In zwei Wochen ist Oberbürgermeister-Wahl in Mainz, und Ihr wisst noch nicht, wem Ihr Eure Stimme geben wollt? Dann bekommt Ihr jetzt Hilfe: Der Mainz-O-Mat ist am Sonntagabend online gegangen. Mit 25 Thesen zu Themen wie Kitas, Neun-Euro-Ticket, Verkehr oder Klima könnt Ihr hier die Positionen von sechs der insgesamt sieben OB-Kandidaten vergleichen. Erstellt hat den Mainz-O-Mat die Partei Volt – die Thesen verlangen allerdings einige Male viel Hintergrundwissen vom Benutzer. Warum der Mainz-O-Mat trotzdem spannend ist.
Die Oberbürgermeisterwahl in Mainz ist vor allem eine Personenwahl, denn die Mainzer wählen ihr Stadtoberhaupt unmittelbar und direkt. Der Oberbürgermeister muss nicht Mitglied des Stadtrates sein, das macht ihn potenziell unabhängig von Parteien – und er wird auf stolze acht Jahre gewählt. Die Person an der Spitze soll die Stadtpolitik lenken, Mainz nach außen repräsentieren und wichtige Weichen für die Zukunft stellen, da wird auch das Programm der jeweiligen Person wichtig.
Und dafür gibt es nun Wahl-Entscheidungshilfe von der Partei Volt, die keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hat, und auch keine Wahlempfehlung für eine oder einen der insgesamt sieben Kandidaten ausgesprochen hat. Stattdessen stellt man von Seiten von Volt nun schon zum zweiten Mal nach 2019 bei einer OB-Wahl einen Mainz-O-Mat zur Verfügung: Nach Vorbild des Wahl-O-Mats der Bundeszentrale für politische Bildung, vergleicht auch dieses Online-Tool für Mainz die politischen Positionen der Kandidaten.
Thesen von Kitas bis Neun-Euro-Ticket
25 Thesen enthält der Mainz-O-Mat insgesamt, los geht es mit Themen wie kostenloses Essen in Schulen, mehr Geld für Kita-Personal und der Frage, ob Mainz aus dem bundesweiten 49-Euro-Ticket – das zum 1. Mai kommen soll – mit Zuschüsse ein Neun-Euro-Ticket machen soll. Weiter geht’s gleich mit einem Reizthema: Soll auf Hauptverkehrsachsen in Mainz Tempo 50 gelten, oder eher Tempo 30, wie vor allem die Grünen wollen? Interessant ist dabei vor allem die Formulierung: Der Mainz-O-Mat fragt nicht nach Tempo 30, wie man erwarten könnte, sondern “ob auf Hauptverkehrsachsen eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gelten” muss.
Bei jeder These hat der Benutzer die Wahl zwischen Zustimmung (grün) oder Ablehnung (Rot), auch Neutral (gelb) kann man wählen, oder die Frage schlicht überspringen (Grau). Dabei ist genaues Hinlesen bei den Thesen ratsam – und viel Raum für Zwischentöne bleibt nicht. So fragt der Mainz-O-Mat etwa, ob “umweltfreundlichen Verkehrsmitteln” mehr Platz im öffentlichen Raum eingeräumt werden sollte, auch wenn dies Zulasten des Autoverkehrs geht. Offen bleibt dabei aber, was mit “umweltfreundlichen Verkehrsmitteln” genau gemeint ist – und warum E-Autos zum Beispiel offenbar nicht als solche gelten.
Ansprüche an das kommunalpolitische Wissen der Benutzer stellen auch Fragen wie: “Die Quote für geförderten Wohnraum soll bei städtischen Neubauprojekten und (!) bei Projekten privater Investoren mindesten 35 Prozent betragen”. Die Forderung ist durchaus brisant, denn eine Quote von 35 Prozent für sozialen Wohnungsbau gilt als enorm hoch, zumal die Frage sei einfach mal schnell auch für private Investoren fordert.
Sozialraumquote, Bau neuer Wohngebiete und Häuser für Familien
Bislang verlangt Mainz eine Sozialraumquote von 25 Prozent bei Neubauvorhaben, und schon das gilt als nicht einfach. Eine höhere Quote – etwa von 40 Prozent – hatte der frühere Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) stets abgelehnt, mit der Begründung, man wolle keine „neuen Problemquartiere” schaffen: Bei 40 Prozent habe er die Sorge, dass auf Dauer keine starken und ausgewogenen Quartiere entstünden, sagte Ebling etwa im Sommer 2019.
Solche Hintergründe aber liefert der Mainz-O-Mat nicht mit, das fördert die Bereitschaft zum schnellen Klick – ohne allerdings die Zusammenhänge mitzuliefern. Auch bei der These zur drastischen Senkung der Grundsteuer oder zum Bau von neuen Wohngebieten für Ein- und Zweifamilienhäuser bleibt der Nutzer ohne Hintergrund allein mit seiner Entscheidung: Was bedeutet es für die Attraktivität von Mainz für Familien, wenn keine Einfamilienhäuser mehr verfügbar sind – und was für die Immobilien-Preise? Fördert es nicht die Zersiedelung des Umlandes von Mainz, und damit die Verkehrsströme per Auto in die Stadt, wenn Häuser für Familien vorwiegend im rheinhessischen Umland entstehen?
