Die Sorge um die beiden Karstadt- und Kaufhof-Warenhäuser in Mainz wächst, im Juni soll die Entscheidung fallen, ob eines der beiden Häuser dem Sanierungsplan für das Unternehmen zum Opfer fällt. Der Mainzer SPD-Chef Johannes Klomann sprach sich am Freitag für den Erhalt beider Standorte aus, die Mainzer Linke forderte eine politische Lösung für den Erhalt der Arbeitsplätze der rund 150 Beschäftigten. Es brauche nun einen „Runden Tisch“ unter Federführung des Stadtvorstandes, der gemeinsam mit Beschäftigten, Geschäftsleitung und Vermietern Interessen abwäge und Perspektiven aufzeige, forderte, die Linke.
Das Unternehmen Galerie Karstadt Kaufhof war bereits vor der Corona-Krise in erhebliche Finanzprobleme geraten und beantragte Anfang April ein Schutzschirmverfahren in Eigenregie, um eine Insolvenz abzuwenden. Mitte Mai wurden erste Informationen aus einem Sanierungskonzept bekannt – mit einem Schock für die Beschäftigten: Bis zu 80 Filialen der Warenhauskette könnten demnach dem Sanierungspfad zum Opfer fallen. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hatte das Unternehmen Galerie Kaufhof im März 2019 noch 95 Warenhäuser mit rund 16.000 Beschäftigten, zu Karstadt gehören 80 Warenhäuser mit rund 12.000 Beschäftigten.
Mainz könnte von den Schließungsplänen erheblich betroffen sein: Dass sowohl die Kaufhof-Filiale in der Schusterstraßer, als auch der Karstadt auf der Ludwigsstraße erhalten bleiben, gilt als höchst unwahrscheinlich. „Die Lage ist sehr, sehr ernst, „die Hütte brennt“, sagte der Mainzer Linksfraktionschef Tupac Orellana am Freitag nach einem Treffen mit den Betriebsräten der beiden Häuser. Ob es zu Schließungen in Mainz komme und in welcher
Form, sei zwar noch immer nicht bekannt, aber die Zukunft für die Angestellten sei ungewiss, die Angst der Mitarbeiter groß. Bis zu 150 Beschäftigten drohe der Jobverlust, gerade vielen dort beschäftigten Frauen der Absturz in die Altersarmut.
„Die Angestellten haben die Konzernmisere nicht verursacht, im Gegenteil: Die Angestellten
haben den Konzern durch massiven Lohnverzicht bis jetzt am Leben erhalten“, betonte Orellana: „Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Menschen jetzt für Investoreninteressen unter die Räder geraten.“ Durch den Insolvenzplan drohten erneute Einsparungen auch beim Personal, warnte auch der Mainzer SPD-Chef Johannnes Klomann: „Die Kollegen haben in den letzten Jahren schon massive Gehaltseinbußen, teilweise um die zehn Prozent, hinnehmen müssen. Weiteren Verzicht kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen – von irgendwas müssen die Menschen auch leben“ betonte er.
Klomann forderte denn auch beide Warenhäuser in Mainz müssten erhalten werden. „Wir brauchen beide Standorte für die Weiterentwicklung der Mainzer Innenstadt als Einkaufsstandort“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete, der sich ebenfalls am Freitag mit den Betriebsratsvorsitzenden beider Standorte traf, dort hingen Arbeitsplätze und Existenzen von Menschen daran. Orellana warnte zudem, ein Aus eines Warenhauses werde auch Konsequenzen auch für Zulieferbetriebe und ortsansässige Handels- und Gewerbebetriebe im Umfeld haben, „die soziale Katastrophe wäre vorprogrammiert.“
Die Linke fordert nun einen „Runden Tisch“ in Sachen Karstadt Kaufhof unter Federführung von Oberbürgermeister und Wirtschaftsdezernentin. Das Gremium solle gemeinsam mit Beschäftigten, Geschäftsleitung und Vermietern „konsensual die Interessen abwägen und allen Beteiligten eine Perspektive“ aufzeigen. Dabei sollten besonders demokratische Beteiligungsmodelle angesprochen werden, die den Mitarbeitern neue Chancen eröffneten und es ihnen ermögliche, ihre eigene Zukunft zu gestalten.“
Solidarität mit den Beschäftigten hatte zu Beginn der Woche auch die Altstadt-SPD gefordert. „Es darf nicht sein, dass der mittelständische Einzelhandel und die Gastronomie in Mainz an ihre Grenzen gehen, um Arbeitsplätze zu erhalten, große Betriebe aber gleichzeitig Massenentlassungen planen“, kritisierten die Vorsitzenden der Altstadt-SPD, Lutz Hofer und Marie Kaiser. Die Corona-Krise dürfe nicht als Vorwand dienen, Restrukturierungsmaßnahmen durch die Hintertür durchzuführen.
