Wummernde Bässe, feiernde Narren, und eine bebende Rheingoldhalle: In Mainz heißt es ja, da wackele der Dom, wenn die Narren tanzen, am Freitagabend aber bebte ein ganz anderes Gebäude. Zum zweiten Mal hatte der Gonsenheimer GCV zur „Stehung“ in die Mainzer Rheingoldhalle geladen, und man konnte nur sagen: gut, dass die gerade frisch fit gemacht wurde. Im restlos ausverkauften Haus feierten 3.000 Narren erneut eine gigantische Party – mit Humbas und Hofsängern, Handkäs, Gänsjers und Dobbelbock. Sage nie mehr jemand, Mainz habe keine Fastnachts-Musikszene.

Los geht's: Auf zur zwölften Stehung des GCV, mit Thomas Becker und Christoph Seib. - Foto: gik
Los geht’s: Auf zur zwölften Stehung des GCV, mit Thomas Becker und Christoph Seib. – Foto: gik

„Die Luft brennt!“, ruft Moderator Christoph Seib in den Saal, und besser kann man es nicht ausdrücken: Es ist 22.00 Uhr, und in der Mainzer Rheingoldhalle steht nichts und niemand mehr still. Gerade entern die „Schnorreswackler“ die Bühne, die Sangescombo aus Gonsenheim hat keinerlei Mühe, den Saal zum Kochen zu bringen. „Hier bleibt keiner alleens, bei der Fassenacht in Meenz“, schmettern die Sänger – es wäre auch der falsche Ort zum Alleinsein: 3.000 Narren tummeln sich in der restlos ausverkauften Rheingoldhalle.

Gekommen sind sie zur insgesamt zwölften „Stehung“, jenes Fastnachtsformats, das der Gonsenheimer Carneval-Verein (GCV) 2011 aus der Taufe gehoben hatte. Die Idee: vier bis fünf Stunden reine Fastnachtsmusik mit ein bisschen Comedy dazwischen – das erste Format eines Fastnachtskonzerts in Mainz war geboren. Seit den Anfängen in der Turnhalle in Mainz-Gonsenheim ist viel passiert: Die fastnachtliche Musikszene in Mainz ist längst explodiert, immer neue, junge Bands drängen auf die Bühnen, und erfinden die Fastnachtsmusik neu.

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Fastnachts-Rockkonzert wie auf Wolke 11: Mit Margit und Humba

Was nicht bedeutet, dass Traditionen über Bord gekippt werden: Das „Meenz bleibt Meenz“ der Schnorreswackler ist selbst schon ein Klassiker, und wenn Thomas Neger und seine „Humbas“ auf die Bühne kommen, darf das ewige „Im Schatten des Doms“ nicht fehlen. Und wer das jetzt langweilig findet, hat noch nie erlebt, wie das Lied aus 3.000 Kehlen  gleichzeitig erschallt. Da schweben die Narren auf Wolke 11, von der hoch oben von der Saaldecke Gardist und „Till“ mit dem Narrenspiegel herunterlächeln.

Spot an auf die "Humbas".: Stehung 2024. - Foto: gik
Spot an auf die „Humbas“.: Stehung 2024. – Foto: gik

Ein Wunder ist allerdings, dass Ballons und Narrenwolken nichts längst aus ihren Verankerungen gerissen sind: Gerade wieder donnern fette Beats und harte Rockriffs durch den Saal. Die „Humbas“ können nämlich nicht nur Fastnachtsschmelz, sondern – was Eingeweihte längst wissen – auch waschechte Rockmusik: „Wenn Margit singt“, die gerockte Hommage an die Mainzer Fastnachtsikone Margit Sponheimer, wird zu einem der Höhepunkte des Abends – ein Video davon seht Ihr hier auf unserem Facebook-Profil.

Und der ist wahrlich nicht arm an solchen Momenten: Ob Spaßmacher oder „Moritze“, Amigos del Sol oder „Handkäs und sei Mussigg“ mit ihrem mitreißenden „111 Prozent“ – es wird gefeiert und gerockt und geschunkelt, was die Füße hergeben. Und wenn die Mainzer Hofsänger ihren jüngsten Streich, nämlich eine Backstreet-Boys-Nummer, aufs Parkett legen, dann steht der Saal Kopf. Ja, auch der ehrwürdige, altbekannte Fastnachtschor kann inzwischen fetzig – und auf dem neuen Laufsteg, der mitten ins Publikum der tosenden Rheingoldhalle hineinführt, fühlen sich die Fastnachtssänger ohnehin alle wie Rockstars.

