Das Land Rheinland-Pfalz wird im Herbst ein eigenes Abwasser-Monitoring als Frühwarnsystem zum Aufspüren von Coronaviren und anderen Krankheitswellen starten. Man wolle bis zum Herbst 14 Kläranalagen im Land in ein Frühwarnsystem zum Erkennen von Krankheitswellen einbinden, sagte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) am Montag in Mainz. Darunter wird auch die Mainzer Kläranlage sein, in der bereits 2021 ein solches System erfolgreich erprobt wurde. Mit den Proben im Abwasser lassen sich Corona-Wellen, aber auch die Verbreitung anderer Krankheitserreger sehr präzise nachweisen.

Eine Mitarbeiterin der Kläranlage Mainz entnimmt Proben im Abwasser zur Untersuchung auf Coronaviren und andere Krankheitskeime. - Foto: gik
Eine Mitarbeiterin der Kläranlage Mainz entnimmt Proben im Abwasser zur Untersuchung auf Coronaviren und andere Krankheitskeime. – Foto: gik

Frühwarnsysteme durch Abwasserproben werden in anderen europäischen Nachbarländern wie Holland oder Österreich bereits seit Beginn der Corona-Pandemie sehr erfolgreich eingesetzt, in Deutschland hatte es bislang aber nur Erprobungsprojekte gegeben. An der TU Darmstadt war eine solche Methode entwickelt worden, die seither unter anderem in Wiesbaden eingesetzt wird. Bei der Methodik werden Proben aus dem ganz normalen Abwasser in Kläranlagen genommen, die dann auf Krankheitskeime untersucht werden.

Schon ein Langzeit-Modellprojekt des Leipziger Helmholtz-Instituts für Mikrobiologie der Umwelt, gestartet im Mai 2021 gemeinsam mit der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und der TU Dresden an rund 20 Kläranlagen bundesweit, hatte gezeigt: Die Corona-Wellen in Herbst und Winter bildeten sich nahezu exakt in den Abwasserproben ab, sogar ein frühzeitiges Ansteigen von Wellen war genau erkennbar. „Im Abwasser kann die Virenlast mit dem Sars-CoV2-Virus festgestellt werden, damit können wir einen Beitrag leisten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie”, sagte damals auch die rheinland-pfälzische Klimaschutzministerin Anne Spiegel (Grüne) bei ihrem Besuch der Kläranlage Mainz im Juni 2021 stolz.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

 

Trotzdem ließ die Etablierung eines solchen Frühwarnsystems auf sich warten, das Modellprojekt Ende 2021 ohne Fortsetzung eingestellt. Die Stadtverwaltung Mainz und die Ampel-Fraktionen im Stadtrat lehnten sogar gleich mehrfach Anträge der ÖDP im Mainzer Stadtrat ab, das Modellprojekt weiterzuführen und sich für ein Abwasser-Monitoring-System einzusetzen – zuletzt noch im Juli 2022. Dabei hatte schon 2021 Spiegel betont, man erhoffe sich, „ein Frühwarnsystem zu etablieren“, das nicht nur für das Coronavirus gelte, sondern auch nach dem Ende der Corona-Pandemie wichtige Rückschlüsse über Krankheiten in der Bevölkerung geben könne.

Abwasser-Untersuchungen in Kläranlagen können Corona- und andere Krankheitswellen exakt aufspüren. - Foto: gik
Abwasser-Untersuchungen in Kläranlagen können Corona- und andere Krankheitswellen exakt aufspüren. – Foto: gik

Nun prescht Rheinland-Pfalz mit einem eigenen Abwasser-Monitoring vor: Bis zum Herbst sollen in 14 Kläranlagen landesweit entsprechende Untersuchungen des Abwassers gestartet werden, das Monitoring solle als „Früh- und Entwarnungssystem für die Wellen der Pandemie“ dienen, kündigte Gesundheitsminister Minister Clemens Hoch (SPD) an. Die Proben soll ein Labor auswerten, dazu laufe derzeit noch eine Ausschreibung, sagte der rheinland-pfälzische Impfkoordinator Daniel Stich. Die Ergebnisse werde man auch zeitnah an die Bevölkerung kommuniziert, versprach Stich. Auf welchem Weg das sein werde, stehe aber noch nicht fest.

