Wie gut steht Rheinland-Pfalz ein halbes Jahr vor der Landtagswahl da? Zum Jahresstart 2025 klagten die Wirtschaftsvertreter im Land über eine handfeste Rezession, im März sprachen die Unternehmerverbände von einer „dramatischen Lage“ – jetzt vergeben die Industrieunternehmen und innovationsorientierten Dienstleister im Land schlechte Noten: In einer IHK-Umfrage bewerten sie die Attraktivität von Rheinland-Pfalz als Industrie- und Innovationsstandort lediglich mit der Note 3,4 – Rheinland-Pfalz ist gerade einmal „schwach befriedigend“.

Dämmerung für den Industriestandort Rheinland-Pfalz? Verbände sehen den Standort in Gefahr. -Foto: gik
Dämmerung für den Industriestandort Rheinland-Pfalz? Verbände sehen den Standort in Gefahr. -Foto: gik

Das geht aus der Industrieumfrage 2025 der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz unter mehr als 200 Betrieben hervor. „Besorgniserregend ist, dass viele Unternehmen ihren Produktionsstandort im internationalen Vergleich klar im Nachteil sehen“, sagte Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. Demnach sehen ganze 13 Prozent derzeit Rheinland-Pfalz als einen Standort, der im internationalen Vergleich von Vorteil ist, rund ein Drittel aber bewerten das Land als schlechteren Standort, mehr als ein Fünftel sogar als deutlich schlechter im Vergleich zu Nachbarländern.

Für Rheinland-Pfalz ist das ein Alarmsignal, das Bundesland war jahrelang Exportweltmeister und gerade auf dem internationalen Parkett stark vertreten. Dazu sind in Rheinland-Pfalz große Pharmaunternehmen wie die BASF oder Boehringer Ingelheim ansässig, für die der Export eine wichtige Säule ist. Anfang 2025 warnte etwa der Landesverband der Unternehmerverbände (LVU), die Wirtschaft stecke „in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten“, Anzeichen für eine Erholung: keine. Die industrielle Basis bröckele weiter, hohe Kosten, lähmende Bürokratie und fehlende Investitionsanreize gefährdeten den Standort massiv.

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Einbruch der Industrieproduktion, mehr Insolvenzen, Arbeitsplätze weg

So hatte im Januar 2025 das Statistische Landesamt einen Einbruch der Industrieproduktion um 5,6 Prozent gegenüber dem Vormonat gemeldet, gleichzeitig stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2024 auf 861 Fälle – ein Plus von 15 Prozent zum Vorjahr. Mehr als 8.000 Arbeitsplätze wurden dadurch akut gefährdet. Zwar stiegen die Industrieumsätze im Verlaufe des ersten Halbjahrs wieder leicht an, doch im Juli kamen erneut zwiespältige Meldungen vom Statistischen Landesamt in Bad Ems: Während die Industrie mehr Aufträge meldete, sank gleichzeitig die Industrieproduktion – Sorgenkind: die Chemieindustrie.

Schlechte Noten verteilen die Unternehmen im Land für den Industriestandort Rheinland-Pfalz. - Foto: gik
Schlechte Noten verteilen die Unternehmen im Land für den Industriestandort Rheinland-Pfalz. – Foto: gik

Nun ergibt die jüngste IHK-Umfrage unter Industrieunternehmen im Land erneut ein kritisches Bild: „Sowohl die Einschätzung der aktuellen wirtschaftliche Lage als auch die mittel- und langfristigen Geschäftsprognosen fallen verhalten aus“, heißt es in der Mitteilung: Die befragten Betriebe hatten in beiden Fällen nur eine drei minus zu vergeben. Auch auf die Frage, wie gut das eigene Unternehmen unter den aktuell gegebenen Rahmenbedingungen sein Innovationspotenzial ausschöpfen könne, antworten nur 1,4 Prozent mit „sehr gut“ und weitere 15,2 Prozent mit „gut“ – im Mittel wird hingegen lediglich eine 3,3 vergeben.

„Die industriebezogene Wirtschaftspolitik der Landesregierung erhält von den Befragten die Note 3,6“, bilanziert die IHK-Umfrage weiter. An der Umfrage hatten sich 223 Unternehmen der vier rheinland-pfälzischen IHKs beteiligt, überwiegend aus dem Verarbeitenden Gewerbe. „Ohne tiefgreifende Wirtschaftsreformen droht weitere industrielle Wertschöpfung verloren zu gehen, wie es in den vergangenen Jahren bereits massiv der Fall war“, bilanzierte Matthias Schmitt, industriepolitischer Sprecher der Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz.

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Niedrigere Arbeitskosten, Steuern und Energiepreise gefordert

Die Forderungen der Unternehmen lägen ebenfalls klar auf dem Tisch: „Unsere Industrieunternehmen und Innovatoren fordern Bürokratieabbau und Deregulierung, niedrigere Arbeitskosten, Steuern und Energiepreise sowie eine verlässlichere Wirtschaftspolitik.“ Genau das gleiche hatte Anfang des Jahres auch der LVU gefordert: Energiekosten, Steuern und Abgaben müssten gesenkt, Bürokratie spürbar abgebaut und Investitionen sowie Innovationen erleichtert werden, hieß es damals. „Rheinland-Pfalz darf nicht weiter abgehängt werden – das Zeitfenster, um den Standort noch zu retten, wird immer kleiner“, warnte LVU-Hauptgeschäftsführer Karsten Tacke.

Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP, 2. von rechts) Anfang Oktober auf Delegationsreise in den USA mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD, 2. von links) und Innenminister Michael Ebling (SPD, ganz rechts). Ganz links steht die stellvertretende Ministerpräsidentin Katharina Binz (Grüne). - Foto: RLP.de
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP, 2. von rechts) Anfang Oktober auf Delegationsreise in den USA mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD, 2. von links) und Innenminister Michael Ebling (SPD, ganz rechts). Ganz links steht die stellvertretende Ministerpräsidentin Katharina Binz (Grüne). – Foto: RLP.de

Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) hatte zuletzt den Innovationskongress RLP Next in Mainz eröffnet, und dabei betont, Innovationen seien „Treiber für Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Lebensqualität“. Rheinland-Pfalz setze dabei auf die Dynamik von Start-ups, im Mittelpunkt standen neue Technologien, KI und Robotik. Gemeinsam mit Innenminister Michael Ebling (SPD) stellte Schmitt zudem Mitte September ein Konzept für „Turboflächen“ für schnellere Unternehmensansiedlungen in 13 rheinland-pfälzischen Kommunen vor, Mainz war nicht darunter.

Zum Thema Industriestandort war zuletzt aus der Landesregierung indes nichts mehr zu hören, das sorgte jüngst für scharfe Kritik der CDU-Opposition: „Der Südwesten des Landes blutet aus, und der Ministerpräsident schaut zu“, klagte die CDU-Landtagsfraktion Ende September. Anlass war die Ankündigung von Bosch, weltweit rund 13.000 Stellen abbauen zu wollen – darunter auch 1.250 Stellen im saarländischen Homburg. Das betreffe auch viele Arbeitnehmer in Rheinland-Pfalz, klagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion und lokale Abgeordnete Marcus Klein.

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CDU: Scharfe Kritik an Schweitzer und Masterplan Westpfalz

„Während die Bosch-Angestellten in Homburg nicht wissen, wie es weitergehen soll, lächelt Ministerpräsident Schweitzer bei der auswärtigen Fraktionstagung seiner rheinland-pfälzischen Genossen in Saarbrücken fröhlich in die Kameras“, schimpfte Klein, und forderte: „Die Beschäftigten, deren Arbeitsplätze nun auf der Kippe stehen, brauchen schnell neue Perspektiven – Klarheit muss her.“ Die CDU Landtagsfraktion habe im Juni gemeinsam mit der saarländischen CDU-Landtagsfraktion „eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung vorgelegt, die die Zukunft, insbesondere der Automobil- und Zulieferindustrie im Südwesten, sichern soll.“

Die Wirtschaft ankurbeln will auch Bundeskanzler Friederich Merz (CDU) - bislang ist das noch nicht gelungen. - Foto: CDU
Die Wirtschaft ankurbeln will auch Bundeskanzler Friederich Merz (CDU) – bislang ist das noch nicht gelungen. – Foto: CDU

Die Vorschläge seien ein „Masterplan für die Westpfalz“, die Landesregierung habe sie bislang aber ignoriert, kritisierte Klein. Rheinland-Pfalz und das Saarland müssten aber „gemeinsam Verantwortung für wirtschaftlichen Aufbruch und sicherheitspolitische Resilienz übernehmen.“ Künftig werde es wichtig sein, „Wirtschaftspolitik nicht nur entlang der Ländergrenzen zu gestalten, sondern schon wegen des hohen Auspendlerüberschusses in geografischen Räumen zu denken“, betonte auch der CDU-Wirtschaftsexperte Helmut Martin.

Das CDU-Papier schlägt unter anderem die Schaffung eines Südwest-Clusters „Sicherheit & Verteidigung“ samt Aufbau eines länderübergreifenden Kompetenznetzwerks aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Kommunen sowie die Gründung eines gemeinsamen Zentrums für sicherheitskritische Schlüsseltechnologien vor. Auch eine Stärkung militärischer Infrastruktur und die Entwicklung eines gemeinsamen Standortkonzepts für die militärische Einrichtungen in Rheinland-Pfalz und Saarbrücken wird angesprochen. Man könne sich als „strategische Logistikdrehscheibe in der NATO- und EU-Sicherheitsarchitektur“ positionieren und die Verteidigungsindustrie als Chance zu nutzen.

Das Papier fordert auch ein „klares Bekenntnis zur Automobil- und Zulieferindustrie als Schlüsselbranche“, eine Überarbeitung der Klimaschutzkonzepte beider Länder mit Fokus auf Technologieoffenheit sowie die Förderung aller klimafreundlichen Antriebe und einen Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität – gerade erst war erneut öffentlich geworden, dass Rheinland-Pfalz bundesweit die wenigsten Ladesäulen für E-Autos hat.

Info& auf Mainz&: Das ganze Papier der CDU-Landtagsfraktionen findet Ihr hier im Internet zum Download. Ausführliche Infos zur IHK-Industrieumfrage gibt es hier, mehr in Sachen Wirtschaftsschwäche und Rezession haben wir hier auf Mainz& berichtet.