Die durch den Bund erlassene Corona-Notbremse bringt Mainz nun wieder die nächtliche Ausgangssperre zurück: Ab Samstag darf wieder zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens das Haus verlassen, wer zur Arbeit muss, einen medizinischen Notfall hat oder den Hund ausführt – und das obwohl das Verwaltungsgericht Mainz gerade erst die Ausgangssperre gekippt hatte. Weil aber Bundesrecht Landesrecht bricht, kommt nun die Ausgangssperre zurück. Weitere Auswirkungen der Bundes-Notbremse: Ab Montag schließen nun auch die Grundschulen in Mainz, die Kitas gehen in den Notbetrieb und im Einzelhandel ist nur noch Click & Collect erlaubt. Zum Friseur geht es ab sofort nur noch mit Test, private Zusammenkünfte sind weiter stark eingeschränkt.
Am Mittwoch hatte der Bundestag nach wochenlangen Verhandlungen zwischen den Fraktionen die Bundes-Notbremse verabschiedet, am Donnerstag hatten im Bundesrat auch die Länder zugestimmt, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier anschließend das neue Infektionsschutzgesetz unterzeichnet. Erstmals zieht damit der Bund Eingriffe in die Hoheit der Länder an sich, um eine einheitlichere und stringentere Corona-Bekämpfung zu ermöglichen. Damit aber greift der Bund auch erstmals in das vornehmste Recht der Länder ein: die Bildungspolitik.
Die neue Bundes-Notbremse schreibt nun vor, dass ab einer Sieben-Tages-Inzidenz von 165 die Schulen geschlossen werden müssen, und die Schulen in den Fernunterricht gehen müssen – bislang war genau dieser Punkt in den Ländern höchst unterschiedliche gehandhabt worden. Rheinland-Pfalz etwa hatte sich über Monate geweigert, seine Schulen zu schließen, in Mainz waren selbst bei einer Inzidenz über 200 noch die Grundschulen und Kitas geöffnet – das hatte immer wieder für heftige Proteste von Lehrern und Erzieherinnen gesorgt. Die Bundes-Notbremse ist deshalb auch die Konsequenz aus dem uneinheitlichen Vorgehen der Länder, die sich oft auch nicht an die von ihnen selbst in der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bund getroffenen Regeln gehalten hatten. Auch Rheinland-Pfalz gehörte zu den Ländern, die gerade in der Bildungspolitik eigene Wege gingen.
Nun verfügt der Bund: Überschreitet ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt drei Tage hintereinander die Inzidenz von 165, müssen die Schulen in den Fernunterricht gehen, und die Kitas schließen. Der Inzidenzwert von 165 entstand dabei schlicht in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern – eine wissenschaftliche Begründung für ihn gibt es nicht. Die Experten des Robert-Koch-Instituts hatten ursprünglich Schulschließungen schon ab einer Inzidenz von 50 empfohlen, Virologen zufolge sollten sie spätestens ab einer 100er-Inzidenz umgesetzt werden.
In Mainz liegt die Sieben-Tages-Inzidenz weiter deutlich über 165, am Freitag meldete das Gesundheitsamt eine Inzidenz von 187 – erstmals sank die Inzidenz damit weit unter die 200. Doch das nützt der Stadt nichts, weil nun als neue Schwelle die 165 im Bildungsbereich, und von 100 für alle anderen Bereiche gilt. In der Konsequenz ist nun ab Montag in allen Schulen Präsenzunterricht untersagt, Ausnahmen können nur für Abschlussklassen und Förderschulen gemacht werden. Der Regelbetrieb in den Kitas wird eingestellt, allerdings gibt es eine Notbetreuung – und deren Regelungen sind ausgesprochen großzügig: Eltern, die beide berufstätig sind, Alleinerziehende, aber auch Eltern, die die Betreuung „nicht auf andere Weise sicherstellen können“ dürfen ihre Kinder weiter in die Kitas bringen.
