Bekommt Rheinland-Pfalz bald ein eigenes Gesetz zur Abrechnung von Polizeieinsatzkosten bei Fußballspielen? „Ich würde der Politik in Rheinland-Pfalz eine solche Regelung vorschlagen“, sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Montag in Mainz. Der Satz gilt unter einer Bedingung: Das Bundesverwaltungsgericht müsste ein Gesetz aus Bremen für rechtmäßig erklären, das dem Bundesland erlaubt, die Mehrkosten für gewinnorientierte Großveranstaltungen dem Veranstalter in Rechnung zu stellen. Die Chancen dafür stehen gut: Im Februar erklärte das Oberverwaltungsgericht Bremen das Gesetz für Rechtens, nun muss sich das Bundesverwaltungsgericht Leipzig mit der Sache befassen. Die Politik will die Fußballvereine an den ausufernden Kosten für die Sicherheit beteiligen und argumentiert mit den Milliardengewinnen der Liga, die Fußballclubs lehnen das hingegen strikt ab. Ein Kompromissvorschlag soll nun helfen – und wir erklären, warum die Fastnachtsvereine sich nicht sorgen müssen.
2014 verabschiedete Bremen das Gesetz „Finanzierung von Polizeieinsätzen bei gewinnorientierten Großveranstaltungen“, damit können den Fußballclubs Mehrkosten für Hochrisikospiele in Rechnung gestellt werden. „Bei jedem Rotspiel zahlt die Polizei Bremen eine Viertelmillion Euro an Mehrkosten“, sagte der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Montag in Mainz, „es kann nicht angehen, dass der Steuerzahler das alleine trägt.“ Man habe sich viel Mühe mit dem Gesetz gemacht, erklärte Mäurer bei einem Termin in Mainz, schließlich habe man nicht Volksfeste und andere Veranstaltungen treffen wollen.
Voraussetzung für eine Kostenbeteiligung im Sinne des Gesetzes ist eine zu erwartende Gewaltanwendung und eine Gewinnorientierung – damit seien Volksfeste, Marathon-Events oder Kirchentage nicht betroffen, betonte Mäurer. Ein Rockkonzert könne aber darunter fallen. Das Problem der Bundesländer heißt tatsächlich Fußball, die Polizeikosten rund um die Spiele ufern seit Jahren immer weiter aus. Viele Innenminister klagen schon lange, dass für die Spiele große Mengen Einsatzpolizei abgestellt werden müssen, die Beamten häufen Überstunden an und fehlen anschließend im normalen Schichtdienst.
Von 17 Heimspielen in der Bundesliga in Bremen seien drei Hochrisikospiele, und bei denen müssten 990 Polizisten eingesetzt werden, erklärt Mäurer. Bremen müsse dafür Verstärkung aus anderen Bundesländern anfordern, Nordrhein-Westfalen etwa verweigere die Hilfe längst. „Unsere Stütze sind Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern“, sagte Mäurer: „Die Polizeikollegen sind dann in der Regel drei Tage unterwegs, es ist ein gigantischer Aufwand, verbunden mit extremen Belastungen und vielen Überstunden.“
In Rheinland-Pfalz wurden denn auch in der Saison 2015/2016 in der 1. und 2. Bundesliga 6.986 Polizisten mit 50.275 Einsatzstunden eingesetzt. In der Saison 2016/2017 waren es bereits 7.391 Kräfte mit 51.372 Einsatzstunden. Das liege auch an den gestiegenen Straftaten, betonte Lewentz: 152 wurden in der Saison 2015/2016 im Rahmen der Bundesligaspiele begangen, 2016/2017 waren es bereits 233 Straftaten. „Wir dachten, wir könnten Gewalttaten durch Fanprojekte reduzieren, aber das gelingt bisher nicht“, sagte Lewentz.
