gutenberg-Museum nicht auf der Kippe

Mainz&: Gibt es denn irgendwelche Großprojekte, die jetzt auf der Kippe stehen, die geschoben werden müssen für ein, zwei Jahre? Also Projekte wie Rathaus oder das Gutenberg-Museum – wobei bei beiden ja wohl schon die Aufträge vergeben sind?

Die Baustelle Rathaus ist durch den Finanzeinbruch der Stadt Mainz nicht gefährdet. - Foto: gik
Die Baustelle Rathaus ist durch den Finanzeinbruch der Stadt Mainz nicht gefährdet. – Foto: gik

Haase: Gerade das Rathaus ist natürlich ein Großprojekt, das jetzt auf der Zielgeraden ist. Ich begleite als OB da ja auch die Projektgruppe zu. Wir haben dieses Jahr einen Großteil der Vergaben gemacht, und wir sind absolut im Kostenrahmen, wir haben da sogar noch einen Minipuffer. Wir haben jetzt 95 Prozent der Gesamtgewerke vergeben, das ist ein Wahnsinnserfolg dieser Projektgruppe, das muss man mal klipp und klar so sagen – und das trotz Ukrainekrieg und Inflation. In der Gruppe hat man jetzt wirklich gezeigt, was mit einer hohen Sachkompetenz, aber eben auch mit einer guten Personalausstattung möglich ist. Dass man auch in dieser Zeit wirklich im Kostenbudget arbeiten kann, das ist wirklich eine super Leistung.

Mainz&: Gibt es denn auch Projekte, von denen sich Mainz verabschieden muss? Die erst mal nicht kommen?

Haase: Das Gutenberg-Museum gehört da sicherlich nicht zu. Dort werde ich jetzt auch in die Projektgruppe mit reingehen, weil ich glaube, dass wir aus den guten Erfahrungen, die wir mit dem Rathaus gemacht haben, dort auch profitieren können. Und da Baudezernentin Marianne Grosse ja auch schon ihren Rückzug für Anfang 2026 angekündigt hat, ist es mir auch wichtig, da für Kontinuität zu sorgen, dass dieses Projekt so gut läuft, wie nur eben möglich. Und ich merke eben auch, dass eine enge Begleitung durch den OB sehr, sehr hilfreich ist, weil wir auch da in den nächsten Jahren auf die Kosten schauen müssen und es um das Thema weiterer Förderungen geht.

Haase: Null-Euro-Samstag rechnet sich wirtschaftlich

Mainz&: Kann sich denn Mainz in solchen sehr engen finanziellen Zeiten noch so etwas wie den Null-Euro-Samstag leisten? Oder muss man solche Projekte jetzt auch infrage stellen?

Haase: Nein, das ist tatsächlich etwas, was ja auch über die Mainzer Mobilität läuft. Wir haben das jetzt ja auch erst einmal auf ein Jahr angelegt, und ich muss gestehen, die Rückmeldungen gerade auch vom Handel sind echt super. Die Werbegemeinschaft ist angetan, sie merken, es sind mehr Leute in der Stadt und dass die Leute lieber einkaufen, das finde ich einen sehr, sehr schönen Effekt.

Für den O-Euro-Samstag warb OB Nino Haase auch ganz persönlich. - Foto: Stadt Mainz
Für den O-Euro-Samstag warb OB Nino Haase auch ganz persönlich. – Foto: Stadt Mainz

Gleichzeitig bringt es auch Leute dazu, das Thema ÖPNV im Rahmen der Mobilitätswende auch mal ernsthaft zu probieren. Das sind eben gerade die Leute, die keine Monats- oder Jahreskarte haben, die nicht pendeln mit dem ÖPNV, sondern für die der ÖPNV normalerweise keine Alternative ist. Wir evaluieren das und begleiten es durch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung.

Der Null-Euro-Samstag kostet pro Tag 25.000 Euro, und ich würde mich jetzt mal soweit aus dem Fenster lehnen und sagen: In der Gesamtbetrachtung werden wir diese Investitionen mit den Mehreinnahmen und den Mehrfahrten im Anschluss in den Folgewochen sehr schnell wieder reinholen. Ein Fernziel wäre sogar, wenn das nach einem Jahr in unserer Evaluierung wirklich so erfolgreich ist, dass wir das ausweiten. Aber das werden wir sehen – ich will nur sagen: Man muss eben auch investieren, und es gibt Investitionen, die sich amortisieren auf verschiedenen Wegen.

Mainz&: Und das kann man der ADD auch klarmachen?

Haase: Ja, klar, das kann man. Und was die ADD ja auch immer fordert, und was wir auch für sinnvoll halten, ist beispielsweise, dass wir Gebäude übernehmen, und dann aus langfristigen Mietverpflichtungen herauskommen. Da gucken wir jetzt ganz genau, ob wir zum Beispiel die ein oder andere Kindertagesstätte nicht mehr anmieten, sondern übernehmen, weil wir dann auf lange Sicht da Geld sparen. Oder dass wir aktuell Mietverträge für städtische Büros und Standorte überprüfen: Wurden die zu einer guten Rate abgeschlossen? Bei der ein oder anderen Stelle sage ich schon, da ist es recht teuer, da kann man vielleicht auch Standorte konsolidieren und effizientere Arbeitsumfelder schaffen.