Österreich hatte etwa frühzeitig ein solches Abwasser-Monitoring eingerichtet, die Ergebnisse werden in einem Dashboard im Internet für jedermann einsehbar eingestellt. Dort gibt es neben einem nationalen Abwasser-Monitoring zu Sars-CoV-2 auch ein Schulstandortmonitoring zur Beobachtung der Coronas-Pandemie – das Dashboard findet sich hier im Internet. Die Daten fließen in eine gemeinsame Datenbank ein.

 

Grund für das neue Monitoring-System ist auch, dass die Corona-Inzidenzen seit dem Aus für die kostenlosen und flächendeckenden Bürgertests schlicht nicht mehr den wahren Stand des Infektionsgeschehens abbilden. „Die Inzidenz hat als Frühwarnsystem einfach ausgedient“, sagte Hoch. So bildete sich etwa die enorme Corona-Sommerwelle in den vergangenen Wochen in der Inzidenz fast nicht mehr ab, weil viele Infektionen entweder nicht entdeckt, oder nicht mehr per PCR-Test verifiziert wurden – in die statistischen Zahlen fließen aber nur Infektionen ein, die per PCR-Test bestätigt wurden.

Auch in der Kläranlage Wiesbaden wird bereits seit Monaten das Abwasser auf Coronaviren untersucht. - Foto: Autobahn GmbH
Auch in der Kläranlage Wiesbaden wird bereits seit Monaten das Abwasser auf Coronaviren untersucht. – Foto: Autobahn GmbH

Fachleute gingen deshalb davon aus, dass die wahre Inzidenz nicht etwa bei 600 bis 700 lag, wie die offiziellen Zahlen angaben, sondern mindestens zwei-, eher dreimal so hoch lag. Das bestätigten Anfang Juli auch Untersuchungen des Kölner Gesundheitsamtes: Im Abwasser der Kölner Kläranlage wurden damals statt der offiziellen Inzidenz von rund 800 Infektionen nachgewiesen, die eine Inzidenz von über 1.500 ergaben. Man habe festgestellt, dass derzeit die Hälfte der Coronafälle nicht erkannt würden, sagte Johannes Nießen, Leiter des Kölner Gesundheitsamtes damals.

Im Abwasser lassen sich zudem auch verschiedene Corona-Varianten nachweisen und so frühzeitig neue Mutationen erkennen – so hatte etwa Wiesbaden Anfang Juni bereits frühzeitig das Auftreten der neuen Omikron-Subvariante BA.5 im Abwasser nachweisen können, BA.5 löste kurz danach die erhebliche Sommerwelle aus. Zahlen aus Rheinland-Pfalz gab es damals keine. Nun sagte Minister Hoch, das Abwasser-Monitoring sei „für uns ein Schlüssel, um eine künftige Datengrundlage zu schaffen.“

 

Der Ethikbeirat des Landes Rheinland-Pfalz sowie der Expertenbeirat des Bundes hatten vor den Sommerferien eindringlich die Schaffung einer besseren Datenlage in Deutschland mit Blick auf die Corona-Pandemie angemahnt. „Wir waren immer große Fans dieses Monitorings“, betonte Hoch nun. Man habe „im benachbarten Ausland gesehen, wie effektiv das gehandhabt wurde“, und deshalb seit Anfang 2022 begonnen, den Aufbau eines eigenen Systems zu eruieren. „Denn Corona ist nicht vorbei und wird uns sehr lange begleiten“, unterstrich der Minister.

Zu den rund 14 Untersuchungs-Standorten im Land gehören nun die Kläranlagen Andernach, Bad Kreuznach, Koblenz, Worms und Mainz, das Land lässt sich das Projekt rund eine halbe Million Euro kosten. „Wir sind damit mit einem Frühwarnsystem für Herbst und Winter gewappnet“, fügte Stich hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr dazu, wie das Abwasser-Monitoring funktioniert, haben wir ausführlich hier bei Mainz& aufgeschrieben, mehr zu den vergeblichen Vorstößen der ÖDP in Sachen Abwasser-Untersuchungen könnt Ihr hier bei Mainz& lesen. Unseren Bericht über die doppelt so hohe Corona-Inzidenz im Abwasser findet Ihr hier:

Corona im Abwasser deckt auf: Infektionen aktuell doppelt so hoch wie gemeldete Inzidenz – Ärzte fordern Untersuchung in allen Kommunen