„Fastnachtsgeile“ Stehung und ein Ständchen für Oli Mager

Und so absolviert „Ernesto Negro“ alias Christian Schier seine skurrilen Tanzeinlagen sehr zur Freude des Publikums nun wirklich hautnah vor den Fans, während seine Band „die geheilten Gänsjers“ den Rockbeat ins Narrenvolk schleudern. Einzig Oliver Mager fehlt – der beliebte Sänger wird seit Wochen von einer Erkrankung ausgebremst, also singt ihm zur Abwechslung das Publikum ein „Werd-schnell-wieder-gesund“-Ständchen.

"Dobbelbock" auf der Stehung 2024. - Foto: gik
„Dobbelbock“ auf der Stehung 2024. – Foto: gik

„Ohne Dich“ ist sowieso ein wenig das Motto dieses Januars geworden, wohl noch nie litt eine Fastnachtskampagne unter so vielen Ausfällen von Rednern oder Musikern gleichzeitig – Corona lässt grüßen und hält die Narrenszene auch im Jahr vier nach dem Ausbruch der Pandemie fest in der Hand. „Ohne Dich“ ist aber natürlich vor allem der neueste Hit von „Dobbelbock“, und wenn Andy und Matze Bockius die Bühne stürmen, gibt es längst kein Halten mehr im Saal. Die Energie der beiden „Jungs“ ist schlicht ansteckend, der Saal bebt natürlich schon wieder – oder immer noch.

Das hört dann auch einfach nicht mehr auf: „Ich bin fastnachtsgeil“, rappen die Jungs in roter Uniform auf der Bühne – die RotRockRapper sind da, und spätestens jetzt hat die „Stehung“ keinerlei Ähnlichkeit mit einer Fastnachtssitzung mehr, muss dafür aber keinen Vergleich mehr mit einem Megakonzert scheuen. Dazu trägt auch die absolut fantastische Lightshow der neuen Lichtanlage in der Rheingoldhalle bei, die von den Experten hinter der Bühne souverän gesteuert wird, und einfach unglaubliche Lichtszenarien in den Saal zaubert.

Ausnahmezustand, Glücksmoment und ein Plädoyer für Frieden

Bei all dem vergessen die Narren aber auch das große Weltgeschehen nicht: „Wenn’s ganze Jahr Fastnacht wär'“, singt Michael Hay, „dann gäb‘ es keine Kriege mehr…“ Geschrieben wurde das Lied eigentlich schon für die Kampagne 2023, als der Ukraine-Krieg gerade frisch ausgebrochen war, im Jahr 2024 passt das große Plädoyer für Frieden und Toleranz noch einmal doppelt so gut. „Geht demonstrieren!“ ruft der Sänger aus der Mainzer Neustadt noch in den Saal: „Denn die Lösung heißt nie: Faschismus!“ Politisch ist die Meenzer Fastnacht eben auch noch in der Musik.

Brachten den Saal zum Beben:_ Die Rot Rock Rapper der Prinzengarde. - Foto: gik
Brachten den Saal zum Beben:_ Die Rot Rock Rapper der Prinzengarde. – Foto: gik

„You’ll never stand alone“ lautet das Motto der „Stehung“, und die Narren nehmen das wörtlich, vom Musikzug der Füsiliergarde zur Eröffnung bis zu den Bummtschaks am Schluss. Die beiden Moderatoren Christoph Seib und Thomas Becker müssen gar nicht viel sagen zwischen den Acts, die erklären sich schon selbst: „Jetzt ist sie da, hurrah, endlich ist es so weit“, singen die Schnorreswackler: „Vorhang auf, tufftä, und mein Narrenherz schreit: HEE-HELAU!“

Sie ist kurz, die Narrenzeit in der Kampagne 2024, in nicht einmal zwei Wochen ist schon wieder alles vorbei. Also feiern die Narren, als gäbe es kein Morgen mehr. Wie heißt es bei den „Humbas“ so schön: „Wenn Margit singt, dann herrscht in Mainz Ausnahmezustand.“ Wenn die Stehung ruft, auch.

Info& auf Mainz&: Mehr Videos von der „Stehung“ 2023 und 2024 findet Ihr hier auf unserem Mainz&-Youtube-Kanal – schaut vorbei! Und hier noch mal unsere schönsten Fotos des Abends zum Genießen: