Die Vorbereitungen für die größte Impfaktion in der Geschichte der Menschheit laufen auf Hochtouren: Bereits ab dem 15. Dezember will Deutschland für die Impfungen gegen Covid-19 gerüstet sein. In Rheinland-Pfalz sollen dafür bis zu 36 Impfzentren entstehen – seit heute ist auch klar, wo das Mainzer Impfzentrum hinkommen soll: In dem alten FH-Gebäude an der Bruchspitze in Mainz-Gonsenheim soll das neue Impfzentrum entstehen. Skepsis gibt es in Gonsenheim in Sachen Verkehr, die Kommunen befürchten Engpässe bei den Ärzten. Derweil hat das Mainzer Unternehmen Biontech die Zulassung seines Corona-Impfstoffs bei der EU beantragt – die Hoffnung auf eine Rückkehr zu einem normalen Leben im Jahr 2021 wächst.

Ein Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus rückt immer näher: Biontech hat nun auch die EU-Zulassung beantragt. - Foto: Biontech
Ein Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus rückt immer näher: Biontech hat nun auch die EU-Zulassung beantragt. – Foto: Biontech

Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Mitten im Teil-Lockdown schürt die Wissenschaft weiter die Hoffnungen auf einen baldigen Durchbruch im Kampf gegen die Corona-Pandemie: Der Mainzer Impfstoff-Hersteller Biontech reichte am Montag gemeinsam mit seiner amerikanischen Partnerfirma Pfizer Antrag bei der EU auf bedingte Marktzulassung ihres mRNA-Impfstoffkandidaten BNT162b2 gegen COVID-19 ein. Damit vervollständige man den am 6. Oktober mit den ersten Daten begonnenen Einreichungsprozess bei der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), teilte Biontech am Dienstag mit.

Der Antrag sei ein „weiterer wichtiger Meilenstein in unseren Bemühungen, diese schwere Krise zu bekämpfen“, sagte Pfizer-CEO Albert Bourla: „Seit dem Beginn dieser Reise wussten wir, dass die Menschen auf einen Impfstoff warten“, die beiden Unternehmen stünden bereit, COVID-19-Impfstoffdosen auszuliefern, sobald die Zulassung erteilt sei. Biontech und Pfizer produzieren ihren Impfstoff bereits seit Wochen auf Vorrat, die Experten gehen von einer 95-prozentigen Wirksamkeit des auf RNA-Baustoffen beruhenden Impfstoffes aus. Die EMA muss nun bewerten, ob die Vorteile des Impfstoffkandidaten zum Schutz gegen COVID-19 mögliche Risiken überwiegt und kann dann eine bedingte Marktzulassung empfehlen.

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Die alte Fachhochschule an der Bruchspitze in Mainz-Gonsenheim soll das Impfzentrum für Mainz werden. - Foto: gik
Die alte Fachhochschule an der Bruchspitze in Mainz-Gonsenheim soll das Impfzentrum für Mainz werden. – Foto: gik

Damit zieht Biontech mit dem Impfstoffhersteller Modena gleich, der ebenfalls am Montag Antrag auf Zulassung bei der EU eingereicht hatte. Alle bisher entwickelten Impfstoffe können nur vorläufig zugelassen werden, da naturgemäß langfristige Erfahrungen noch fehlen. Bei Biontech und Pfizer betont man aber weiter, der Impfstoffkandidat unterliegt auch weiter „den üblichen strengen Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsstandards der EMA“, es würden weiter Daten zur Überprüfung erhoben und den Behörden zur Verfügung gestellt. Die EU hat sich bereits Millionen von Impfdosen von beiden Herstellern für die Bevölkerung in der EU mit Verträgen gesichert.

Damit könnte sich die Hoffnung, dass noch in diesem Jahr die ersten Impfungen stattfinden, tatsächlich erfüllen – wenn die Logistik steht. Ab dem 15. Dezember sollen flächendeckend Impfzentren zur Verfügung stehen, in Rheinland-Pfalz plant das Land den Aufbau von bis zu 36 Impfzentren. Der Landkreis Mainz-Bingen hatte bereits vergangene Woche mitgeteilt, die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Ingelheim werde das Corona-Impfzentrum für den Landkreis Mainz-Bingen.

In diesem Gang der ehemaligen FH soll eine Impfstraße entstehen. - Foto: gik
In diesem Gang der ehemaligen FH soll eine Impfstraße entstehen. – Foto: gik

Man plane zunächst mit einer Impfstraße mit zwei Impflinien für rund 200 Personen am Tag, teilte die Kreisverwaltung mit: Zu Beginn der Impfstraße werde der Besucher in Empfang genommen, durchgecheckt und von einem Arzt aufgeklärt. Durch eine effiziente Raumaufteilung soll es möglich sein, mehrere Personen gleichzeitig zu informieren. Danach gehe es weiter in eine von acht geplanten Impfkabinen, das Impf-Team werde von Kabine zu Kabine wechseln. Die Patienten müssen nach einigen Wochen einer zweite Impfung erhalten, damit der Körper den Impfschutz aufbauen kann, dafür plane man voraussichtlich ab Januar eine dritte Impflinie.

