Die ÖDP in Mainz könnte bei der Kommunalwahl 2019 zu den Gewinnern zählen: Die kleine ökologisch-demokratische Partei machte just in diesem Jahr mit dem großen Volksbegehren zum Artenschutz in Bayern von sich reden – 1,7 Millionen Menschen unterschrieben, „Rettet die Bienen“ wurde zum erfolgreichsten Volksbegehren der bayrischen Geschichte und machte die kleine Partei schlagartig bundesweit bekannt. In Mainz ist die ÖDP schon lange verankert, ihre Themen: Umwelt und Bürgerbeteiligung, der Kampf gegen den Fluglärm – und 2018 der Kampf gegen den Bibelturm.

Kopf der Mainzer ÖDP und Generalsekretär seiner Bundespartei: Claudius Moseler. - Foto: ÖDP
Kopf der Mainzer ÖDP und Generalsekretär seiner Bundespartei: Claudius Moseler. – Foto: ÖDP

4,0 Prozent holte die ÖDP 2014 bei der Kommunalwahl, 178.539 gaben der kleinen Partei ihre Stimme – das reichte für zwei Sitze im Mainzer Stadtrat. Für die ÖDP war das ein kleiner Abstieg, war sie doch 2009 auf 5,7 Prozent und vier Sitze gekommen. Dass die kleine Alternativpartei in Mainz so gut verankert ist, liegt vor allem an einem: Claudius Moseler, kommunalpolitisches Urgestein, Ortsvorsteher in Mainz-Marienborn und langjähriger Generalsekretär der ÖDP-Bundespartei. Der Diplom-Geograph ist seit 2004 Mitglied im Mainzer Stadtrat, seither piesakt er die etablierten Parteien dort regelmäßig mit einer Fülle fundierter Anträge und unbequemen Fragen.

Ob multiresistente Keime in der Mainzer Kläranlage, die Umgestaltung des Ernst-Ludwig-Platzes oder der Erhalt von Grünanlagen – die ÖDP widmete sich vielfach Umweltthemen und der Gestaltung von Mainz. Beim Taubertsbergbad forderte sie früh eine Rücküberführung in städtische Hand, der Sanierung des Mainzer Rathauses steht man kritisch gegenüber. Als einzige Partei forderte die ÖDP im September 2019 einen Hitzeaktionsplan für Mainz – die anderen Parteien im Stadtrat sahen dafür keine Notwendigkeit. Auch ein umfassendes Verkehrskonzept und ein Konzept für die Stadtentwicklung fordert die ÖDP seit Jahren vergeblich – ihre Anträge werden regelmäßig von der Ampel-Koalition abgelehnt.

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Die Bienenretter – so wurde die ÖDP 2019 bundesweit durch ihr Volksbegehren zur Artenvielfalt in Bayern bekannt. – Foto: ÖDP

Die ÖDP ficht das nicht an: „Wir Ökodemokraten haben uns im Laufe der Jahre in der Mainzer Kommunalpolitik als enge Partner der Bürger etabliert“, lautet die Bilanz im aktuellen Kommunalwahlkampf: „Wir haben politische Verantwortung übernommen, ohne angepasst zu sein.“ Die herrschenden großen Fraktionen entfernten sich zunehmend von den Sorgen, Nöten und Interessen der Menschen, kritisiert die ÖDP. Tatsächlich stand die Partei in den vergangenen Jahren stets an der Seite von Bürgerinitiativen: Den Kampf gegen die Klärschlammanlage in Mombach unterstützte man ebenso wie derzeit den Kampf gegen eine Mülldeponie im ehemaligen Steinbruch in Mainz-Weisenau.

Die Partei versteht sich als politische Heimat für Menschen, die etwas bewegen wollen jenseits großer Parteienstrukturen, seit 2014 kandidiert so etwa der kultigen Neustadt-Metzger Peter Leussler bei der ÖDP. Dagmar Wolf-Rammensee, die auf Platz zwei der ÖDP-Liste für den Stadtrat kandidiert, war jahrelang Sprecherin der Bürgerinitiative Ludwigsstraße, die erfolgreich gegen das ECE-Einkaufszentrum kämpfte.

Das Spitzen-Quintett der Mainzer ÖDP zur Kommunalwahl 2019. - Foto: ÖDP
Das Spitzen-Quintett der Mainzer ÖDP zur Kommunalwahl 2019. – Foto: ÖDP

Auf Platz drei der Liste tritt Thomas Mann an, er gründete 2016 die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum, die den ersten Bürgerentscheid der Stadtgeschichte gegen den Bibelturm auf dem Liebfrauenplatz 2018 initiierte – bei dem Bürgerentscheid sprachen sich 77,3 Prozent der Mainzer gegen den Bibelturm aus. Treibende Kraft der Bürgerinitiative neben mann war Nino Haase, der nun als parteiloser CDU-Oberbürgermeisterkandidat für Mainz antritt – die ÖDP unterstützt Haase. Beim Kampf gegen Fluglärm ist Parteichef Moseler von Anfang an dabei, zuletzt forderte er im Stadtrat am 17. April noch ein Lärmminderungsprogramm mit einer konsequenten Absenkung von 0,4 Dezibel pro Jahr, der Ausweitung des Nachtflugverbots auf 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr sowie mehr Schutzrechte für Flughafenanwohner.

