Nach drei Jahren der Niedrigsteuerpolitik hebt die Stadt Mainz die Gewerbesteuer nun zum 1. Januar 2025 wieder deutlich an. Der Stadtrat beschloss Anfang Oktober die Rückkehr zum alten Hebesatz von 440 Punkten – das ist eine Steigerung von 42 Prozent. Im Zuge der Erfolge des Mainzer Unternehmens Biontech mit dem Corona-Impfstoff hatte Mainz seinen Hebesatz auf 310 Punkte gesenkt, die Industrie- und Handelskammer kritisierte nun die Wiederanhebung mit deutlichen Worten: Das habe „den Effekt einer Wachstumsbremse.“ Und dabei ist Rheinland-Pfalz schon jetzt Schlusslicht bei der Wirtschaftsdynamik.
Ende 2021 war die Stadt Mainz über Nacht in einen wahren Geldregen geraten: Der überraschende Erfolg des Mainzer Unternehmens BionTech in der Corona-Pandemie spülte über Nacht mehr als eine Milliarde Steuereinnahmen in die städtische Kasse – Mainz war auf einen Schlag schuldenfrei. Insgesamt bescherte der Erfolg des Corona-Impfstoffs aus Mainz der Stadt binnen zwei Jahren rund 2,7 Milliarden Euro an Steuerplus. Mainz revanchierte sich mit einem Steuergeschenk: 2022 wurde der Gewerbesteuer-Hebesatz von 440 Punkten auf 310 Punkte abgesenkt – so viel, wie in der Nachbarstadt Ingelheim.
Doch die sprudelnden Steuereinnahmen waren nicht von Dauer: Weil gegen Corona kaum noch geimpft wird, sackten Umsatz und Gewinn bei BionTech wieder deutlich ab. Anfang Mai meldete BionTech einen Gewinneinbruch von 80 Prozent für das erste Quartal 2024, statt 6,4 Milliarden Euro wie 2023, standen jetzt nur noch 1,27 Milliarden Euro zu Buche, die Gewinne sanken auf 500 Millionen Euro. Die Folge für Mainz: Die Stadt muss allein in diesem Jahr mit rund 300 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen rechnen als geplant.
Mainzer Haushaltsloch: Wiederanhebung der Gewerbesteuer 2025
Im August wurden dann erstmals öffentlich Prognosen aus dem Finanzdezernat bekannt, nach denen dem städtischen Haushalt in den kommenden Jahren ein massiver Absturz ins Minus droht: laut Prognose droht für 2025 ein Loch von rund 251 Millionen Euro und für 2026 ein Minus von rund 159 Millionen Euro im Mainzer Haushalt. Dem Stadtrat waren diese Prognosen bei der Verabschiedung des Nachtragshaushalts im Juni 2024 nicht vorgelegt worden, seither herrscht scharfe Kritik am Gebaren von Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) – und eine hektische Suche nach neuen Einnahmequellen.
Die Folge: Die nun vom Stadtrat beschlossene Wiederanhebung des Gewerbesteuer-Hebesatzes auf 440 Punkte. Die Linke hatte Anfang Oktober bereits kritisiert, ohne die Absenkung zum 1. Januar 2022 hätte Mainz bis heute rund 603 Millionen Euro mehr an Gewerbesteuer eingenommen – diese Zahl hatte die Finanzverwaltung auf eine Anfrage der Linken im Stadtrat genannt. Die entgangenen Millionen seien „ein gravierendes Versagen der anderen Fraktionen, aber auch von Ex–OB Ebling und Finanzdezernent Günter Beck“, schimpfte Linken-Fraktionschef Tupac Orellana.
Doch die Rechnung ist unscharf, denn nicht bekannt ist, ob Firmen nicht ohne die Senkung der Gewerbesteuer wichtige Investitionen in Nachbarkommunen verlagert hätten – oder gleich ihre Firmensitze etwa ins deutlich günstigere Ingelheim verlegt hätten. Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) hatte deshalb vor einer drastische Wiederanhebung der Gewerbesteuer auf den alten Hebesatz gewarnt: „Auch Unternehmen machen eine Planung“, hatte Haase im Interview mit Mainz& betont – er plädiere für eine gestaffelte Anhebung in zwei Schritten.
IHK kritisiert Anhebung: zusätzliche Belastung, Wachstumsbremse
Doch der OB konnte sich offenbar nicht durchsetzen – die volle Anhebung zurück auf 440 Punkte wird nun von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Mainz scharf kritisiert: Die Anhebung sei eine erhebliche „zusätzliche Belastung in schwierigen Zeiten“, kritisierte IHK-Hauptgeschäftsführerin Karina Szwede. Wegen Konsumflaute und Preissteigerungen stünden die Unternehmen „ohnehin unter Druck, jetzt müssen sie auch eine Steigerung der Gewerbesteuer um 42 Prozent verkraften, die sie so nicht einplanen konnten“, klagte Szwede.
Ein Stimmungsbild bei den Unternehmen in der IHK-Vollversammlung habe gezeigt: Die Unternehmen rechneten nun damit, Investitionen aufzuschieben oder zu reduzieren, „langfristig würde das weniger Wirtschaftswachstum bedeuten – und damit auch weniger Gewerbesteuereinnahmen“, warnte Szwede. Die jüngste Konjunkturumfrage der IHK hat ohnehin gerade ein schlechtes Stimmungsbild in der Wirtschaft ergeben, die IHK spricht von einer „alarmierenden Investitionszurückhaltung“. Schon jetzt betrachten lediglich 30 Prozent der Unternehmen in Rheinhessen ihre Geschäftslage als „gut“, für 51 Prozent ist sie „befriedigend“ – und nur noch 21 Prozent der Unternehmen planen steigende Investitionen.
Steigende Steuern verschlechterten insgesamt die Chancen für Unternehmen im Standortwettbewerb, hatte die IHK bereits Mitte September gewarnt: „Steigen die Steuern, muss sich das auch in besseren Standortbedingungen bemerkbar machen – Standorte ohne Gegenleistung zu verteuern, wirkt wie eine Wachstumsbremse“, warnte die IHK damals. Nun wiederholte Szwede die Warnung: „Auch mit Blick auf die Attraktivität unseres Standorts ist es wichtig, dass die Stadt ein Zurückdrehen der Steuerschraube auf der Agenda behält.“
Rheinland-Pfalz Schlusslicht bei Wirtschaftsdynamik
Das ist nicht banal: Rheinland-Pfalz ist ohnehin schon Schlusslicht bei der Wirtschaftsdynamik in Deutschland. 2023 sank die Wirtschaftsleistung um 4,9 Prozent, das waren noch einmal weniger als der Bundesschnitt von 4,2 Prozent. Grund waren aber nicht nur Einbrüche in der chemischen Industrie – also etwa bei BionTech -, sondern auch im Dienstleistungssektor sowie im Bereich „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation“ – letzterer schrumpfte deutlich stärker als im Bundesdurchschnitt, wie das Statistische Landesamt im März vorrechnete.
Ein reales Minus erlebte 2023 auch die Bauwirtschaft, auch hier war die Entwicklung in Rheinland-Pfalz deutlich schlechter als im Bundesvergleich: Die Bruttowertschöpfung sank um 0,9 Prozent, deutschlandweit waren es nur minus 0,2 Prozent. Einen besonders deutlichen Absturz stellte das Landesamt bei der Arbeitsproduktivität fest: Demnach verringerte sich die Arbeitsproduktivität in Rheinland-Pfalz um minus fünf Prozent im Jahr 2023, in Deutschland waren es insgesamt lediglich minus 0,7 Prozent.
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