In Mainz lüftete Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Dienstag das Geheimnis um das Mainzer Impfzentrum: In der ehemaligen Fachhochschule an der Bruchspitze in Mainz-Gonsenheim soll das Impfzentrum entstehen. „Wir haben nach reiflicher Überlegung entschieden, dass es ein guter Standort für ein Impfzentrum ist“, sagte Ebling bei der Vorstellung. Das Gebäude sei groß und habe in seinen Hochzeiten eine vierstellige Anzahl von Menschen beherbergt. „Wir haben hier die Möglichkeit, mehrere Impfstraßen einzurichten“, betonte Ebling, dazu sei die frühere FH „verkehrsgünstig perfekt erreichbar“ und mit der Straßenbahn sehr gut angebunden.

Vorstellung des Mainzer Impfzentrums durch den Mainzer OB Michael Ebling (links) sowie den Koordinator von der Mainzer Feuerwehr, Stefan Behrendt. - Foto: gik
Vorstellung des Mainzer Impfzentrums durch den Mainzer OB Michael Ebling (links) sowie den Koordinator von der Mainzer Feuerwehr, Stefan Behrendt. – Foto: gik

Ebling räumte ein, auch das Messegelände in Mainz-Hechtsheim sei in der Überlegung gewesen, der Vorteil der alten Schule sei aber: „Wir sind hier unwetterfest und können die Hygiene gut gewährleisten.“ In dem Impfzentrum sollten „ab Mitte Dezember oder später“ zunächst einmal bis zu 200 Personen geimpft werden können, nach drei bis vier Wochen würden es auch wegen der zweiten Impfung rund 400 Personen pro Tag sein. Der limitierende Faktor dabei sei der Impfstoff, betonte Ebling: Noch ist unklar, wie schnell und in welchen Mengen Impfstoff an die Kommunen ausgeliefert werden kann. „Wir könnten bis zu 1000 Impfungen am Tag hochskalieren“, betonte Ebling, auch sei es möglich, kurzfristig die Kapazitäten an anderer Stelle zu erweitern.

„Das Gebäude ist ideal geeignet, wir können die Personenströme gut leiten“, sagte Brandrat Stefan Behrendt von der Mainzer Feuerwehr, als organisatorischer Leiter zuständig für das Impfzentrum. Am Eingang werde es ein Fieberscreening für jeden Besucher geben, danach einen Wartebereich sowie Beratungsräume und Räume für die Gruppenaufklärung. Die Impfstraße könne gut mit den ehemaligen Klassenräumen rechts und links des Gangs eingerichtet werden, so dass zehn „Impfkabinen“ entstünden. „Wir haben hier eine komplette Infrastruktur mit Strom, Wasser und Glasfaseranschluss fürs Internet“, betonte Behrendt, das ermögliche es, in kurzer Zeit ein Impfzentrum hochzuziehen.

Die ehemalige FH war zwischenzeitlich auch Zuhause der Peter-Jordan-Schule. - Foto: gik
Die ehemalige FH war zwischenzeitlich auch Zuhause der Peter-Jordan-Schule. – Foto: gik

Im Stadtteil Mainz-Gonsenheim gibt es aber auch Bedenken gegen den Standort: „Bei 200 Personen am Tag sehr ich da keine Probleme“, sagte Ortsvorsteherin Sabine Flegel (CDU), bei 1000 Personen pro Tag sehe das aber schon anders aus. Die Straße „An der Bruchspitze“ sei eine enge Straße mit einer unübersichtlichen Verkehrssituation aus Straßenbahn, Radweg und mehreren Fußgängerampeln, das Impfzentrum liege direkt neben mehreren Schulen. Die Straßenbahnen seien „ja jetzt morgens schon rappelvoll“, sagte Flegel im Gespräch mit Mainz&, die Besucher des Impfzentrums würden „ja noch on top kommen.“

„Die große Masse der Besucher wird mit dem Auto kommen“, warnte Flegel, das werde bei 1000 Besuchern pro Tag an dieser Stelle weder verkehrlich noch mit Parkplätzen zu stemmen sein. „Wir wissen seit Wochen, dass die Stadt Mainz etwas vorschlagen muss“, kritisierte Flegel, „ein großer Wurf ist das für mich nicht.“ Würden weniger Besucher pro Tag geimpft, werde es Monate dauern, ganz Mainz durch zu impfen, befürchtete sie.

Ebling hingegen betonte, die Impfungen würden nur mit Terminvergabe über eine Landesstelle erfolgen, „man kann hier nicht einfach am Tor klopfen.“ Das barrierefreie Gelände sei zudem bereits umzäunt und damit auch für einen Sicherheitsdienst gut gegen unbefugten Zutritt abzusichern. Doch dann wäre da noch die Frage des Personals: In den Kommunen wächst die Sorge, ob genügend Ärzte zur Durchführung der Impfungen zur Verfügung stehen werden. Pro Impfstraße würden vom Land zwei Ärzte gestellt, sagte Behrendt, insgesamt könnten in dem Impfzentrum so in Hochzeiten acht bis zehn Ärzte gleichzeitig benötigt werden.

Arzt in der Corona-Ambulanz in der Turnhalle in Mainz-Mombach während der Hochphase der Corona-Pandemie. - Foto: gik
Arzt in der Corona-Ambulanz in der Turnhalle in Mainz-Mombach während der Hochphase der Corona-Pandemie. – Foto: gik

Zuständig für die Bereitstellung der Ärzte ist in erster Linie die Kassenärztliche Vereinigung des Landes Rheinland-Pfalz, die Mediziner werden für die Aufklärung und Beratung der Patienten vor der Impfung, aber auch für die medizinische Sicherheit gebraucht. Der Aufbau der Impfzentren sei „eine enorme logistische, personelle und ressourcenmäßige Herausforderung“, heißt es beim Mainzer Gesundheitsministerium. Das Land sei aber „in guten Gesprächen“ mit der KV, die dabei stets betont habe, man sei sicher, bis zum avisierten Start der Impfzentren ab dem 15. Dezember ausreichend viele Mediziner zur Verfügung stellen zu können, sagte ein Ministeriumssprecher Mainz&. Dazu sollten auch Ärzte im Ruhestand angesprochen werden, manche hätten sich auch bereits von sich aus gemeldet.

Die KV habe aber schon die Corona-Ambulanzen kaum unterstützt, sagte Ebling der Deutschen Presse Agentur, die Skepsis gegenüber der KV sei deshalb groß. Bei der KV betonte man derweil, voraussichtlich in der zweiten Wochenhälfte werde es „einen großen Aufruf an alle Ärzte geben, sich für Impfzentren zur Verfügung zu stellen“, sagte KV-Sprecher Rainer Saurwein gegenüber Mainz&. Bei 18.000 Ärzten im Land „sind wir da recht optimistisch, dass es genügend Ärzte gibt, die diese Zentren besetzen“, fügte er hinzu.

Mainz setzt auf den innovativen Corona-Impfstoff der Mainzer Firma Biontech. - Foto: Biontech
Mainz setzt auf den innovativen Corona-Impfstoff der Mainzer Firma Biontech. – Foto: Biontech

Neben den Ärzten wird aber auch noch ein Apotheker oder eine pharmazeutische Hilfskraft zum Umgang mit dem Impfstoff benötigt, ferner Verwaltungspersonal sowie Mitarbeiter für Empfang, Reinigung und sonstige Dienstleistungen – letzteres müssen die Kommunen zur Verfügung stellen. „Wir rechnen mit 30 Mitarbeitern, die wir brauchen“, sagte Behrendt . Ebling betonte, die Stadt Mainz sei in der Lage, das Unterstützungspersonal zu stellen, man könne sonst auch kurzfristig Kräfte anwerben.

Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden teilte am Dienstag bereits offiziell mit, man suche ab sofort medizinisches Fachpersonal für das Corona-Impfzentrum der Stadt, das im Congress-Centrum eingerichtet wird. Hier sollen pro Tag bis zu 1.500 Wiesbadener geimpft werden können, Bewerbungen nehme die Stadt ab sofort per Email entgegen, Informationen dazu gibt es hier im Internet. Gesucht werden Humanmediziner, Apotheker, medizinische Fachangestellte, medizinisch- und pharmazeutisch-technische Assistenten (MTAs und PTAs) sowie operations- und anästhesie-technische Assistenten (OTAs und ATAs). Auch Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Personen mit einer vergleichbaren dreijährigen Ausbildung mit medizinischer Qualifikation können sich bewerben, ebenso Notfallsanitäter, Kinderkrankenschwestern und Hebammen.

Das medizinische Fachpersonal werde „eine der Aufgabe und Bedeutung angemessene Vergütung erhalten“, heißt es in Wiesbaden weiter. Gearbeitet werde abwechselnd im Schichtsystem zwischen 6,.30 Uhr und 22.30 Uhr, und zwar montags bis sonntags – in Mainz soll von montags bis samstags, nicht jedoch am Sonntag geimpft werden. Während in Wiesbaden der Einsatz zunächst bis zum 30. April 2021 befristet ist, rechnet man in Mainz eher mit einem Jahr und sogar länger: „Wir gehen davon aus, dass wir dieses Impfzentrum lange haben werden“, sagte Behrendt.

Welcher Impfstoff hier genau geimpft werde, wisse er aber nicht, sagte Ebling weiter: Es werde jeder Impfstoff verarbeitet, der verfügbar sei. Die Erwartung in Mainz sei aber schon, dass es der Impfstoff der Mainzer Firma Biontech sei, der als erster in Mainz verfügbar sei und genutzt werde, fügte Ebling hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zu dem Impfstoff von Biontech und wie RNA-Impfstoffe funktionieren, lest Ihr hier bei Mainz&.

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