Die Oberbürgermeisterwahl am 12. Februar 2023 wirft ihre Schatten voraus, in dieser Woche kürten die meisten Parteien nun auch offiziell ihre Kandidaten auf Parteitagen. Am Dienstag war es die FDP: Die Liberalen schicken mit einem Rückhalt von 95,3 Prozent den 32 Jahre alten Juristen Marc Engelmann ins Rennen. Engelmann betonte, Mainz brauche einen OB, der die Stadt zusammenhalte und nicht ideologisch spalte, er wolle gute Schulen und einen Ausbau des Nahverkehrs – und der Rheinhessenstraße.
Ende Oktober hatten die Liberalen in Mainz den 32 Jahre jungen Engelmann als ihren OB-Kandidaten präsentiert: „Er ist junger Familienvater, leidenschaftlicher Mainzer und steckt voller Ideen für die Stadt“, hatte Kreischefin Almut Rusbüldt den Kandidaten gelobt. Der gebürtige Mainz-Hechtsheimer hat in Mainz Jura studiert und in Braunschweig sein zweites Staatsexamen gemacht sowie promoviert. Aktuell arbeitet der junge Familienvater als Rechtsanwalt bei der Deutschen Bahn-Tochter Connect.
„Lieber Marc, ich halte Deine Kandidatur für eine sehr, sehr gute Idee“, lobte nun FDP-Fraktionschef David Dietz vergangenen Dienstag auf dem Parteitag der Mainzer FDP: Engelmann bringe etwas mit, was den anderen Kandidaten fehle – Wirtschaftskompetenz, betonte Dietz, und garnierte sein Lob mit Spitzen gegen die anderen Kandidaten: „Wenn das die Wirtschaftskompetenz ist, die die Stadt regieren soll, dann war Deine Kandidatur dringend notwendig“, sagte Dietz. Vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Mainz „erwarte ich doch ein bisschen mehr“, betonte Dietz: „Da darf neben dem Herz auch gerne Kompetenz hinzukommen.“
Auch FDP-Altmeister und Ex-Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle machte sich für den eigenen FDP-Kandidaten stark, obwohl die FDP bei der letzten Kommunalwahl 2019 nur auf 5,9 Prozent der Stimmen gekommen war. Es gehe darum die Menschen einzubinden, deshalb sei es „geradezu zwingend, dass die FDP in der Landeshauptstadt mit einem eigenen Kandidaten antritt“, betonte Brüderle. Mainz habe nun den Glücksfall, auf einen Schlag schuldenfrei zu sein, damit müsse man nun richtig umgehen – „so richtig konnten die Altparteien mit dem Geld aber bisher nicht umgehen“, rügte er.
Brüderle: „Brauchen junge Menschen, die anders denken“
„Wir brauchen junge Menschen, die anders denken, raus aus dem Muff“, forderte Brüderle, und kritisierte: „Nicht jeder Parkplatz, jede Straße ist gut – aber auch nicht jeder schlecht.“ Ideologisch seien „die, die denkfaul sind“, unterstrich der frühere Bundes- und Landesminister: „Wir müssen mit einer anderen Geisteshaltung auf die Menschen zugehen.“ Deshalb brauche es frischen Wind und neue Personen, und Engelmann sei jemand, der genau diese Arbeit machen wolle.
Der so Gelobte betonte in seiner Bewerbungsrede erneut, er wolle die Bürger entlasten, in Infrastruktur und Nahverkehr investieren, sowie die Schulen in guten Zustand versetzen und ausreichend Kita-Plätze schaffen. „Die Grundsteuer B, die insbesondere Eigenheimbesitzer und Mieter unnötig belastet, ist in Mainz sechs Mal so hoch wie in Ingelheim“, kritisierte Engelmann, das wolle er ändern. Dazu habe Mainz einmal eine Zweitwohnungssteuer eingeführt, als die Haushaltslage schlecht war – die logische Konsequenz wäre nun, sie bei guter Haushaltslage auch wieder abzuschaffen.
Engelmann fordert Ausbau der Rheinhessenstraße
Dazu wolle er in die Infrastruktur und den öffentlichen Personennahverkehr investieren, um Staus und andere Gefahren zu vermeiden. „Es ist für die Bürger nicht hinnehmbar, wenn sie auf alternativlosen Arbeitswegen täglich im Stau stehen, oder die Benutzung von Radwegen ohne Vollfederung lebensgefährlich ist“, kritisierte Engelmann. Der FDP-Mann fordert etwa einen vierspurigen Ausbau der Rheinhessenstraße, um „die untragbare Verkehrssituation zu beenden.“ Zuständig sei dafür der Landesbetrieb Mobilität.
Ein isolierter Ausbau des ÖPNV sei „für das dortige Problem völlig unzureichend“, betonte Engelmann zudem: Derzeit stünden die Busse genauso im Stau wie die PKW, diese Situation „schadet der Umwelt und den Menschen, und lässt die Bedürfnisse der Menschen, vor allem in Mainz-Ebersheim und dem Umland, völlig außer Acht“, kritisierte Engelmann. „Wir können noch so viele Busse und Bahnen auf der Rheinhessenstraße fahren lassen und werden keine ansatzweise akzeptable Reisezeit für Menschen erreichen, die in Frankfurt, Wiesbaden oder Darmstadt arbeiten“, fügte er hinzu.
Weiter brauche es in Mainz dringend Investitionen in Wohnraum und Gewerbeflächen, eine modernisierte, digitale Verwaltung sowie die Transformation zur klimaneutralen Stadt. „In Mainz möchte ich zukünftig Freizeitangebote in Sporthallen, Schwimmbädern und Bürgerhäusern erleben, die Bürger zur gesellschaftlichen Teilhabe und Vereinsarbeit einladen“, sagte Engelmann weiter. Er wolle eine gute Betreuung mit ausreichenden Plätzen in Kindertagesstätten gewährleisten, und die schulische Infrastruktur in einen vernünftigen Zustand versetzen.
„Eine wichtige Aufgabe des Oberbürgermeisters sehe ich darin, die Gesellschaft in schwierigen Zeiten zusammen zu halten“, unterstriche Engelmann weiter. Der Gesellschaft stünden schwierige Abwägungsprozesse bevor. „Es gehe auch darum, Entscheidungen zu akzeptieren, auch wenn sie entgegen der eigenen Meinung stehen“, mahnte der 32-Jährige zudem. Er wolle „mit aller Kraft für die demokratischen Werte werben und die Gesellschaft zusammenhalten“, betonte er – und sei überzeugt, die Glaubwürdigkeit mitzubringen, das auch zu tun.
Votum von 95,3 Prozent für den OB-Kandidaten
Die anwesenden Parteimitglieder statteten den Rechtsanwalt daraufhin mit einem deutlichen Rückhalt aus: Von 43 abgegebenen und gültigen Stimmen votierten 41 mit Ja, es gab eine Nein-Stimme und eine Enthaltung. Damit geht Engelmann mit einer Unterstützung von 95,3 Prozent ins OB-Rennen.
Zur Oberbürgermeisterwahl in Mainz treten inzwischen sieben Kandidaten und Kandidatinnen an. Die Wahl wird notwendig, weil der bisherige Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am 13. Oktober überraschend zum Innenminister von Rheinland-Pfalz berufen wurde – als Nachfolger des wegen der Flutkatastrophe im Ahrtal zurückgetretenen Roger Lewentz (SPD). Die Neuwahl für den OB-Sessel findet deshalb ohne Amtsinhaber statt – wer die besten Chancen hat, gilt bislang als völlig offen.