Der Fachverband der Kita-Kräfte hatte bereits am Donnerstag in einer Stellungnahme gewarnt, eine erweiterte Notbetreuung verfehle den Sinn der Kontaktreduzierung, das Land müsse unbedingt klare Vorgaben machen, wer seine Kinder bringen dürfe und wer nicht – „sonst machen wir den gleichen Murks weiter“, kritisierte die Verbandsvorsitzende Claudia Theobald im Gespräch mit Mainz&. Vom Land hieß es nun aber lediglich: Der Bedarf für eine Notbetreuung sei von den Eltern „glaubhaft darzulegen, ein schriftlicher Nachweis ist nicht erforderlich.“ Die Eltern würden aber „dringend gebeten, ihre Kinder wann immer möglich zu Hause zu betreuen.“
Dazu gelten ab Samstag weiter die scharfen Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die in Mainz bereits seit dem 1. April gelten. Danach ist ab einer Inzidenz von drei Tagen in Folge über 100 das Treffen außerhalb des eigenen Hausstands nur mit einer weiteren Person erlaubt, Kinder unter 14 Jahren werden nicht mitgerechnet. Die Geschäfte des Einzelhandels müssen weiter geschlossen bleiben, erlaubt ist nur noch Click & Collect, also das Bestellen und die kontaktfreie Abholung am Geschäft – Terminshopping ist gestrichen. Davon ausgenommen sind Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, Gartenmärkte und Großhandel. Auch die Gastronomie darf weiter nur Lieferdienste und Abholung anbieten.
Körpernahe Dienstleistungen sind nur zu medizinischen Zwecken erlaubt, für den Friseurbesuch oder die Fußpflege braucht man einen tagesaktuellen negativen Corona-Test. Sport geht weiter nur im Freien, und zwar alleine oder zu zweit, Kinder bis 14 Jahre können aber draußen in einer Gruppe mit bis zu fünf anderen Kindern kontaktfrei Sport machen.
In Mainz gilt zudem weiter eine Maskenpflicht in den Fußgängerzonen der Altstadt sowie auf dem Bahnhofsvorplatz, und zwar hier von 8.00 bis 18.00 Uhr, außer an Sonntagen und Feiertagen. Das beschloss die Stadt Mainz zusätzlich zur Bundes-Notbremse – und verlängerte trotz scharfer Kritik auch die Maskenpflicht entlang des gesamten Rheinufers. Von der Auffahrt zur Eisenbahnbrücke Süd am Victor-Hugo-Ufer bis hin zur Drehbrücke am Zollhafen am Ende der Taunusstraße gilt damit weiter von 12.00 bis 21.00 Uhr an allen Tagen eine Pflicht zum Tragen einer medizinischen oder FFP2-Maske. Die Stadt kündigte zudem verschärfte Kontrollen der Maskenpflicht am kommenden Wochenende an, gerade auch an der Rheinfront.
Die einschneidendste Maßnahme – neben dem Bildungsbereich – ist aber die Rückkehr der Ausgangssperre: Am Samstag gilt die Ausgangssperre nun zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens, das eigene Haus verlassen darf dann nur, wer einen triftigen Grund hat – die genauen Bestimmungen lest Ihr unten. Einzige Ausnahme: Zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr darf man sich nun noch zum Spazierengehen oder Joggen draußen bewegen, aber nur allein und nicht in Sportanlagen.
