UPDATE& — In Deutschland rollt eine neue Herbstwelle, und die trifft durchaus auch Mainz: Kurz nach den großen Volksfesten wie Oktoberfest und Cannstatter Wasn haben sich die Corona-Infektionen im Südwesten der Republik vervielfacht. Das Landesuntersuchungsamt meldete in dieser Woche allein für Rheinland-Pfalz fast 800 neue Corona-Infektionen und 271 neue Krankenhausaufnahmen wegen Covid-19, die Krankenkasse IKK Südwest eine Verfünffachung der Krankschreibungen binnen weniger Wochen. Die neue Coronawelle rollt, die jüngste Omikron-Variante gilt als hochansteckend – und die Betroffenen liegen bis zu zwei Wochen im Bett.
Deutschland ist fest im Griff einer neuen Coronawelle – aber niemand will es hören. Dabei steigt der Krankenstand wegen einer Corona-Infektion bereits seit einigen Wochen deutlich an, wie jetzt die Krankenkasse IKK Südwest meldete: Allein für Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland seien in den vergangenen Wochen mehr als 26.000 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) bei der IKK Südwest eingegangen. Das habe eine Auswertung der IKK Südwest unter ihren Versicherten ergeben.
Habe die Gesamtzahl der Krankschreibungen Mitte August noch bei rund 18.000 gelegen, so seien die Zahlen seither um mehr als 40 Prozent gestiegen. „Besonders stark steigt der Anteil der Arbeitsausfälle, die auf eine Infektion mit dem Coronavirus zurückgehen“, betonte die Krankenkasse weiter: Deren Anzahl habe sich in den vergangen sechs Wochen nahezu verfünffacht. „Waren es Mitte August rund 120 Krankschreibungen innerhalb einer Woche, die auf einer Infektion mit dem Coronavirus basierten, ist die Zahl inzwischen auf mehr als 600 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gestiegen“, so die IKK Südwest Anfang Oktober.
Hoher Krankenstand: „Infektionszeit bereits in vollem Gange“
„Das derzeit gute Wetter mit spätsommerlichen Temperaturen darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Infektionszeit bereits in vollem Gange ist“, warnte IKK-Vorstand Jörg Loth. Der hohe Krankenstand werde die Betriebe in der Region in den kommenden Monaten bei gleichzeitigem Personalmangel umso stärker belasten, „das müssen wir im Auge behalten“, betonte Loth: „Der rasche Anstieg bei den Corona-Krankschreibungen zeigt, wie schnell sich das Virus ausbreitet.“
Nach Einschätzung des Krankenkassenvorstands könnten „teils sehr heftige Infektionswellen durch Covid-19 und durch andere Atemwegserkrankungen“, wie sie im Winter 2022 vorkamen, „können uns auch in diesem Jahr treffen“, sagte Loth weiter: „Daher appellieren wir zum Beginn der kalten Jahreszeit an alle Menschen, dass sie Hygienemaßnahmen, wie regelmäßiges Händewaschen, wieder stärker in ihrem Alltag berücksichtigen. Die Eigenverantwortung und das Bewusstsein sich selbst und andere zu schützen, spielen hierbei eine entscheidende Rolle.“
Doch ein Großteil der Bevölkerung sowie der Politik will offenbar von Corona nichts mehr wissen – selbst der bekannte Virologe Christian Drosten verkündete vollmundig vor ein paar Wochen in einem Zeitungsinterview, er werde in diesem Winter keine Maske mehr tragen. IKK Südwest-Vorstand Loth mahnte hingegen, es werde nun wieder wichtig, auf Hygienemaßnahmen zu achten, die das Ansteckungsrisiko verringerten – wie etwa Händewaschen, häufiges Lüften und ausreichendes Trinken. Nachweislich reduziert auch eine FFP2-Maske vor einer Ansteckung mit Viren, wie mehrere Studien gezeigt haben.
Pandemie-Radar: steigende Zahlen bei Krankenhauseinweisungen
Für gesunde Menschen seien zwar „häufig Infektionen mit dem Coronavirus nicht lebensbedrohlich – bei älteren Menschen oder Personen mit einer chronischen Erkrankung ist der Schutz vor einer Ansteckung aber umso wichtiger“, betonte Loth weiter. Jeder Schutz vor einer Infektion schütze deshalb automatisch auch Risikogruppen vor einer Ansteckung und einem schweren Krankheitsverlauf, mahnte der Medizinprofessor.
