Wie wird die Fastnachtskampagne 2022 in Mainz? Wird es überhaupt eine geben können, wenn schon die nächste Corona-Mutations-Welle durch Deutschland rollt? Beim Mainzer Carneval Club (MCC) sind sie skeptisch: „Wir hoffen natürlich auf eine normale Kampagne, aber der Optimismus schwindet, je länger es dauert“, sagte Florian Sitte vom MCC-Vorstand gegenüber Mainz&. In der Narrenszene werden verschieden Modelle diskutiert, ob und wie Fastnachtsveranstaltungen stattfinden können, und ob nur für Geimpfte und Genesene wie in Köln. Von dort kam hoher Besuch am Samstag zum MCC-Sommerfest: Die Kölner Kultband „De Räuber“ gab sich die Ehre.
Vor vielen Jahren begeisterte das Musik-Format „Kölle goes Meenz“ die Fans aus beiden Fastnachtshochburgen: In der Mainzer Rheingoldhalle wurde damals ein Abend lang der Musikkultur aus beiden Städten gehuldigt, zu den legendären Fastnachtskonzerten kamen Kultbands wie die Höhner und die Räuber aus Köln und trafen auf Mainzer Größen wie Se Bummtschaks. Nun lebte ein klein wenig von dem alten Spirit wieder auf: Beim Sommerfest des Mainzer Carneval Club (MCC) am Samstag im Schlossbiergarten gab sich niemand geringeres als die Kölner Kultband „De Räuber“ die Ehre.
Die Band gehört zu dem legendären Kleeblatt jener Karnevalsbands, die im Gefolge der Bläck Föös die Kölner Musikszene so richtig groß machten – die Höhner und die Paveier komplettieren das Quartett. Die vier Ursprungsbands hätten „viele Jahre hinweg die Stadt Köln repräsentiert und die Türen dafür geöffnet was danach gekommen ist“, sagt Räuber-Manager Michael Brand, Sohn des legendären Bandgründers Karl-Heinz Brand. Vor 20 Jahren standen die Räuber denn auch gemeinsam mit den Höhnern und den Paveiern schon bei „Kölle goes Mainz“ in Mainz auf der Bühne, seitdem aber sei viel passiert, sagt Brand
Gerade in jüngster Zeit haben „De Räuber“ viel Umbruch hinter sich: Frontmann Torben Klein verließ schon Ende 2018 die Band, in der Coronakrise verloren die Räuber zwei weitere Mitglieder, die in andere Berufe wechselten. „Wir haben Lust zu spielen, nach Corona, jetzt erst recht“, sagte Bassist Martin Zänder, der erst im Februar zu den Räubern dazustieß, Schlagzeuger Thommy Pieper ist die zweite Neubesetzung. Es sei „toll, Leute zu sehen, die aufblühen, wenn sie Livemusik hören“, freute sich Zänder nach seinem Auftritt in Mainz – und staunte über die tolle Stimmung in Mainz. „Das möchte ich mal im Karneval sehen“, sagte er im Gespräch mit Mainz&.
Und wer weiß, vielleicht geht da ja was: „Wir wollen, wenn möglich, nächstes Jahr wieder kommen, und wenn möglich ein Konzert hier spielen“, sagte Manager Brand – die Räuber sind nach dem Neuanfang auf Promotion-Tour. Lange habe sich die Produktion neuer Lieder wegen der Corona-Pandemie nach hinten verschoben, jetzt aber habe man mit „Mia“ einen neuen Sommerhit am Start. „Es ist ein Sommersong, eine Art Calypso-Rock“, sagt Zänder, und lacht – man merkt der Band an, wie sehr sie die Auftritte vermisst hat. Rund 250 Auftritte spielen de Räuber allein in der Karnevalssession binnen zweier Monate, im Sommer sind es gewöhnlich noch einmal 70 bis 80. „Derzeit fahren wir eine Auslastung von vielleicht 4 bis 5 Prozent“, sagt Zänder seufzend.
