Am Samstag führte das Staatstheater Mainz ja spontan eine Probe von Beethovens Ode an die Freude im Foyer durch – bei weit geöffneten Fenstern und sehr lautstark, während unten auf dem Platz die Alternative für Deutschland (AfD) eine Kundgebung abhielt. Nun liegt der Polizei Mainz eine Anzeige gegen das Staatstheater wegen Störung der Versammlungsfreiheit vor. Das bestätigte Polizeisprecherin Heidi Nägel Mainz& am Abend. Offenbar kam die Anzeige von der Polizei selbst – die Beamten hatten die Staatstheater-Leute am Samstag mehrfach dazu aufgefordert, die Störung zu unterlassen.
„Hören Sie auf, die Versammlungsfreiheit zu verletzen!“ rief ein Lautsprecherwagen der Polizei am Samstagabend mit voller Lautstärke in Richtung Staatstheater. „Freude, schöner Götterfunken“ schallte es lautstark als Antwort aus den Fenstern – im Foyer probten rund 100 Mitarbeiter samt kleinem Orchester Beethovens 9., die „Ode an die Freude“ ist gleichzeitig die offizielle EU-Hymne.
Vor dem Theater versuchte derweil die Alternative für Deutschland (AfD), eine Kundgebung durchzuführen, pausierte aber zu Beginn ihrer Veranstaltung um 18.00 Uhr wegen des lautstarken Chors aus dem Theater mehrfach. Das Theater hatte zudem mehrere Plakate gegen Rassismus und für Toleranz gehisst – eine absolut zulässige Meinungsäußerung. Auch darf das Theater selbstverständlich Proben ansetzen – die Versammlungsfreiheit einer offiziell angekündigten und genehmigten Demonstration stören, das darf sie nicht.
Deshalb erstatteten Polizisten am Wochenende offenbar Anzeige gegen das Staatstheater. Das sei „mehrfach ermahnt worden, die Veranstaltung nicht zu stören“, sagte Nägel, „nachdem man nicht gehört hat, muss man auch konsequent sein.“ Allerdings, schränkte Nägel ein, die Anzeige werde nun erst einmal von der Staatsanwaltschaft geprüft, was daraus werde, müsse man erst noch sehen.
Staatstheater-Intendant Markus Müller zeigte sich dem SWR gegenüber überzeugt, kein Recht verletzt zu haben. Es habe außerdem im Nachhinein viel Zustimmung für die Aktion gegeben, schreibt SWR.online weiter, und zitiert Müller mit den Worten: „Wir haben viele hundert Nachrichten bekommen per SMS, per Mail oder telefonisch. Und alle sagen, wie großartig sie es gefunden haben, dass wir Haltung gezeigt haben.“
Das ging Mainz& nicht anders: Unseren Artikel über die AfD-Demo und die Aktion des Staatstheaters – „Ode an die Freude“ – haben auf Mainz& (Stand Montagabend 20.00 Uhr) mehr als 4.500 Menschen gelesen – und via Facebook mehr als 10.000 Menschen. Unser kurzes Video von der Staatsthater-Probe im Foyer auf Facebook wurde sogar mehr als 23.000 mal aufgerufen und erreichte durch eine enorme Weiterverbreitung mehr als 80.000 (!!) Personen. Das Thema bewegte also ganz offensichtlich 😉
Und in den vielen Kommentaren, die uns erreichten, war die ganz große Mehrheit von der Aktion begeistert: „Geil!“, „Danke“, „genial und gelungen“, „Gänsehaut pur“ lauteten die Rückmeldungen. Einige (wenige) Kommentatoren kritisierten aber auch, dass das Theater durch die Aktion die Kundgebung der AfD störte. „freie Meinung ist bei uns doch nur noch möglich, wenn sie dem aktuellen Mainstream entspricht….„, schrieb eine Kommentatorin.
Die AfD konnte übrigens ihre Meinung völlig frei verbreiten: Nachdem sie einige Male höflich pausiert hatte, wenn die „Ode an die Freude“ erklang, konnte die AfD-Kundgebung völlig ungehindert fortgesetzt werden, alle Redner lautstark und ausführlich ihre Ausführungen machen, die übrigens gut zu verstehen waren. Sämtliche Redebeiträge wurden von der umgebenden Menge mit Pfiffen, Buhrufen und „Haut ab“-Rufen begleitet, auch dies ist übrigens von der freien Meinungsäußerung in unserer Demokratie gedeckt und ausdrücklich erlaubt.
AfD-Anhänger beschwerten sich auf Facebook auch bei Mainz& darüber – auch das dürfen sie gerne tun. Wir geben nur mal zu bedenken: Wenn einen 1.200, ganz überwiegend normale Mainzer Bürger auspfeifen und ausbuhen, dann ist das weder unverschämt noch „Gewalt“ – sondern schlicht das Recht ebendieser Mainzer Bürger. Auch wurde wiederholt in Kommentaren „Blockade“ mit „Gewalt“ gleich gesetzt und behauptet, es gebe keine „friedliche Blockade“.
Dem müssen wir widersprechen: Es gibt sehr wohl friedliche Blockaden – Mahatma Ghandi hat sie erfunden. In diesem Fall stellten sich 1.200 Mainzer einfach rund 300 Menschen in den Weg, deren Meinung sie nicht teilen und die sie für gefährlich hielten. Das ist 1. erlaubt und 2. völlig friedlich erfolgt – die Absperrungen rund um den Gutenbergplatz hatte übrigens die Polizei errichtet. Die auch den Zugang zum Platz auf kleine, gut zu kontrollierende Eingänge beschränkte.
Die Mainzer Polizei selbst bezeichnete gegenüber Mainz& persönlich sowie in ihren Pressemitteilungen zum Verlauf der AfD-Kundgebung als friedlich und „ohne besondere Vorkommnisse“ – was Ihr selbst nachlesen könnt. Berichte auf Facebook, es seien AfD-Anhänger angegriffen oder gar niedergeschlagen worden, konnten wir bisher nicht verifizieren. „Uns ist davon nichts zur Kenntnis gekommen“, sagte Nägel Mainz& am Montagabend.
Mainz& geht solchen Berichten übrigens gerne nach – aber dafür brauchen wir Augenzeugenberichte und Zeugen, aus mehreren Quellen. Denn das gebietet die journalistische Sorgfaltspflicht, und die wird ja gerne eingefordert, gell? Reine Gerüchte können wir nicht ungeprüft verbreiten. Bestätigt ist übrigens, dass Mainzer am Samstagabend noch Anzeige bei der Polizei wegen Zeigen eines Hitlergrußes am Neubrunnenplatz stellten.
Im Mainzer Staatstheater am Samstagabend war Mainz& übrigens persönlich anwesend, als die Polizei den Intendanten aufforderte, die Probe so zu gestalten, dass sie die AfD-Kundgebung nicht störe. „Wir müssen dann die Fenster schließen“, sagte Müller, was auch geschah. Kurz danach war die Oden-Probe übrigens beendet – während die AfD-Kundgebung bis 19.10 Uhr fortgesetzt wurde.
Intendant Müller sieht denn auch dem SWR zufolge auch der Anzeige gelassen entgegen: Sollte wirklich eine Strafe drohen, werde man dafür sammeln und sie gerne bezahlen.
Info& auf Mainz&: Den Mainz&-Bericht zur „Ode an die Freude“ bei der AfD-Demo könnt Ihr hier nachlesen. Zum Video über die Probe des Mainzer Staatstheaters sowie zu den zahlreichen Kommentaren dazu auf der Mainz&-Facebook-Seite geht es hier entlang.