Auch bei der These, dass alle (!) Gebäude und Betriebe (!) der Stadt Mainz bis 2030 “klimaneutral werden müssen” stellt sich die Frage, wie das in nur sieben Jahren bewerkstelligt werden sollte – aber die Aussagen im Mainz-O-Mat sind eben auch “nur” Thesen. Gut ist hingegen, dass man sich stets in der obersten leiste durch die Liste der Thesen auch zurück klicken, und sein Votum noch einmal verändern kann. Interessant ist auch, dass der Mainz-O-Mat in manchen Fragen schlicht die Formulierung eines Kandidaten oder einer Kandidatin aus deren Wahlprogramm übernimmt.
Soll der OB parteiübergreifend Mehrheiten suchen?
Themen des Mainz-O-Mats sind ferner natürlich auch die Frage von mehr Grün in der Innenstadt, die Abschaffung der Hundesteuer für Tierheim-Hunde, kostenlose Bürgerhäuser für Vereine oder ein Verbot von Privatfeuerwerk im öffentlichen Raum. Erstaunlich ist, dass der Mainz-O-Mat nicht nach Fahrradwegen oder autofreier Innenstadt fragt, auch nicht nach der Vision einer autofreien Großen Bleiche oder Armutsbekämpfung – Themen, die vor allem die Kandidaten von SPD und Grünen setzen.
Stattdessen stehen etwa Themen wie die Stärkung von Ortsbeiräten auf der Agenda und die spannende Frage, ob der künftige Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin im Stadtrat mit verschiedenen Parteien themenbezogen zusammenarbeiten soll, anstatt mit einer festen Koalition von Parteien. Die Frage ist natürlich dem parteilosen Kandidaten Nino Haase geschuldet, der genau mit einer solchen Forderung wirbt – aber auch der Tatsache, dass bei dieser Wahl eben nicht feststeht, ob ein Kandidat der regierenden Ampel-Koalition aus Grünen, SPD oder FDP den Sieg davon tragen wird. Die Frage, ob sich die Mainzer eine Partei-übergreifenden OB feststellen können, dürfte zu den spannendsten Fragen dieser Wahl gehören.
Spannend wird es aber auch, wenn man alle Fragen beantwortet hat und zur Auswertung kommt – dann nämlich sieht man auf einen Blick, welcher Kandidat welcher These zugestimmt hat, sie ablehnt oder ihr neutrale gegenüber steht – und hier gibt es durchaus Überraschungen: So spricht sich etwa der Grünen-Kandidat Christian Viering mit klarem Nein gegen das Agieren mit wechselnden Mehrheiten durch den OB aus – und auch SPD-Kandidatin Mareike von Jungenfeld steht dem skeptisch gegenüber. Dabei war es einst der legendäre SPD-OB Jockel Fuchs, der genau dieses Modell in Mainz verankert hatte – beim “Mainzer Modell” wurden alle Fraktionen im Stadtrat an der Stadtregierung beteiligt.
Auswertung zeigt eigene Nähe zu den Kandidaten
Interessant ist aber auch, dass weder Viering noch von Jungenfeld landwirtschaftliche Flächen in Mainz schützen wollen, oder dass Viering kostenlose Bürgerhäuser für Vereine ablehnt – von Jungenfeld hat hier “neutral” angegeben. Die SPD-Kandidatin steht zudem einem Ökotech-Cluster, also der Ansiedlung von Firmen, die sich auf Klimaanpassung oder CO2-Reduktion spezialisiert haben, neutral gegenüber – während alle anderen Kandidaten sich dafür aussprechen. Auch sind Viering und von Jungenfeld nicht wie die anderen Kandidaten für Parkhäuser für Anwohnerparken.
Zu jeder These kann der Nutzer zudem Begründungen der Kandidaten nachlesen, und das lohnt durchaus. So steht zwar bei der CDU-Kandidatin Manuela Matz bei der These zu kostenlosem Essen in Kitas und Schulen für jedes Kind erst einmal ein rotes Nein – doch in der Begründung argumentiert Matz dann, kostenlos solle ein solches Essen nur für Kinder aus Familien sein, die Sozialleistungen beziehen – und auch Nino Haase würde lieber die Kosten für Familien deckeln, das Geld für komplett kostenloses Essen aber lieber in die Schulsozialarbeit investieren.
In der Zusammenfassung zeigt der Mainz-O-Mat dann an, welchem der Kandidaten man mit seinen eigenen Antworten am ehesten nahe steht – ein Ranking, das manche Überraschung birgt. Die Kandidatennähe kann man dann nicht nur nachlesen, sondern auch im Nachhinein verändern, indem man andere Antworten wählt – und bei manchen Thesen eine besondere Gewichtung angibt, dann wird die Antwort doppelt gewertet. “Nicht zufrieden mit dem Ergebnis?” heißt es denn auch unter dem Ranking: “Ändere die Antworten oder die Gewichtung!” Für die eigene Wahlentscheidung am 12. Februar 2023 gilt das indes nicht: Diese Stimme kann man im Nachhinein nicht verändern, da heißt es dann: Alea iacta est – die Würfel sind gefallen.
Info& auf Mainz&: Den Mainz-O-Mat zur Oberbürgermeisterwahl am 12. Februar 2023 findet Ihr hier im Internet. Der siebte Kandidat – Lukas Haker von “der Partei” – hat übrigens laut Volt keine Antworten eingereicht. Mehr Informationen über die Kandidaten, Hintergründe zur OB-Wahl und Berichte rund um die Themen findet Ihr hier bei Mainz& in unserem großen OB-Wahl-Dossier.