Nach der Stadt Wiesbaden und der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität verlässt nun auch die Stadt Mainz die Nachrichtenplattform X. Die Entscheidung traf Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) am Montag, teilte die Stadt Mainz nun mit. Anlass: X-Besitzer Elon Musks jüngste Äußerungen zur deutschen Gedenkkultur an die Opfer der Nazidiktatur. Musks Äußerungen seien „brandgefährlich“, die Entwicklung der Plattform „nicht mit den Werten der Landeshauptstadt Mainz vereinbar“, sagte Haase.

Elon Musk ließ sich am Samstag live auf den AfD-Parteitag zuschalten, lobte die AfD - und rief dazu auf, die Erinnerungskultur "hinter sich zu lassen." - Video: ZDF, Screenshot: gik
Elon Musk ließ sich am Samstag live auf den AfD-Parteitag zuschalten, lobte die AfD – und rief dazu auf, die Erinnerungskultur „hinter sich zu lassen.“ – Video: ZDF, Screenshot: gik

Seit Anfang des Jahres hat ein wahrere Exodus von der einst als Kurznachrichtendienst Twitter gegründeten Plattform X eingesetzt. Grund ist die zunehmende Radikalisierung von X-Besitzer Elon Musk in seinen Äußerungen zu rechtsextremen Themen – und seine Einmischung in den deutschen Bundestagswahlkampf. So hatte Musk etwa die AfD als „einzige Chance“ für Deutschland bezeichnet, und AfD-Spitzenkandidatin Alice Weigel in einem Videogespräch auf X geradezu hofiert.

Dass Weigel dabei Adolf Hitler „einen Kommunisten“ nannte, und Musk enorme Informationslücken über Deutschland und die AfD offenbarte,  vertiefte das Entsetzen nur noch. In Deutschland distanzieren sich seither immer mehr Unternehmen, aber auch Besitzer von Tesla-Autos von Elon Musk – und immer mehr Unternehmen, Prominente und Institutionen ziehen sich von X zurück.

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Wissenschafts-Community flüchtet von X, Wiesbaden sagt Adé

Anfang Januar hatten so etwa 60 deutsche Universitäten und Forschungseinrichtungen ihren Abschied von X angekündigt: Die Plattform sei „kein Umfeld mehr für einen demokratischen Diskurs.“ Dazu gehört auch die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz: Man ziehe sich wegen „der fehlenden Vereinbarkeit der aktuellen Ausrichtung der Plattform mit den Grundwerten Weltoffenheit, wissenschaftliche Integrität, Transparenz und demokratischer Diskurs“ zurück, teilte die JGU auf ihrer Homepage mit.

Die Stadt Wiesbaden wechselt Ende Januar von X auf Whatsapp. - Foto: Stadt Wiesbaden
Die Stadt Wiesbaden wechselt Ende Januar von X auf Whatsapp. – Foto: Stadt Wiesbaden

Der Abschied der Wissenschafts-Community ist kein kleiner Einschnitt: Gerade die international aufgestellte Wissenschaftsszene hatte sich stark über Twitter vernetzt gehabt, ihr Abschied dürfte zumindest in Deutschland einen deutlichen Unterschied im Traffic ausmachen. X sinkt damit in der Relevanz deutlich, zumal auch immer mehr Politiker, Journalisten und Medien X verlassen. Mitte Januar hatte dann auch die Stadt Wiesbaden angekündigt, X zum Monatsende Januar zu verlassen, und Meldungen aus dem Rathaus künftig auch auf einem eigenen Whatsapp zu verbreiten.

Nun zieht die Stadt Mainz nach: Zum Ende des Monats Januar werde die Landeshauptstadt Mainz die Social Media-Plattform X verlassen, teilte die Stadtverwaltung am Montag mit. Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) habe die Entscheidung persönlich getroffen – Anlass war offenbar Musks jüngste Entgleisung: Der US-Milliardär und engster Vertrauter von Donald Trump hatte am Wochenende auf dem Parteitag der AfD gesprochen – und dabei behauptet, der Fokus in Deutschland sei „zu sehr auf die Schuld der Vergangenheit gerichtet, das müssen wir hinter uns lassen.“ Zudem schwärmte der Tech-Milliardär von der „deutschen Kultur“, die „tausende Jahre“ zurückreiche, wie etwa der Stern berichtet.

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Haase: Musks Aussagen zur Gedenkkultur „brandgefährlich“

Das sorgte auch international für Entsetzen: Polens Regierungschef Donald Tusk schrieb – ausgerechnet auf X – , solche  Aussagen über die Größe Deutschlands und die Notwendigkeit, deutsche Schuld und Naziverbrechen hinter sich zu lassen, „klangen nur allzu vertraut und bedrohlich“ – vor allem „nur wenige Stunden vor dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz.“ Auch die Nationalsozialisten hatten von einem Tausendjährigen Reich geschwärmt, von „deutscher Größe“ – und der Vormachtstellung „arischer“ Menschen. Die Forderung nach einem Ende der Gedenkkultur an die Gräueltaten der Nazis und ihrer Opfer wiederum ist ein typischer Baustein der Argumentation von Rechtsextremisten.

Totalitäre Bildsprache, typische rechtsextreme Ansagen zur Erinnerungskultur: US-Milliardär Elon Musk auf dem Parteitag der AfD. - Video: ZDF, Screenshot: gik
Totalitäre Bildsprache, typische rechtsextreme Ansagen zur Erinnerungskultur: US-Milliardär Elon Musk auf dem Parteitag der AfD. – Video: ZDF, Screenshot: gik

„Die Äußerungen Elon Musks zur deutschen Gedenkkultur an die Opfer der Nazidiktatur und diese im Kern ’nun hinter sich zu lassen‘ sind ein nicht akzeptabler Tiefpunkt der letzten Wochen“, kritisierte nun auch OB Haase. Eine solche Äußerung kurz vor dem 80. Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz sei „brandgefährlich und ein direkter Angriff auf unsere deutsche Staatsräson des ‚Nie wieder!'“ Die Entwicklung Musks sowie seiner Plattform X sei deshalb nicht länger mit den Werten der Landeshauptstadt Mainz vereinbar.

„Die Würde aller Menschen – auch über den Tod hinaus – ist in unserem Grundgesetz festgeschrieben und unantastbar“, betonte Haase weiter: „Gedenken eint und bedeutet Versöhnung sowie gemeinsames Einstehen dafür, solche Menschheitsverbrechen in der Zukunft zu verhindern, und ist essentiell für eine Gesellschaft, die über alle Gruppen und Generationen zusammensteht und zusammenhält.“ Deshalb habe er am Montag entschieden, die Präsenz der Landeshauptstadt Mainz auf der Plattform X komplett einzustellen. Am Montag gedachte die Welt des 80. Jahrestags der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee im Jahr 1945.

Haase kündigte zudem an, bis Ende Januar werde der städtische Account auf X auch komplett deaktiviert. Die Landeshauptstadt Mainz hatte zuletzt auf Twitter noch mehr als 13.000 Follower. Der Aufgabe, verlässlich und transparent zu informieren, komme die Stadt Mainz „natürlich weiterhin nach“, betonte Haase außerdem: „Wir nutzen auch künftig die bestehenden Kanäle, vor allem Instagram, Facebook und LinkedIn sowie klassische Pressearbeit und die Website mainz.de.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Abschied von Wiesbaden von der Plattform X, und wie Wiesbaden künftig Whatsapp nutzt, lest Ihr hier auf Mainz&.