Die Entscheidung für eine neue Koalition im Mainzer Stadtrat rückt mit großen Schritten näher: Am Abend treffen sich die Grünen zu einer Mitgliederversammlung, und die wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen beschließen. Klar ist dabei: Eine Ampel mit Beteiligung der Europapartei VOLT wird es nicht geben – VOLT lehnte am Nachmittag einen Eintritt in Koalitionsverhandlungen ab. Damit bleibt eigentlich nur eine Option für ein stabiles Bündnis übrig: Eine Kenia-Koalition aus Grünen, CDU und SPD.
Bei der Kommunalwahl am 9. Juni hatten die Wähler in Mainz zwar die Grünen erneut zur stärksten Kraft im Mainzer Stadtrat gemacht, zugleich aber der bisherigen Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP keine Mehrheit mehr beschert: Die Grünen mussten Spitze abgeben und kommen im neuen Stadtrat nun auf 15 Sitze, die FDP musste ebenfalls einen Sitz abgeben und stellt jetzt drei Stadträte. Einzig die SPD konnte trotz leichter Stimmverluste ihre Sitzanzahl von 12 halten.
Damit aber kommt die alte Ampel-Koalition nur noch auf 30 Sitze im Mainzer Stadtrat – zu wenig für eine Mehrheit, die im 60 Sitze fassenden Rat mindestens 31 Stimmen bräuchte. Da lag es für die Ampel-Fraktionen nahe, eine Zusammenarbeit mit der Europapartei VOLT zu prüfen, wie es sie in anderen Städten wie Wiesbaden oder Frankfurt bereits gab. Tatsächlich wurde “die V-Ampel”, wie sie in Hessen genannt wird, nach Mainz&-Informationen auch in intensiven Sondierungsgesprächen ausgelotet, doch am Ende wurde daraus – nichts.
VOLT lehnt Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ab
Am Donnerstag teilte VOLT überraschend per Pressemitteilung mit, die junge Partei werde nicht in Koalitionsverhandlungen eintreten. Trotz guter Sondierungsgespräche halte man “erfolgreiche Koalitionsverhandlungen zum aktuellen Zeitpunkt nicht für möglich”, teilte die Partei mit. “Im Rahmen der vertraulichen Gespräche hatten wir einen überwiegend konstruktiven Austausch mit verschiedenen Parteien”, teilte die Verhandlungsgruppe mit: “So, wie Volt bereits in Frankfurt, Wiesbaden oder Köln mitregiert, würden wir auch gerne in Mainz Verantwortung übernehmen.”
Leider aber “sehen wir trotz der teilweise hohen inhaltlichen Übereinstimmungen und wertvollen Begegnungen derzeit keine ausreichende Grundlage für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen”, begründete die Mainzer Volt-Vorsitzende Luca Loreen Kraft die Absage. Es sei “der Eindruck entstanden, dass zum aktuellen Zeitpunkt und innerhalb kurzer Zeit nicht das notwendige Vertrauen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aufgebaut werden konnte.”
Auch die Ablehnung einer digital gestützten Arbeitsweise durch eine Partei habe für Volt “ein weiteres Hindernis dargestellt”, heißt es zur Begründung weiter: Ein Ehrenamt müsse mit Familie und Beruf vereinbar bleiben, die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass die digitale Zusammenarbeit inklusiv und effektiv durchführbar sei. “Wir bedauern, dass die bisherigen Gespräche keine ausreichende Grundlage für die Aufnahme von Verhandlungen über eine Beteiligung an der Stadtregierung bieten”, sagte Volt-Fraktionschef Sascha Kolhey.
VOLT hatte im vergangenen Stadtrat Arbeit eingestellt
Das Vorgehen ist eher ungewöhnlich und erinnert an die Koalitionsverhandlungen in Wiesbaden: Dort hatten Grüne, SPD und Linkspartei gemeinsam mit VOLT koalieren wollen, doch VOLT ließ in letzter Sekunde die Koalitionsgespräche platzen und beschloss, die Dreierkonstellation nur in Form einer Kooperation zu unterstützen. Auch aus den Mainzer Sondierungen war zu hören, man habe Zweifel an der Verlässlichkeit der weitgehend neuen VOLT-Akteure – auch habe die neue Fraktion im Stadtrat offenbar noch überhaupt keine Vorstellung von kommunalpolitischen Themen und suche noch ihre eigenen Positionen.
