Nach dem Beschluss des Landes Rheinland-Pfalz, nun doch ein eigenes Abwasser-Monitoring zu Coronaviren einzuführen, reagieren die Oppositionsparteien in Mainz mit Genugtuung: „Auch die Ampel-Parteien lernen dazu“, konstatierte die Mainzer CDU, und verwies darauf: Noch im Juli hatten SPD, Grüne und FDP Anträge von CDU und ÖDP zu genau einem solchen Monitoring brüsk abgelehnt. Von der Mainzer SPD hieß es nun, die Proben aus dem Abwasser seien „eine sinnvolle Ergänzung“, ein „Alleingang“ von Mainz aber nicht zielführend.

Die Mainzer Kläranlage. - Foto: gik
Die Mainzer Kläranlage. – Foto: gik

Vor allem die ÖDP hatte sich bereits im Februar für ein Abwasser-Monitoring in Sachen Coronavirus eingesetzt, und die Stadt Mainz aufgefordert, das vom Land Ende 2021 beendete Projekt notfalls im Alleingang fortzuführen. Das Projekt habe gezeigt, dass die die Virenlast im Abwasser gut habe nachverfolgt werden können, betonte ÖDP-Chef Claudius Moseler. Mit den Messungen könnten zudem „auch nach dem Ende der Corona-Pandemie wichtige Rückschlüsse über Krankheiten in der Bevölkerung ermittelt werden.“

Im Mai 2021 hatte das Leipziger Helmholtz-Institut für Mikrobiologie der Umwelt ein Langzeitprojekt an etwa 20 Kläranlagen bundesweit gestartet. Über einen Zeitraum von sieben Monaten wurden Konzentrationen von Coronaviren im Abwasser großer Städte ermittelt und ausgewertet werden, darunter auch in Mainz. Das Ergebnis des Forschungsprojektes: Im Abwasser lassen sich Virenkonzentrationen mit hoher Exaktheit nachweisen und sogar steigende Konzentrationen erkennen – so lassen sich sogar Corona-Wellen frühzeitig erkennen und vorhersagen.

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Doch während das System des Abwasser-Monitorings in anderen Ländern wie Österreich oder den Niederlanden längst konsequent genutzt wird, hatte Deutschland das Projekt Ende 2021 wieder eingestellt. Die Mainzer ÖDP hatte daraufhin eine Fortführung unter Ägide der Stadt gefordert – und war brüsk abgewiesen worden. Es gebe “zu einer Fortführung der Messungen keine Planungen“, die Weiterentwicklung des Warnsystems stehe noch aus, antwortete Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) – die Verantwortung liege bei Land oder Bund.

Probenentnahme in der Mainzer Kläranlage für das Corona-Abwasser-Monitoring im Sommer 2021. - Foto: gik
Probenentnahme in der Mainzer Kläranlage für das Corona-Abwasser-Monitoring im Sommer 2021. – Foto: gik

Im Juli hatte die ÖDP dann erneut einen Antrag im Mainzer Stadtrat eingebracht: „Wir müssen in der Corona-Pandemie besser gerüstet sein“, beschwor Moseler seine Ratskollegen, schließlich habe der Expertenrat dem Bund gerade bescheinigt, dass die Datenlage in Sachen Coronavirus mehr als dürftig sei. „Das Abwasser Monitoring kann als Frühwarnsystem funktionieren“, betonte Moseler: „Auch wir als Kommune sollten aktiv handeln, und uns nicht darauf ausruhen: es wird schon nichts passieren.“

Unterstützung bekam er dieses Mal von der CDU, die aber die Verantwortung für ein solches Projekt beim Land Rheinland-Pfalz sah. Und so blitzte die ÖDP auch dieses Mal mit ihrem Antrag im Rat ab – mit erstaunlichen Begründungen: „Der Antrag der ÖDP führt zu etwas Schlimmen und nicht zu etwas Gutem“, schimpfte Grünen-Stadtrat Ansgar Helm-Becker, und warnte: Die Konsequenz aus dem Projekt werde „eine erhebliche Gebührenerhöhung“ beim Trinkwasser für die Mainzer nach sich ziehen. FDP-Stadtrat Wolfgang Kell betonte gar, „medizinisch“ sei das ganze Projekt „Unsinn: Jeder weiß, dass Corona durch Tröpfchen Infektion übertragen wird und nicht über Abwasser.“

 

Tatsächlich werden die Viren im Abwasser nicht übertragen, sondern finden sich dort lediglich, weil sie von den Menschen ausgeschieden werden – genau wie Rückstände von Medikamenten und andere Krankheitskeime. Die Belastung des Abwassers mit den Viren kann dann Aufschluss geben, wie stark ein Virus in der Bevölkerung zirkuliert, und wie viele Menschen gerade an dem Virus leiden – in Köln hatten Experten jüngst durch eine solche Überwachung auch feststellen können, dass die Infektionsrate doppelt so hoch war, wie die zu dem Zeitpunkt ausgewiesene offizielle Corona-Inzidenz für Köln.