Und die Frage ist ja: Wird das im kommenden Frühjahr überhaupt anders? Wird es überhaupt eine richtige Fastnachtssaison mit Sitzungen im Saal und Umzügen auf der Gasse geben können? „Das ist alles ein riesiges, großes Fragezeichen“, sagte Florian Sitte, bekannter Aktiver beim MCC und Sitzungspräsident der „Fastnight“, denn niemand könne derzeit sagen, wie sich die Corona-Pandemie weiter entwickele. Gerade steigen die Corona-Inzidenzen wieder stark an, die vierte Welle rollt an – wie das in vier Monaten aussieht, die Prognose wagt derzeit niemand.
Doch für die Vereine ist das ein Riesenproblem: Fastnachtssitzungen unter Corona-Bedingungen, mit Abstand und der Hälfte der Zuschauer im Saal? Friedrich Hofmann winkt ab: „Ich sehe keine Kampagne, jedenfalls keine normale“, sagt der MCC-Vizepräsident, er rechne am ehesten mit einer abgespeckten Fastnachtskampagne – schon wieder. Denn für die Vereine rechnen sich die Sitzungen nur, wenn die Säle auch voll sind und die kompletten Einnahmen erwirtschaftet werden können. „Wenn der Saal nicht voll ist, macht in meinen Augen auch eine Fastnight keinen Sinn“, sagt auch Sitte.
Bislang plane der MCC noch eine ganz normale Kampagne mit ganz normalen Sitzungen, auch kürzere Sitzungen ohne Pause seien eine Überlegung, berichtet Sitte – aber die Hoffnung schwindet angesichts immer neuer Ansteckungswellen. „Dann müsste man sich überlegen, ob man wieder mehr Online-Formate macht“, sagte Sitte, der MCC habe in der vergangenen Kampagne gute Erfahrungen mit dem Format der „DisTanz“ gemacht. Die Online-Sitzung von Prinzengarde und MCC wurde zum mitreißenden Fastnachts-Rock-Konzert, und am Ende von rund 20.000 Zuschauern gesehen, ein Erfolg der Online-Kampagne.
„Wenn das eine live nicht geht, werden wir etwas anderes machen müssen“, betont Sitte, immer gehe es darum, „die Fahne hochzuhalten“ und das Brauchtum Fastnacht weiter zu pflegen. „Aber der Optimismus schwindet, je länger es dauert“, sagt Sitte, und je länger die Impfquote so schlecht bleibe wie derzeit. Denn eines sei ja auch klar, sagt der MCC-Starredner noch: „Ohne Impfen wird es keine Fastnacht geben.“ In Köln haben die Karnevalisten bereits entschieden, in ihre Veranstaltungen nur Geimpfte und Genesene reinzulassen, das sogenannt 2G-Modell wird seither auch in Mainz heiß diskutiert.
„Wenn, dann muss es eine zentrale Abstimmung geben, dann müssen sich Garden und Vereine einig sein“, sagt Sitte, „sonst macht das überhaupt keinen Sinn, und das Chaos ist vorprogrammiert.“ Es brauche eine Abstimmung zwischen den Vereinen und auch mit der Stadt und dem Kongresszentrum, fordert er: „Egal, wie die Sitzungen aussehen, das muss aus meiner Sicht eine einheitliche Sache werden“, betont Sitte, und fügt noch hinzu: „Das wäre jetzt eine Aufgabe für die Fastnacht eG.“
Info& auf Mainz&: Den neuen Song „Mia“ von den Kölner Räubern könnt Ihr Euch im Video hier auf Youtube ansehen. Eine Bilanz der Online-Kampagne 2021 haben wir hier auf Mainz& gezogen, dort geht es auch um DisTanz, Streamung & Co. Die Homepage des MCC findet Ihr hier im Netz.
Auf seinem Sommerfest bot der MCC übrigens auch einen streng limitierten Jubiläums-Riesling aus dem Hause Braunwell an, das besondere dabei: Der Erlös aus dem Weinverkauf geht an das von der Ahr-Flut schwer getroffene Sinziger Lebenshilfehaus – in der Behinderteneinrichtung starben in der Flutnacht zwölf Menschen in den überfluteten Erdgeschoss-Räumen. Den Wein kaufen und helfen kann man beim MCC – einfach Email an hilfe@mainzercarneval.club schreiben – oder bei der Wein-Lisbeth im Lulu im alten Karstadthaus.