Tatsächlich saß zwar ein Vertreter von VOLT auch die vergangenen fünf Jahre im Mainzer Stadtrat, doch die gemeinsame Fraktion mit den Piraten löste sich 2023 auf, die Stadträte schlossen sich der Grünen-Fraktion an – von einer eigenständigen VOLT-Politik war nichts mehr zu sehen und zu hören. Im Kommunalwahlkampf hatte die Partei dann praktisch ausschließlich auf ihre Themen der Europawahl gesetzt, eigene Mainzer Themen wurden nicht sichtbar – trotzdem zog die Partei mit 5,2 Prozent und drei Sitzen in den Stadtrat ein.
Dort präsentierte sich VOLT am Dienstag bei der Konstituierung des Stadtrats mit einer komplett neuen Fraktion und neuen Akteuren im Rat: Neben Fraktionschef Sascha Kolhey sind das die Stadträte Francesca Beyer und Britta Werner. “Wir wollen unsere konstruktive Rolle im Stadtrat noch stärker als in den letzten fünf Jahren ausüben und uns verantwortungsvoll für die Themen einsetzen, die den Bürger*innen am Herzen liegen.””, betonte Francesca Beyer am Donnerstag.
Kommt jetzt die Kenia-Koalition aus Grüne, SPD und CDU?
Ziel von VOLT sei es, “eine Stimme für die Mainzer Bürger*innen zu sein”, sagte Britta Werner. Die Fraktion werde “weiterhin konstruktive Vorschläge einbringen, das Gespräch mit der Verwaltung suchen und positive Impulse im Sinne einer modernen, progressiven und europäischen Politik setzen.” Man wolle Initiativen vorantreiben, “die die städtische Infrastruktur verbessern, soziale Freiräume erweitern und digitale Innovationen sowie Beteiligungsprozesse fördern”, so die Fraktion weiter – konkreter wurde sie nicht. Man wolle “Mainz als eine moderne, lebenswerte und zukunftsorientierte Stadt voranbringen.”
Damit braucht eine Mehrheit im Mainzer Stadtrat entweder mindestens vier Partner zu einer Mehrheit – also etwa Grüner, SPD, FDP und Linke, oder aber ein Bündnis aus CDU mit SPD plus drei weiteren Partnern, also FDP, Freie Wähler und ÖDP. Beide Optionen sind unwahrscheinlich – also bleibt nach Mainz&-Informationen wohl nur eine Lösung: die ganz große Koalition aus Grünen, SPD und CDU.
Die sogenannte Kenia-Koalition ist höchst ungewöhnlich, müssten dafür doch vor allem Grüne und CDU sich enorm zusammenraufen. Der Vorteil dieser Koalition: Sie hätte mit 41 Sitzen eine überwältigende Mehrheit im Mainzer Stadtrat, und damit eine stabile Basis für die Zusammenarbeit. Das ist nicht unwichtig, stehen doch in den kommenden fünf Jahren nicht nur wichtige Weichenstellungen in Sachen Klima, Verkehr und Stadtentwicklung an – sondern wohl auch die Neuwahl sämtlicher Dezernenten im Stadtvorstand.
Kenia-Bündnis hätte überwältigende Mehrheit im Stadtrat
Der Nachteil der Konstellation: sie hätte eine überwältigende Mehrheit von mehr als zwei Dritteln im Mainzer Stadtrat – die Opposition würde damit fast schon marginalisiert. Insgesamt sieben Parteien müssten mit ihren Kleinstfraktionen ein Gegengewicht zur großen Mehrheitskoalition bilden. Allerdings hatte der Stadtrat in seiner konstituierenden Sitzung am Dienstag auch Beschlüsse zur Größe der Gremien gefasst, die sicher stellen sollen, dass auch kleine Fraktionen in den Ausschüssen vertreten sind, ein guter Zug für eine demokratische Teilhabe.
Der Donnerstagabend dürfte nun spannend werden: Nach Mainz&-Informationen wollen nicht nur die Grünen ihre Mitglieder befragen, auch CDU und SPD sitzen in eigenen Gremien zusammen. Alle drei Parteien könnten demnach jeweils die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen beschließen – sofern die grüne Basis mitspielt. Der Abschluss von Koalitionsverhandlungen würde dann wiederum noch einige Wochen dauern, ein Ergebnis wohl im Herbst vorliegen.
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