Das Land sucht händeringend weiter nach festen Winterunterkünften für Flüchtlinge – und ist nun in der Mainzer Neustadt fündig geworden: In die Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt werden nun Flüchtlinge einziehen. Das wunderschöne Gebäude direkt am Mainzer Zollhafen gehört noch immmer der Bundeswehr, und genau die stellt es nun für Flüchtlinge zur Verfügung. Bereits Ende 2015 sollen die ersten Menschen hier Unterschlupf finden, werden könnten es bis zu 800.
„Die Bundeswehr hat in Aussicht gestellt, ihren Auszug zu beschleunigen, so dass noch während eines Restbetriebes erste Asylsuchende einziehen könnten“, teilte am Montag die Staatssekretärin im Integrationsministerium, Margit Gottstein mit. Das sei „sehr hilfreich, da wir dringend winterfeste Unterkünfte für die Asylsuchenden brauchen.“ In der Tat, hatte doch das Land versprochen, im Winter werde kein Flüchtling mehr in einem Zelt schlafen müssen. Nun kam der Winter früher als erwartet – und in Rheinland-Pfalz schlafen noch viele Flüchtlinge in Zelten.
Nicht so in Mainz: Kein einziges Zelt wurde hier bisher errichtet, um Flüchtlinge unterzubringen, eine Leistung, auf die die Stadt zurecht stolz ist. Zuletzt wurde hier die Zwerchallee für Flüchtlinge ertüchtigt, einen Bericht dazu bekommt Ihr in den nächsten Tagen noch – dort nämlich richten Stadt und Arbeitsagentur gerade auch ein Beratungszentrum ein, um die Kompetenzen von Flüchtlingen schneller zu erfassen und diese nach Möglichkeit schneller in Arbeit bringen zu können.
Die Kommissbrotbäckerei wiederum wird keine städtische Einrichtung, sondern eine Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Ingelheim – wie der Layenhof, auf dem zurzeit ein Containerdorf für Flüchtlinge wächst. Feste Mauern aber sind im Winter natürlich deutlich besser, die Kommissbrotbäckerei dafür gut geeignet.
Natürlich dürfte die Entscheidung manch einen in der Neustadt aufhorchen lassen: Seit Jahren kämpfen Initiativen darum, dass die alte Bäckerei ein Kulturzentrum für die Neustadt wird. Im Januar wurden bereits Ideen für die Kulturbäckerei gesammelt, man rüstete sich für den Zeitpunkt, an dem die Bundeswehr ausziehen würde, 2016 sollte das sein.
Nun also kommen erst einmal Flüchtlinge in die Neustadt, und was tut die? Sagt: Herzlich Willkommen! „Mainz hilft gern“, teilten die Grünen prompt mit, die große Hilfsbereitschaft der Mainzer werde durch die gut gefüllten Spendenkammern deutlich gemacht. Und die Kommissbrotbäckerei biete durch ihre zentrale Lage inmitten der multikulturell geprägten Mainzer Neustadt gute Voraussetzung für eine gute Aufnahme der Menschen.
Kultur und Flüchtlinge dürften aber nicht „gegeneinander ausgespielt werden“, forderte aber auch Waltraud Hingst, Fraktionschefin der Linken im Mainzer Stadtrat. Die Neustädter forderten seit fast 30 Jahren ein Kulturzentrum in ihrem Stadtteil, erinnerte Sigi Aubel, Mitglied im Ortsbeirat Neustadt, die Zusage zur Nutzung sei immer wieder aufgeschoben worden. Jetzt solle auf einmal alles ganz schnell gehen – da schwang gehörige Skepsis mit.
„Das Ziel der soziokulturellen Nutzung der Kommissbrotbäckerei bleibt selbstverständlich weiterhin bestehen“, betonte Johannes Klomann, Neustadt-Ortsvorsteher und SPD-Landtagsabgeordneter. Die Neustadt werde das Land bei der Einrichtung der Erstaufnahmeeinrichtung untersützten, schließlich sei man sich „der Verantwortung bewusst.“ Da Stadt und Land seit Monaten auf die Öffnung von Bundeswehrliegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen gepocht hätten, sei es nur folgerichtig, dass nun auch die Kommissbrotbäckerei genutzt werde.
Tatsächlich pocht die Stadt seit Monaten vor allem auf die Freigabe der leer stehenden Bürohochhäuser in der Generaloberst-Beck-Kaserne in der Oberstadt, allein: geschehen ist noch nichts. Sozialdezernent Kurt Merkator (SPD) sagte Mainz& zwischenzeitlich, die Übergabe werde wohl kommen, doch wann, das wusste Merkator bis zum Schluss nicht. So schnell mahlen die Mühlen des Bundes…
Wie schnell nun Flüchtlinge tatsächlich in der Neustadt einziehen, wird man sehen. Wie lange sie bleiben auch. Nur eines ist sicher: Die Mainzer werden auch diese Menschen willkommen heißen.
„Uns ist bewusst, dass es großes Interesse auch anderer Gruppen an diesem Gebäudekomplex gibt“, sagte Gottstein weiter. „Umso erfreulicher ist die Bereitschaft, dass in dieser Notsituation schnell Plätze für Frauen, Kinder und Männer bereitgestellt werden können. Dafür sind wir sehr dankbar.“ Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) werde voraussichtlich die Sozialbetreuung übernehmen. Sobald die Vorbereitungsmaßnahmen konkreter seien, werde das Land die Bürger informieren, hieß es auch noch.