Dabei hatte das Verwaltungsgericht Mainz am 15. April die damals durch Landesrecht erlassene nächtliche Ausgangssperre als rechtswidrig gekippt: Die Richter nannten die Maßnahme unverhältnismäßig, der Gesetzgeber müsse genau begründen inwiefern eine solche Ausgangssperre zur Eindämmung der Pandemie beitrage, das habe er nicht getan. Bei der Bundesregierung heißt es nun zur Begründung der nächtlichen Ausgangsbeschränkung, diese seien „ein Instrument unter vielen anderen“, trügen vor allem aber dazu bei, dass Mobilität begrenzt werde. „Und Einschränkungen der Mobilität helfen, die Zahl der Neuinfektionen zu senken.“
Forscher der Uni Gießen hatten hingegen just in einer diese Woche veröffentlichten Studie das Gegenteil festgestellt: Danach trugen die Ausgangssperren in Hessen überhaupt nicht zur Begrenzung der Mobilität bei – und damit nach Einschätzung der Forscher auch nicht zur Eindämmung des Pandemiegeschehens. Das gelte unter anderem deswegen, weil es kaum nächtliche Mobilität gebe, konstatierten die Forscher: Laut Zahlende des Mobilitätsmonitors des RKI betrug im März der Anteil der nächtlichen Mobilität in Deutschland ganze sieben Prozent. Weil nun aber Bundesrecht Landesrecht bricht, gilt die Ausgangssperre des Bundes nun auch in Mainz – die Stadt Mainz teilte auf Mainz&-Anfrage mit, man werde nun auch die Beschwerde der Stadt gegen das Gerichtsurteil vor dem Oberverwaltungsgericht nicht weiterverfolgen.
Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz lehnte denn auch am Freitag einen Eilantrag der AfD gegen die Ausgangssperre ab: Die AfD hatte gegen die alte Beschränkung durch die Landesverordnung geklagt, das Gericht verwies darauf, dass die aber „nur noch Stunden“ gelte – eine inhaltliche Wertung traf das Gericht explizit nicht. FDP und Freie Wähler haben derweil bereits angekündigt, gegen die Bundesregelung der Ausgangssperre vor Bundesgerichten zu klagen. Bis dahin aber gilt die neue Ausgangssperre bundesweit, sobald die Sieben-Tages-Inzidenz von 100 an drei Tagen in Folge überschritten ist. Auch die Stadt Wiesbaden kündigte am Freitag an, weil man stabil über der Inzidenz von 100 liege, greife die Notbremse ab Samstag auch im Stadtgebiet Wiesbaden, das gleiche gilt für den Landkreis Mainz-Bingen – auch hier gilt überall ab Samstag die nächtliche Ausgangssperre.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Streit um die nächtliche Ausgangssperre lest Ihr hier bei Mainz&, die Studie der Universität Gießen könnt Ihr hier nachlesen. Informationen des Bundes zur neuen Bundes-Notbremse findet Ihr hier im Internet. Das Land Rheinland-Pfalz hat inzwischen seine Corona-Verordnung auch überarbeitet und den Bundesregeln angepasst – alle Einzelheiten dazu findet Ihr hier im Internet.
Und hier die genaue Regelung des Bundes-Infektionsschutzgesetzes zur nächtlichen Ausgangssperre, das Ihr als Ganzes hier herunterladen könnt:
„Der Aufenthalt von Personen außerhalb einer Wohnung oder einer Unterkunft und dem jeweils dazugehörigen befriedeten Besitztum ist von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr des Folgetags untersagt; dies gilt nicht für Aufenthalte, die folgenden Zwecken dienen:
a) der Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum, insbesondere eines medizinischen oder veterinärmedizinischen Notfalls oder anderer medizinisch unaufschiebbarer Behandlungen,
b) der Berufsausübung im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit diese nicht gesondert eingeschränkt ist, der Ausübung des Dienstes oder des Mandats, der Berichterstattung durch Vertreterinnen und Vertreter von Presse, Rundfunk, Film und anderer Medien,
c) der Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts,
d) der unaufschiebbaren Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder Minderjähriger oder der Begleitung Sterbender,
e) der Versorgung von Tieren,
f) aus ähnlich gewichtigen und unabweisbaren Zwecken oder
g) zwischen 22.00 und 24.00 Uhr der im Freien stattfindenden allein ausgeübten körperlichen Bewegung, nicht jedoch in Sportanlagen.“