Das Problem: In Deutschland wird kaum noch auf das Coronavirus getestet, gerade PCR-Tests werden so gut wie überhaupt nicht mehr durchgeführt – dabei fließen nur die Zahlen der PCR-Tests in die offiziellen Coronazahlen ein. So meldete das Landesuntersuchungsamt (LUA) vergangene Woche zwar einen Anstieg von 491 neuen Coronainfektionen binnen einer Woche – zugleich aber ein Absinken der Corona-Inzidenz auf 10,7 Fälle pro 100.000 Einwohner. In dieser Woche stieg die Zahl der Neuinfektionen nun bereits auf 799, das ist fast eine Verdoppelung der Fälle binnen einer Woche. Die Zahl der realen Fälle dürfte weit höher liegen, Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.
Aussagekräftiger werden daher inzwischen andere Zahlen: So verzeichnete das LUA allein für Rheinland-Pfalz in der ersten Oktoberwoche 25 neue Krankenhausaufnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 – in dieser Woche waren es bereits 271. Damit stieg die Sieben-Tages-Hospitalisierungsinzidenz von 2,27 auf 3,60 Fälle pro 100.000 Einwohner. Beim Pandemieradar des Robert-Koch-Instituts hatte die Hospitalisierungs-Inzidenz füpr Rheinland-Pfalz bereits zuvor bei 3,4 Covid-19-Fällen pro Woche und 100.000 Einwohnern gelegen – das war ein satter Anstieg von 141 Prozent. Auch die Krankenhauseinweisungen wegen schwerer Atemwegserkrankungen stiegen im Pandemieradar um 38 Prozent im Vergleich zur Vorwoche, und es waren 42 Prozent Intensivbetten mehr belegt als eine Woche zuvor.
Corona-Viruslast im Abwasser von Kläranlagen steigt deutlich an
Interessant ist hierbei auch die Untersuchung der Covid-Viruslast im Abwasser von Kläranlagen bundesweit: Der Anteil der Standorte mit steigender Corona-Viruslast im Abwasser lag diese Woche bei 57 Prozent, und damit um zehn Prozentpunkte höher als in der Vorwoche. Die sogenannte „Abwassersurveillance auf Sars-CoV-2“ war im Herbst 2022 bundesweit gestartet worden und sollte auf insgesamt 175 Kläranlagen ausgedehnt werden. Wissenschaftler hatten schon lange Verfahren etabliert, mit denen ein An- und Absteigen der Virenbelastung durch Sars-CoV-2 aber auch anderer Viren im Abwasser klar nachgewiesen werden kann.
Andere Länder wie Österreich etwa hatten darauf schon zu Beginn der Corona-Pandemie Vorwarnsysteme für neue Coronawellen etabliert – auch für Deutschland sollte dieses Frühwarnsystem nun aufgebaut werden. Trotzdem heißt es auch jetzt, im Oktober 2023, noch immer beim RKI: „Die Auswahl an Standorten ist bisher nicht repräsentativ für Deutschland.“ Benutzt werden derzeit Daten aus 78 Kläranlagen bundesweit, seit Ende Juni 2023 sei „insgesamt ein ansteigender Trend zu beobachten“, heißt es lapidar im aktuellen Wochenbericht des RKI. In der 40. KW 2023 hätten Daten aus 25 Standorten vorgelegen, bei denen 16 Standorte einen steigenden Trend aufwiesen.
Eine Vorhersage lasse sich aus den Zahlen nicht ableiten, heißt es beim RKI weiter – dabei wurde die Abwasser-Surveillance eigens dafür aufgebaut. Und auch die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht die Abwasser-Überwachung als effektives und sicheres Mittel, Corona-Ausbrüche zu entdecken, und so „frühe Warnungen auszusprechen, und den Behörden die Gelegenheit zu geben, frühzeitig Vorsorgemaßnahmen zu treffen.“ Umgesetzt wird das in Deutschland bis heute nicht, dabei hatte auch der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) 2022 geschwärmt, das Projekt könne als „Früh- und Entwarnungssystem für die Wellen der Pandemie“ dienen. Warnungen vor Coronawellen wurden derweil im Jahr 2023 komplett eingestellt, Wochenberichte sind praktisch nur noch für Experten verständlich.
