Die Geschichte der Mauerreste in der Mainzer Oberstadt wird immer mehr zu einem Krimi. Die Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) bestätigte nun auf Mainz&-Anfrage: Ja, in der Baugrube für das Forschungszentrum TRON sowie auf angrenzendem Gelände habe es “römische und bundesfestungszeitliche Befunde” gegeben. Die GDKE bestätigte auch: die Reste aus der Römerzeit stehen in Zusammenhang mit einer zivilen Siedlung im Umfeld des Römerlagers. Damit wurden nun erstmals Belege einer “Canabae” in Mainz gefunden – auch der Fund einer Sandsteinstatue wurde bestätigt. Zugleich bleiben viele Fragen offen.
Am 9. Juni hatte die “Unsichtbare Römergarde” auf Facebook Fotos von Mauern gepostet, die in einer Baugrube in der Mainzer Oberstadt zu sehen waren – der Chef der “Unsichtbaren Römergarde”, Christian Vahl, sprach von einem Mauerwerk mit “eindeutigem römischen Charakter”. Der Fundort steht in Zusammenhang mit der Baustelle des Forschungszentrums TRON, für das am 9. April 2024, unmittelbar neben dem Hochhaus der Mainzer Universitätsmedizin am Augustplatz der Spatenstich erfolgte.
Das Baufeld für das neue Forschungsgebäude liegt auf dem Gelände der Universitätsmedizin, an der Oberen Zahlbacher Straße, Ecke „Am Römerlager“, hier soll bis Januar 2027 ein neues Labor- und Bürogebäude entstehen. Der Ort ist indes historischer Boden: Hier stand alten Zeichnungen zufolge das Römerlager auf dem Kästrich, das im 1. Jahrhundert nach Christus den Grundstein für das antike Mogontiacum und das heutige Mainz legte. Das Legionslager endete alten Zeichnungen zufolge genau an der Ecke der TRON-Baugrube, was hier vor 2.000 Jahren genau gestanden hatte, war bislang unbekannt.
GDKE bestätigt römische Funde einer Canabae
Die Fotos von den historischen Mauerresten weckten nun große Neugier – und Fragen: Denn weder die Initiative Römisches Mainz (IRM), deren Vorsitzender Vahl ist, noch die Öffentlichkeit waren bisher über irgendwelche Funde in der Baugrube oder dem Umfeld informiert worden. Die Reste könnten im Zusammenhang mit einer “Canabae” stehen, mutmaßte Vahl, also einer Zivilsiedlung aus der Römerzeit, wie sie üblicherweise rund um Legionslager entstanden. Die fraglichen Mauerreste von den Fotos aber verschwanden nach zehn Tagen spurlos, der Bauplatz war eingeebnet – das Entsetzen bei Vahl und der IRM groß.
Nun bestätigte die zuständige Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) auf Anfrage von Mainz&: Ja, die Archäologen hätten “römische und bundesfestungszeitliche Befunde feststellen können”, sagte Generaldirektorin Heikle Otto, und bestätigte zudem: Die Funde stünden im Kontext zu einer zivilen römischen Siedlung (Canabae), aber nicht im Zusammenhang mit einer Lagertherme, die 1901 im Umfeld der heutigen Baugrube gefunden worden war.
Damit wurden erstmals in moderner Zeit Belege einer zivilen römischen Siedlung auf dem Kästrich, unmittelbar angrenzend an das Legionslager gefunden. In den “Canabae” lebten Weinhändler und Handwerker sowie die Angehörigen der Soldaten im Legionslager, auch kleine Heiligtümer gab es in solchen Zivilsiedlungen – bislang war über die Canabae im antiken Mogontiacum wenig bekannt. Welche Befunde nun genau gemacht wurden, und auf welche Gebäude die Funde hindeuteten – dazu sagte die GDKE nichts.
Fragmentierte Sandsteinstatue aus der Römerzeit gefunden
Die Mainzer Festung war im frühen 19. Jahrhundert eines der wichtigsten militärischen Bollwerke entlang des Rheins, nach dem Abzug der Franzosen im Jahr 1814 wurde Mainz zu einer “Bundesfestung” unter preußischen und österreichischen Truppen. Nach der Gründung des “Deutschen Bundes” fiel Mainz im Sommer 1816 an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt und 1820 offiziell zur Bundesfestung und einem Militärgouvernement unterstellt – mehr dazu findet Ihr hier im Internet.
Otto bestätigte nun, es habe “erwartbare Besiedlungsfunde aus den benannten Epochen” gegeben, etwa Keramikscherben – und es sei tatsächlich eine Sandsteinstatue gefunden worden. “Diese fragmentierte Statue stammt aus der Römerzeit”, berichtete Otto: “Laufende wissenschaftliche Untersuchungen können zukünftig eine genauere Deutung und Datierung ermöglichen. Aktuell steht die restauratorische Sicherung der Figur im Vordergrund.”
Warum die GDKE über die Funde bisher nicht informiert hat, ist weiter unklar, weitere Details wurden ebenfalls nicht mitgeteilt. Es finde aber “eine regelgerechte archäologische Ausgrabung statt, die durch die GDKE-Landesarchäologie in einem angemessenen Zeitrahmen durchgeführt wird”, betonte Otto: “Die örtlichen Untersuchungen laufen derzeit noch, die Landesarchäologie ist also noch in der aktiven Grabungs- und Dokumentationsphase.” Das ist durchaus spannend, war doch bisher über eine solche ausführliche Grabung nichts bekannt geworden.
Mauern aus der Zeit der Bundesfestung
Zum Verschwinden der Mauerreste auf der Straßenseite gegenüber der Baugrube machte die GDKE derweil exakt dieselben Angaben wie bei unserer ersten Anfrage: “Zur Aufrechterhaltung und Sicherung der wichtigen Versorgungstrassen und Leitungen der Universitätsmedizin und der Mainzer Oberstadt wurden die dort gemachten Befunde fachgerecht und unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Standards durch die Landesarchäologie dokumentiert abgetragen.” Die Funde würden archiviert, in den Depots sicher verwahrt und einer späteren wissenschaftlichen Auswertung zugänglich gemacht.
Die auf den Fotos dokumentierten Mauerreste lagen zudem unmittelbar unter der Oberfläche und nicht tief im Erdreich – womöglich handelte es sich dabei also eher um Überreste der Bundesfestung. Bleibt die Frage: welche Art von römischen Mauerresten wurden eigentlich gefunden, wo – und wie viele? Zur Informationspolitik gegenüber der IRM hieß es lediglich: “Es findet ein steter und konstruktiver Austausch zwischen der Initiative und der GDKE-Landesarchäologie statt.”
Info& auf Mainz&: Mehr zu den römischen Mauerresten in der Mainzer Oberstadt, dem Legionslager und der Canabae lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&.