Das dürfte Schwung in den Bundestagswahlkampf in Mainz bringen: Der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert kandidiert für den Deutschen Bundestag. Trabert tritt als Direktkandidat im Wahlkreis Mainz an – und zwar für die Mainzer Linke. Die präsentierte stolz am Samstag ihren Coup am Rande ihres Parteitags. Trabert habe die Einladung der Linken angenommen, für sie zu kandidieren, er sei der richtige Kandidat zur richtigen Zeit, betonte der Mainzer Linksfraktionschef Tupac Orellana: „Gerhard Trabert redet nicht nur von sozialer Gerechtigkeit, er lebt sie auch.“ Trabert selbst sagte, er sehe in seiner Kandidatur die Chance, die Themen, für die er sich seit Jahrzehnten einsetze, im Wahlkampf voran zu treiben. Er werde aber parteilos bleiben, betonte er.

Als "Straßen-Doc" wurde der Mainzer Arzt und Sozialmediziner Gerhard Trabert bekannt. - Foto: gik
Als „Straßen-Doc“ wurde der Mainzer Arzt und Sozialmediziner Gerhard Trabert bekannt. – Foto: gik

Der 64 Jahre alte Trabert gehört zu den bekanntesten Köpfen im Raum Mainz und wurde mit seinem Engagement für Obdachlose und Flüchtlinge weit über die Grenzen von Mainz hinaus bekannt. Trabert studierte zuerst Sozialarbeit und danach Medizin, seit 2009 ist er Professor für Sozialmedizin in Wiesbaden. Bekannt wurde er aber vor allem mit seinen sozialen Projekten: 1997 gründete er den Verein „Armut und Gesundheit“ und fuhr als erster in Deutschland mit einem „Arztmobil“ zu den Obdachlosen auf den Straßen – „Straßen-Doc“ nennen sie ihn liebevoll.

Traberts rollende Ambulanz, mit der er bis heute persönlich unterwegs ist, wurde bundesweit zum Vorbildmodell, der Verein „Armut und Gesundheit“ betreibt heute auch eine Ambulanz für Flüchtlinge und setzt sich dafür ein, Menschen zurück in das öffentlichen Krankenkassensystem zu bringen. Seit Jahren reist Trabert zudem in die Flüchtlingsgebiete der Welt, um Menschen in Lagern und Krisengebieten medizinisch zu versorgen. Der Einsatz im Kurdengebiet im Norden von Syrien ist ihm ein Herzensanliegen, bundesweite Aufmerksamkeit bekam Trabert zudem im September 2020 mit seinem Einsatz für die Menschen in dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos.

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Erklärte am Samstag seine Kandidatur für den Bundestag: Gerhard Trabert (links) mit Linken-Fraktionschef Tupac Orellana., - Foto: gik
Erklärte am Samstag seine Kandidatur für den Bundestag: Gerhard Trabert (links) mit Linken-Fraktionschef Tupac Orellana., – Foto: gik

Dass er sich nun entschlossen habe, für den Bundestag zu kandidieren, sei eine Folge dieses Engagements, sagte Trabert am Samstag in Mainz: „Ich bin den Menschen, für die ich mich engagiere, verpflichtet, diesen Schritt zu gehen“, sagte er auf einer Pressekonferenz. Der Schritt sei ihm nicht leicht gefallen, betonte Trabert, „ich wollte mir immer die Autonomie bewahren.“ Er sehe durchaus die Gefahr, nun in eine Schublade gepackt zu werden, „es weiß aber ja jeder, dass ich auch den Grünen nahestehe, und ich finde auch Teile der sozialdemokratischen Partei sympathisch“, betonte Trabert. Er werde deshalb auch bei seiner Kandidatur für den Bundestag parteilos bleiben.

Er sehe aber in seiner Kandidatur „eine Chance, die Themen die für mich und weitestgehend eben auch für die Linke essentiell sind, auf eine andere Art und Weise in diesem Bundestagswahlkampf zu thematisieren, und auch ein Stück weit zu polarisieren“, sagte Trabert: „Ich will deutlich machen, was läuft in diesem Land aus meiner Sicht und aus Sicht der Linken falsch.“ Es gehe ihm um die Themen, wie die Gesellschaft mit sozialer Ungerechtigkeit und sozialer Benachteiligung umgehe, und wie mit geflüchteten Menschen.

Einsatz für Obdachlose auf den Straßen von Mainz: Gerhard Trabert. - Foto: gik
Einsatz für Obdachlose auf den Straßen von Mainz: Gerhard Trabert. – Foto: gik

„Gerade die Pandemie hat noch einmal deutlich gezeigt, dass benachteiligte Menschen im Fokus stehen, obwohl sie besonders betroffen sind“, betonte Trabert. Das Virus habe eben nicht alle gleich getroffen, sondern benachteiligte Menschen und Geflüchtete besonders hart. „Wir brauchen ein Umdenken“, forderte Trabert. Er plädiere für eine Bürgerversicherung und eine Abkehr von der Privatisierung des Gesundheitssystems, Sehhilfen müssten dringend wieder von den Krankenkassen übernommen werden.