Neue Herbstwelle ausgelöst durch Oktoberfest und Volksfeste
Derweil schlittert die Republik in eine neue Corona-Herbstwelle, ausgelöst von den beiden jüngsten Omikron-Variante „Eris“ sowie „Pirola“. Beide Varianten gelten als hochansteckend, „Eris (EG.5) könnte laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wieder für mehr Fälle sorgen oder sogar weltweit dominant werden, wie der ADAC erklärt. Nach derzeitigen Erkenntnissen sei bei Eris „nicht von einer größeren Krankheitsschwere als bei anderen Varianten auszugehen“ – das heißt nicht, dass Eris eine leichte Erkältung ist: Betroffene berichten weiterhin über Symptome wie hohes Fieber, heftige Gliederschmerzen, massiven Husten, laufende Nase und große Abgeschlafftheit. Ärzten zufolge beträgt die übliche Erkrankungsdauer rund zwei Wochen.
Dazu kommt eine neue Corona-Variante mit dem Namen „Pirola“ (BA.2.86), die bereits in verschiedenen Ländern aufgetaucht sei und Mitte September erstmals auch in Deutschland nachgewiesen wurde, wie es beim ADAC weiter heißt. „Manche Wissenschaftler fühlen sich bei BA.2.86 an die Anfangszeit von Omikron erinnert“, berichtet das Reisemagazin – damals verbreitete sich die neue Omikron-Variante extrem schnell und weltweit. Mediziner warnen dazu: Ältere Menschen haben weiterhin ein höheres Risiko für einen schweren
Krankheitsverlauf nach SARS-CoV-2-Infektion und sollten die Impfangebote wahrnehmen.
Befördert wird die neue Herbstwelle erheblich durch die großen Volkfeste, vor allem durch das Münchner Oktoberfest: Seit dessen Ende werde Bayern und vor allem München von einer Coronawelle überrollt, berichten vor allem bayrische Medien, in manchen Arztpraxen sei gar der Betrieb komplett zum Erliegen gekommen – weil alle Ärzte gleichzeitig an Corona erkrankt waren. Der Münchner Merkur spricht von „Patienten-Massen“ in den Arztpraxen und einer massiven Zunahme der Corona-Fälle nach der Wiesn, aus Stuttgart mehren sich nach dem Ende des Cannstatter Wasn ähnliche Berichte.
Große Feste erhöhen Ansteckungsrisiko
In Mainz beginnt am Donnerstagabend das 17. Mainzer Oktoberfest, zwei Wochen lang soll hier auf engstem Raum gefeiert werden – Mediziner dürften das mit Unbehagen sehen. „Veranstaltungen, bei denen viele Menschen zusammenkommen, erhöhen das Risiko der Übertragung eines Krankheitserregers“, heißt es etwa bei der IKK Südwest. In Hessen mahnte Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) Anfang Oktober zu Achtsamkeit und Vorsorge: „Nutzen Sie jetzt die Gelegenheit, sich gemäß den Empfehlungen impfen zu lassen“, sagte Klose: „Verhalten Sie sich bitte außerdem weiter vorsichtig und rücksichtsvoll.“
Wenn man typische Corona-Symptome wie starke Halsschmerzen verspüre, sei es weiter sinnvoll, sich zu testen. „Sollten Sie an Corona oder Influenza erkrankt sein, bleiben Sie möglichst zu Hause und tragen Sie, sollten Sie dennoch unter Menschen gehen müssen, eine Maske“, mahnte Klose weiter. Das gelte vor allem, wenn man mit alten oder grunderkrankten Menschen in Kontakt komme, dann sei „das freiwillige Tragen einer Maske weiter äußerst ratsam.“ Denn auch wenn Corona-Infektionen bei vielen Menschen inzwischen oft relativ harmlos verliefen, „kann eine Erkrankung für vorerkrankte und ältere Personen ebenso wie eine Influenza-Infektion lebensbedrohlich sein“, fügte Klose hinzu.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Eris-Variante lest Ihr auch hier bei Mainz&, wie das Abwassermonitoring in Sachen Coronavirus funktioniert, haben wir hier bei Mainz& berichtet. Welche Impfempfehlungen derzeit laut der Ständigen Impfkommission Stiko gelten, könnt Ihr hier nachlesen. Die Autorin dieser Zeilen hat selbst seit mehr als einer Woche mit einer Corona-Infektion zu kämpfen, und kann bestätigen: Ein Spaß ist das nicht. Unser Rat lautet deshalb: Schützt Euch und andere – bei Bedarf auch mit einer Maske. Wie gut Masken gerade gegen die Omikron-Variante wirken, haben wir hier berichtet.