Haase: „Wir müssen uns ehrlich machen“

Das ist jetzt eine Phase, in der man sich ehrlich machen muss: Haben wir uns die letzten zehn, teilweise 20 Jahre unsere Einnahmen richtig angeschaut? Ich habe den Eindruck, dass man auch vor dieser Großverschuldung der Stadt Mainz irgendwann ein bisschen resigniert hatte und gesagt hat: Wir kommen davon eh nicht runter, jetzt müssen wir auch nicht auf Optimierung bei der Einnahmesituation schauen. Das ist ja menschlich auch verständlich, wenn man zugleich auch sieht, ich werde meine Situation damit nicht grundlegend ändern.

Der Biontech-Goldesel hat inzwischen keine Dukaten mehr. - Foto: gik
Der Biontech-Goldesel hat inzwischen keine Dukaten mehr. – Foto: gik

Jetzt sind wir aber in einer Situation, wo wir sagen: Ja, diese große Dauereinnahme ist jetzt erst einmal Geschichte, aber wir haben natürlich auch andere positive Faktoren. Der Einkommensteueranteil hat sich mehr als verdoppelt, das sind jetzt deutlich über 20 Millionen Euro von vorher 10 Millionen Euro. Wir investieren hier am Standort weiter, etwa mit dem Rechenzentrum der KMW auf der Ingelheimer Aue, auch das ist ja etwas, was die Gewerbesteuereinnahmen nachhaltig erhöht. Das sind alles Dinge, wo wir sagen: Mainz bewegt sich in die richtige Richtung.

Frage: Gewerbesteuer ist ein gutes Stichwort: die ADD drängt ja darauf, die Gewerbesteuer wieder auf den alten Satz von 440 Punkten anzuheben.

Haase: Und wir wollen der ADD auch diese Perspektive bieten. Wir sind noch nicht bei der Entscheidung, aber ich persönlich plädiere dafür, und das werden wir auch in den nächsten Wochen ausloten, ob man das auch in zwei Schritten machen kann. Auch Unternehmen machen eine Planung. Diese Erhöhung der Gewerbesteuer wäre dann direkt ab dem 1.1.2025 gültig, das ist ein relativ kurzer Vorlauf. Deswegen würde ich das gerne gestaffelt machen, wenn wir es im Stadtrat und auch im Konsolidierungspaket hinbekommen.

Das wäre auch ein wichtiges Zeichen nach draußen, dass wir sagen, wir machen das in zwei Schritten: erst hoch auf den Nivellierungssatz, und dann perspektivisch wieder auf 440 Punkte hoch. Wir sind jetzt trotz des niedrigen Satzes bei der Gewerbesteuer auf einem Niveau, wo wir vorher auch waren. Und selbst mit einem direkten Anheben auf 440 Punkte nächstes Jahr, wäre unser Haushalt nicht ansatzweise gerettet.

Ich denke: Ab 2026 werden wir wieder in normale Fahrwasser kommen. Wir müssen jetzt bei der ADD klarmachen, dass wir langfristig verantwortungsbewusst planen, und dass wir zeigen, auch in den Jahren 26, 27 und 28 droht keine Überschuldung der Stadt Mainz.

Mainz&: Die Anhebung der Erzieher-Besoldung, steht die in irgendeiner Form zur Disposition?

Haase: Nein, auch wenn  ich mir da schon auch ein wenig mehr Unterstützung bei der ADD wünsche. Ich glaube aber, dass wir da kurz davor sind, dass auch zu finalisieren. Grundsätzlich hat man mit unserem Vorgehen erst einmal kein Problem, wir besprechen aber gerade noch mit der ADD, wie groß ist der Anteil der Stellen, die wir im ersten Schritt hochgruppieren dürfen, ist. Der wird aber höher sein, als die Anzahl derer,  die wir hochstufen wollen. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Monaten die Auszahlung beginnen können.

OB Nino Haase bei der Eröffnung der Kita in Mainz-Zahlbach mit Kindergartenkids. - Foto: gik
OB Nino Haase bei der Eröffnung der Kita in Mainz-Zahlbach mit Kindergartenkids. – Foto: gik

Ich möchte aber auch betonen: Es geht auch nicht nur um das Gehalt, es geht auch um das Thema, wie gewinnen wir Personal? Wir haben jetzt, und das sind jetzt die ganz frischen Zahlen, und da bin ich wirklich stolz drauf, eine unglaubliche Entwicklung: Ich habe als OB begonnen mit 120 unbesetzte Stellen im Kitabereich innerhalb der Stadt, gleichzeitig wurde ja auch weitere Einrichtung eröffnet, das heißt wir haben ja auch weitere Stellen aufgebaut. Und wir haben jetzt, Stand August 2024, eine Anzahl unbesetzter Stellen von unter 60 Erziehern. Das heißt, wir haben in anderthalb Jahren geschafft, diese Zahl, die seit Jahren konstant oben war, zu halbieren – da bin ich wirklich stolz drauf.

Deswegen lassen wir nicht nach, wir arbeiten genau weiter in die Richtung. Und ich weiß auch, es gibt noch Einrichtungen, wo wir die Schlüssel noch nicht erreicht haben, wo wir noch das Thema verkürzte Öffnungszeiten haben, die werden wir uns jetzt auch noch genau angucken, aber: Wir gehen in die richtige Richtung.

Mainz&: Herr Haase, ich danke sehr für das Gespräch.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Nachtragshaushalt und dem Brief der ADD lest Ihr hier bei Mainz&. Welche bohrenden Fragen die Opposition im Mainzer Stadtrat stellt, haben wir hier berichtet.