„Wir stellen die Interessen der Bürger vor Investoreninteressen“, lautet denn auch einer der Kernsätze der ÖDP, als Forderungen zählt die Partei darunter auch den Erhalt öffentlicher Plätze und Flächen in der Stadt, einen nachhaltigen Lärmschutz entlang der Mainzer Autobahnen sowie eine Absage an die massive Nachverdichtung der vergangenen Jahre, vor allem in der Mainzer Innenstadt. „Mainz braucht einen Masterplan für die Stadt- und Wohnraumentwicklung, der unter anderem den Erhalt von Frischluftschneisen garantiert“, fordert die ÖDP, man will „eine lebens- und liebenswerte Stadt mit guter Infrastruktur.“ Für neue Baugebiete fordert sie mindestens 8 Prozent der Fläche als öffentliche, untereinander vernetzte Grünfläche.

Wahlplakat ÖDP
Wahlplakat ÖDP

In Sachen Verkehr fordert die ÖDP einen optimalen Ausbau des ÖPNV mit einer Straßenbahn bis nach Rheinhessen, Kleinbussen zum Schließen nvon Angebotslücken und einer Ringbuslinie für Mainz. „Ein besserer Ausbau des Park-and-Ride-Systems und ein sicheres Radwegenetz über Mainz hinaus könnte den Autoverkehr zur und in der Innenstadt mittelfristig reduzieren“, heißt es im Wahlprogramm. Auch für eine saubere Stadt mit „effektiver Bekämpfung von illegalen Farbschmierereien und Müllablagerungen“, gehört zum Portfolio der ÖDP – die kleine Partei ist zwar öko, gehört aber auch zum konservativen Spektrum.

Im Gegensatz zu manch anderer Partei hat die ÖDP aber auch die Fortentwicklung des Gutenbergmuseums nicht vergessen: Die Forderung nach einem Konzept für das Museum „mit einer tragfähigen und soliden Finanzierung unter Einbindung von Kulturressourcen aus Bund und Land“, steht ganz vorne im Programm. Dazu setzt sich die ÖDP für eine Stärkung der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek ein: „Sanierungsstau und Stellenabbau müssen ein Ende haben“, heißt es dazu.

Wahlkampfplakat ÖDP zum Thema Parteienfilz
Wahlkampfplakat ÖDP

Einen großen Schwerpunkt setzt die ÖDP konsequenterweise auf die Bürgerbeteiligung: Sie fordert umfassende Leitlinien für echte Bürgerbeteiligung, mehr Transparenz bei kommunalpolitischen Entscheidungen und in der Stadtverwaltung, mehr Kompetenzen für Ortsbeiräte sowie die Einführung von Familienräten zur Überprüfung von kommunalen Projekten und Planungen auf ihre Familientauglichkeit hin. „Wir brauchen einen Kulturwandel in der Politik: Die Bürger sind Partner und nicht Bittsteller“, betont die ÖDP. Nach der Veröffentlichung des anonymen Briefes forderte sie ein eigenes Hinweisgebersystem und besseren Schutz für Whistleblower in der Stadtverwaltung, nach dem Abgang von Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) fragte sie ausgesprochen kritisch in Sachen Aktenvernichtung und Besetzung der Geschäftsführerposten der Zentralen Beteiligungsgesellschaft nach.

„Etabliert, aber nicht angepasst“, lautet der Wahlkampfslogan der ÖDP denn auch – bei der Wahl kommenden Sonntag hofft die Partei auf Zugewinne. Ihr Kandidatentableau ist so groß wie nie: 67 Kandidaten treten alleine auf der ÖDP-Liste für den Stadtrat an, in 14 von 15 Ortsbeiräten gibt es eine ÖDP-Liste – nur in Drais nicht – sieben ÖDP-Kandidaten stellen sich zur Wahl als Ortsvorsteher – eine wirklich kleine Partei ist die ÖDP in Mainz nicht mehr. Ob sie von der Unzufriedenheit mit den großen Parteien und dem Schwung des bayrischen Bürgerbegehrens profitieren kann, zeigt sich am 26. Mai.

Info& auf Mainz&: Mehr zur ÖDP Mainz, ihren Zielen, ihren Kandidaten und dem Wahlprogramm findet Ihr hier im Internet. Was die ÖDP 2014 auf unseren Fragebogen zur Kommunalwahl antwortete, könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Im Wahlkampfendspurt setzt die ÖDP auf das direkte Gespräch mit den Bürgern – bei Wahlkampfständen am 24. Mai 2019, 15.00 bis 19.00 Uhr auf dem Leichhof und am Samstag, den 25.05.2019, 10.00 bis 14.00 Uhr in der Seppel-Glückert-Passage Ecke Betzelstraße – hier steht Spitzenkandidat Claudius Moseler. Auch in Weisenau (Samstag, Bäckerei Werner) und in Ebersheim (Bäckerei Werner und REWE) ist die Partei noch einmal vor Ort.

Kommunalwahl&: Dieser Artikel ist Teil unserer Serie im Vorfeld der Kommunalwahl, dabei stellen wir (nach Möglichkeit) alle bisher im Stadtrat vertretenen Parteien in einer Analyse und mit ihren Wahlprogrammen vor. Die anderen Artikel findet Ihr hier:

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