Hatte seit Monaten ein Corona-Monitoring im Abwasser gefordert: ÖDP-Chef Claudius Moseler. - Foto: ÖDP
Hatte seit Monaten ein Corona-Monitoring im Abwasser gefordert: ÖDP-Chef Claudius Moseler. – Foto: ÖDP

Vier Wochen später kündigte dann der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) an: Das Land werde nun ein eigenes Corona-Monitoring starten, bis zum Herbst sollten 14 Kläranlagen landesweit an ein solches Überwachungssystem angeschlossen sein – darunter auch die Mainzer Kläranlage. Der Aufwand dort ist gering: In der Kläranlage selbst werden lediglich Proben aus dem Abwasser genommen, die Auswertung erfolgt dann in einem Labor – welches, wird gerade durch eine Ausschreibung ermittelt. Hoch lobte, das Projekt könne als „Früh- und Entwarnungssystem für die Wellen der Pandemie“ dienen, man sei „immer ein Fan davon gewesen.“

Die ÖDP begrüßte danach das neue Monitoring-System ausdrücklich: „Dass nun das Land nach einer langen Hängepartie hier aktiv wird, ist dringend notwendig“, sagte Moseler. Noch in der Juli-Stadtratssitzung hätten die Ampel-Fraktionen den ÖDP-Antrag „nicht nur aus formalen Gründen, sondern auch inhaltlich abgelehnt und uns dafür massiv kritisiert“, unterstrich Moseler: „Hier wurde in bester Querdenker-Manier geschwurbelt“, die Ablehnung durch die Ampel-Mehrheit sei „eine Armutserklärung“ für die Stadt Mainz gewesen.

 

Auch CDU-Stadtratsmitglied Hannsgeorg Schönig sah ein klares Versäumnis der Mainzer Ampel-Parteien: „An der Initiative des Landes lässt sich erkennen, dass ein Abwasser-Monitoring sinnvoll ist“, betonte Schönig. Im Stadtrat hätten die Ampel-Parteien die beiden Anträge von ÖDP und CDU hingegen „aus rein parteipolitischen Gründen abgelehnt“ – eine sachliche Debatte sei „schlichtweg nicht möglich gewesen“, kritisierte er. Die CDU sei aber „froh, dass die Vertreter von Grünen, SPD und FDP auf Landesebene dazulernen, und die Fehlentscheidung der Mainzer Kollegen nun korrigieren“, fügte Schönig hinzu.

CDU-Stadtrat Hannsgeorg Schönig am Rednerpult im Mainzer Stadtrat. - Screenshot: gik
CDU-Stadtrat Hannsgeorg Schönig am Rednerpult im Mainzer Stadtrat. – Screenshot: gik

Durch die Mainzer Ablehnung sei bedauerlicherweise „wertvolle Zeit verspielt worden, denn der Herbst rückt immer näher und mit ihm die Gefahr der nächsten Infektionswelle“, kritisierte auch CDU-Stadträtin Anette Odenweller. „Die Finanzierung habe das Land sicherstellen müssen, da Pandemie-Vorsorge keine kommunale Aufgabe sei. Aber ohne die strikte Ablehnung im Stadtrat „hätte die Stadt bereits die Planungen aufnehmen können,  und wäre vermutlich schon einen Schritt weiter“, kritisierte Odenweller.

Von der Mainzer SPD hieß es nun: Das Abwasser-Monitoring sei „eine sinnvolle Maßnahme zur möglichst frühzeitigen Prognose von weiteren Corona-Wellen“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Eleonore Lossen-Geißler. Sie hatte im Juli genau dieses Projekt noch abgelehnt und von „einem falschen Ansatz“ gesprochen: Eine regionale Erfassung der Werte sei nicht sinnvoll, hatte Lossen-Geissler im Stadtrat argumentiert.

Ein Monitoring sei nur sinnvoll, „wenn es möglichst weitflächig in ganz Rheinland-Pfalz geschieht, nicht nur punktuell begrenzt auf Mainz“, sagte die SPD-Stadträtin nun – die Ergebnisse werden allerdings bei allen Überwachungs-Systemen für die jeweilige Kommune oder Landkreis ausgewiesen. „Ein Alleingang des Mainzer Wirtschaftsbetriebes, wie damals von der ÖDP angedacht, hätte keinen großen Nutzen gebracht“, betonte Lossen-Geissler nun erneut, der Mainzer Wirtschaftsbetrieb hätte „ein solch ein großes Unterfangen nicht alleine stemmen können.“ Zudem hätten hohe Kosten gedroht – das Land gab die Kosten für das Projekt in 14 Kläranlagen mit einer halben Million Euro an.

Info& auf Mainz&: Mehr dazu, wie das Abwasser-Monitoring funktioniert, und was es nachweisen kann, lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr zum neuen Abwasser-Monitoring des Landes Rheinland-Pfalz lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&:

Rheinland-Pfalz startet Abwasser-Monitoring gegen Corona-Pandemie – Kläranlage Mainz bei 14 Standorten dabei