So sieht das auch die Gewerkschaft Ver.di: „Wir erwarten von den Bevollmächtigten einen Zukunftsplan für die Warenhäuser statt Berechnungen, wie vielen Beschäftigten die Existenz geraubt werden soll“, sagte der Ver.di-Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel Orhan Akman. Die Karten müssten offen auf den Tisch, auch Eigentümer René Benko müsse sich klar positionieren. „Die Beschäftigten erwarten von ihm Zukunft statt Kahlschlag“, betonte Akman – zumal die Schieflage der Warenhäuser nicht durch die Beschäftigten verursacht worden sei, „sondern vorrangig durch das Management“. Warenhäuser hätten nach wie vor eine Zukunft, betonte Akman, jetzt komme es darauf an, „die Tradition der Warenhäuser modern zu denken.“
In Mainz ist die Situation auch deshalb besonders pikant, weil hier das alte Karstadt-Haus zum neuen Einkaufszentrum „Boulevard LU“ umgebaut werden soll. Bislang plant Investor Dirk Gemünden noch mit Karstadt als Ankermieter, da der Konzern noch einen laufenden Mietvertrag hat. Doch die Familie Gemünden rechnet längst auch eine Variante ohne Karstadt: „Wir müssen immer so konzipieren, dass es eine Drittverwendungsfähigkeit haben kann“, sagte Ingenieur Tim Gemünden, „wir würden nie nur eine Verwendung einplanen.“ Und Senior-Chef Dirk Gemünden verriet, das Konzept für den neuen „Boulevard LU“ setze inzwischen deutlich mehr auf Kleinteiligkeit der Läden – eine Ankermieter-Funktion könne man auch mit Hilfe eines Lebensmittelmarktes erreichen.
Kommentar& auf Mainz&: Ein Aus von Karstadt böte Chancen für eine modernere Zukunft
Seien wir mal ehrlich: Wann waren Sie zuletzt im Karstadt an der Mainzer Ludwigsstraße einkaufen? Der Bau ist längst in die Jahre gekommen und verströmt den Einkaufscharme der 1970er Jahre, die Aufteilung der Geschosse: altmodisch, der Zugang: abschreckend, die Gänge meist verwaist. Modernes Einkaufserlebnis sieht wahrlich anders aus. Anders steht da der Kaufhof in der Schusterstraße da: Transparente Glasfassaden vermitteln einen Hauch von Luxus, das Sortiment hat zwischen edlen Küchenutensilien, Dessous, Taschen und junger Mode eine ansprechende Bandbreite zu bieten. Und über allem schwebt die Frage: Wie attraktiv sind Gemischtwarenhäuser im 21. Jahrhundert überhaupt noch?
Die Mainzer Warenhäuser Karstadt und Kaufhof haben eine lange Tradition, doch spätestens seit der Fusion von 2019 war jedem Beobachter klar: Es wird in Zukunft nur noch eines geben. Von außen betrachtet, aus Kundensicht, kann das eigentlich nur der Kaufhof in der Schusterstraße sein: Mitten in der Einkaufszone ist der Kaufhof Kundenmagnet und Frequenzbringer für seine Umgebung zugleich, das Haus funktioniert weitestgehend, die Kundschaft ist da. Der Karstadt auf der LU wirkte dagegen schon lange nur noch wie ein Schatten-Kaufhaus, Ramschtische vor der Tür und ein ungepflegtes Eingangsareal trugen zur Attraktivitätssteigerung wenig bei.
Seien wir ehrlich: Für so ein Warenhaus ist die Zeit schon lange abgelaufen. Das heißt nicht, dass Warenhäuser überhaupt keine Chancen mehr haben – modern gestaltet können sie mit ihren Shop-in-Shop-Systemen und einer großen Vielfalt sehr wohl noch punkten. Es wäre folgerichtig, wenn sich die Warenhauskette auf den Mainzer Kaufhof konzentrierte – und die Familie Gemünden den „Boulevard LU“ ohne einen altbackenen Ankermieter plante. Das würde Raum für neue Konzepte und Spielwiesen eröffnen, zumal Gemündens längst signalisieren: Das Einkaufszentrum auf der LU wird auch ohne Karstadt gebaut.
Die Beschäftigten der Warenhäuser dürfen dabei aber nicht im Regen stehen gelassen werden – ihnen muss eine Perspektive für zukunftsfähige, moderne Arbeitsplätze geboten werden. Es ist ein Unding, sie mit ihren Ängsten einfach im Regen stehen zu lassen – gerade jetzt, in Coronazeiten.
Info& auf Mainz&: Den ganzen Bericht zur Zukunft des „Boulevard LU“ mit und ohne Karstadt-Warenhaus lest Ihr hier bei Mainz&. Die Stellungnahme der Gewerkschaft Ver.di zum Sanierungsprogramm von Galeria Karstadt Kaufhof findet Ihr hier im Internet.