Gerade beim Thema Geflüchtete „versagt Deutschland, versagt Europa“, unterstrich Trabert, und kündigte an: Er werde mitten in der heißen Wahlkampfphase im Juli und August im Mittelmeer bei der Flüchtlingsrettung unterwegs sein. „Ich bin für den Einsatz auf einem Rescue Ship vorgesehen“, sagte Trabert, „ich werden da auch im Wahlkampf hinfahren, nicht weil Wahlkampf ist, sondern weil das schon geplant ist und ich das immer mache.“ Bereits 2015 war Trabert mit der Sea Watch im Mittelmeer unterwegs gewesen, und hatte danach von den unglaublichen Szenen auf dem Mittelmeer berichtet.  Er wolle nun auch im Wahlkampf „die systematische Verletzung von Menschenrechten in Europa“ sowie strukturelle Ungerechtigkeiten aufzeigen, „und damit die andere politischen Vertreter konfrontieren.“

Trabert beim Einsatz im zerstörten Kurdengebiet in Nordsyrien. - Foto: Trabert
Trabert beim Einsatz im zerstörten Kurdengebiet in Nordsyrien. – Foto: Trabert

Die Linke freue sich sehr, dass Trabert das Angebot zur Direktkandidatur angenommen habe, betonte der Vorstand der Mainzer Linken einhellig – Trabert wurde mit 33 von 33 Stimmen auf dem Parteitag am Samstag, und damit mit 100 Prozent gewählt. „Wir werden gemeinsam eine Kampagne gestalten, die den Fokus auf soziale Fragen richtet – gerade in der Coronakrise ist das besonders wichtig“, sagte Kreisvorstandssprecher Hendrik Barka Laufer. Der Linken sei es wichtig, die sozialen Themen „so gut wie möglich in die Öffentlichkeit zu tragen“, dazu habe man sich „niemand besseren vorstellen können“ als Trabert.

Der Mainzer Sozialmediziner habe „ein gigantisches Wirkungsfeld“ und genieße parteiübergreifend großen Respekt und große Akzeptanz, sagte der Mainzer Linksfraktionschef Tupac Orellana. Der Name Trabert sei in Mainz und weit darüber hinaus bekannt und stehe für bestimmte Dinge, „niemand bezweifelt ernsthaft die Authentizität von Gerhard Trabert“, unterstrich er weiter: „Die Partei kann hier guten Gewissens die Kandidatur an einen Parteilosen abtreten, weil sie weiß, dass die Themen bei ihm in guten Händen sind.“ Trabert sei eben kein klassischer Politiker, „er redet nicht nur von sozialer Gerechtigkeit, er lebt sie auch“, lobte Orellana: „Diese Bereitschaft, mit Herz und Seele sich den Menschen zu widmen, die Hilfe brauchen, ist im Bundestag nicht besonders stark vertreten.“

2015 berichtete Trabert von seinem ersten Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer auf der Sea Watch. - Foto: gik
2015 berichtete Trabert von seinem ersten Einsatz zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer auf der Sea Watch. – Foto: gik

Für die Mainzer Linke ist die Kandidatur Traberts denn auch ein Coup, der die bislang eher im niedrigen Zustimmungsspektrum agierende Linke auf einen Schlag bekannt machen dürfte – bei der Landtagswahl im März kam die Linke gerade einmal auf 2,5 Prozent landesweit. Laufer sagte denn auch, die Linke glaube, dass Trabert gute Chancen habe,  das Direktmandat auch als parteiloser Kandidat zu holen, und Orellana betonte: „Wenn jemand, eine Chance hat, den Wahlkreis von der CDU zu erobern, dann ist es Gerhard Trabert.“

Die CDU hatte bei den vergangenen Bundestagswahlen stets das Direktmandat für den Bezirk Mainz-Rheinhessen errungen , zunächst mit der Klein-Winternheimer Bürgermeisterin Ute Granold, zuletzt mit der Mainz-Hechtsheimerin Ursula Groden-Kranich. Für die Grünen tritt erneut die langjährige Mainzerin Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner an, die SPD nominierte jüngst den weithin unbekannten Nachwuchspolitiker Daniel Baldy. Das Rennen um das Direktmandat im „Das Rennen um das Direktmandat im Wahlkreis Mainz, sagte Laufer am Samstag noch, „ist heute nochmal deutlich spannender geworden.“

Info& auf Mainz&: Über Gerhard Trabert und seine Aktivitäten haben wir bei Mainz& vielfach berichtet, so etwa, als er im September 2019 vor einer türkischen Invasion im kurdischen Kobane warnte, oder von seinem Einsatz für Flüchtlinge im Mittelmeer berichtete. Im Herbst 2020 berichtete Trabert gegenüber Mainz& von seinem Besuch in Moria – ein Portrait des Obdachlosenarztes lest Ihr hier bei Mainz&.