Besonders aufwändig: die sogenannten Rotspiele. Am Spielort von Mainz 05 ergäben sich bei Gelb- und Rotspielen ein Durchschnittswert von 180 Kräften und 1.219 Einsatzstunden, rechnet man beim Innenministerium vor, beim Risikospiel Mainz-Frankfurt seien es ein Mehr von 344 Einsatzkräften und 3.054 Einsatzstunden gewesen. Etwa 420.000 Euro rechnen die Bremer für ein Hochrisikospiel, Die fünf Hochrisikospiele in Rheinland-Pfalz würden bei Bremer Berechnung um die zwei Millionen Euro kosten.
Von „großzügigen Steuergeschenken“ an den Fußball spricht Mäurer, gleichzeitig fahre die Deutsche Fußballliga (DFL) Rekordgewinne von zuletzt vier Milliarden Euro ein. Bei Hochrisikospielen sei das aber nur dadurch möglich, „dass wir mit der Polizei zur Verfügung stehen“, betonte Mäurer, die Beteiligung der Clubs sei da „angemessen.“ Auch in Frankreich und Italien „muss sich der Profifußball selbstverständlich an den Kosten beteiligen, bei uns verweigert sich die DFL grundsätzlich“, kritisierte Mäurer: „Man sagt, wir sind König Fußball und wir denken nicht daran, auch nur einen Cent beizusteuern.“ Seither habe Bremen „kein Länderspiel mehr gesehen“, merkte der Senator an, „uns trifft die Rache der DFL voll.“
Der 1. FSV Mainz 05 lehnte denn auch prompt am Montag eine Beteiligung ab: „Der Einsatz von Polizeikräften im öffentlichen Raum zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist eine Kernaufgabe des Staates und dient dem Schutz der Allgemeinheit“, sagte Clubchef Stefan Hofmann. Mainz 05 investiere selbst eine Million Euro pro Jahr für die Sicherheit im eigenen Stadion, dazu habe Mainz 05 im vergangenen Geschäftsjahr 13,5 Millionen Euro direkte Steuern gezahlt, personenbezogene Steuern seiner 1067 Beschäftigten in Höhe von 21,8 Millionen Euro kämen noch hinzu.
Das Argument mit den Steuern komme immer, sagte Mäurer, die DFL rechne dabei aber Kirchen- und Lohnsteuern mit. Echte Steuern habe man „90 Millionen Euro gezahlt, wenn es hoch kommt“, sagte Mäurer. Die Polizeikosten würden die DFL „vielleicht zwanzig Millionen Euro kosten, da könnte man lästerhaft sagen: das zahlt Ihr aus der Portokasse.“ Der Rechtsstreit des Ministers mit der DFL könnte sich hinziehen, mit einer Entscheidung in Leipzig wird eher 2019 als 2018 gerechnet. Die Chancen schätzt Mäurer als gut ein – würde der streitbarer Bremer Senator gewinnen, hätte das weitreichende Konsequenzen: Auch andere Bundesländer müssten dann wohl nachziehen, bislang scheuen die meisten Minister das Thema noch.
In der Innenministerkonferenz, die im Sommer das nächste Mal tagt, habe man für die Kostenerstattung bisher keine Mehrheit, räumen Lewentz und Mäurer ein. Dennoch glauben die beiden Minister an einen Dominoeffekt: „Wie soll ich Steuerzahler, Parlament und Landesrechnungshof erklären, dass ich auf dieses Geld verzichte“, fragte Lewentz: „Wenn man einen Umsatzrekord nach dem anderen erzielt, wird vom Steuerzahler gefragt: ist das gerecht? Mir geht es um die Akzeptanz und die Frage, was kostet der Fußball die Allgemeinheit.“
Lewentz und Mäurer schlagen deshalb nun die Einrichtung eines Fonds vor, in den die DFL jährlich eine zweistellige Millionensumme einzahlt. Damit könnten die Mehrkosten ausgeglichen und der noch laufende Rechtsstreit beigelegt werden, das wolle man auch der Innenministerkonferenz vorschlagen. „Endlose Rechtsstreits“, sagte Mäurer noch, „machen auch für die DFL am Ende keinen Sinn.“