Gleich mit zwei Fällen ist die Stadt Mainz dieses Jahr im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes gelangt: Mit der Brücke ins Nichts über der Koblenzer Straße und ausgerechnet mit der Mainzelbahn. Bei der Brücke über die Koblenzer Straße herrscht seit über einem Jahr Stillstand, weil die Stadt vergaß, die Grundstücke für die Straßenanbindung auf der anderen Seite zu kaufen – eine Peinlichkeit, die bisher vier Millionen Euro kostete. Die Mainzelbahn rügt der Verband sogar als „fragwürdiges Verkehrsprojekt“ und prangert die Kostensteigerung von 20 Millionen Euro an.
Dem Bund der Steuerzahler, dessen Chef übrigens der frühere Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ist, stieß vor allem die Kostensteigerung von 20 Millionen Euro auf rund 90 Millionen Euro sauer auf: Angesichts eines Verkehrsprojektes, dessen Erfolg „fragwürdig“ sei, sei das „für den Steuerzahler doppelt bitter“, schimpfte der Bund nun in seinem neuesten Schwarzbuch. Allerdings geht der Lobbyverband dabei von 70 Millionen Euro, dem Stand von 2010 aus – schon 2014 waren etwa Kosten von rund 84 Millionen Euro bekannt. Davon aber kommen mehr als 50 Millionen Euro vom Land Rheinland-Pfalz, die Stadtwerke selbst müssen nur etwa ein Drittel der Kosten selbst stemmen.
Die Mainzer Stadtwerke wollen mit der 9,2 Kilometer langen neuen Strecke vom Hauptbahnhof auf den Mainzer Lerchenberg mehr Fahrgäste auf einen Schlag befördern und so Stadtteile besser anbinden, die Innenstadt beleben helfen und die vielen Studierenden vom und zum Uni-Campus besser bewältigen. Auch ein Ziel: Diesel-Busse ersetzen, die gerade erst wieder wegen ihres großen Schadstoffausstoßes in die Kritik geraten sind – mehr dazu im Mainz&-Artikel über die Klage der Umwelthilfe gegen Mainz. Straßenbahnen gelten in der Tat als die umweltfreundlichste Variante des ÖPNV, dazu sind sie bei den Fahrgästen auch am beliebtesten – Menschen fahren zahlreichen Studien zufolge deutlich lieber Bahn als Bus.
Trotzdem äußerte der Steuerzahlerbund schon 2010 „große Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Verkehrsprojekts“, die Mainzelbahn fand als drohende Steuergeld-Verschwendung Eingang ins Schwarzbuch 2010. Mittlerweile werde mit Kosten von rund 90 Millionen Euro gerechnet, klagte der Bund nun, wer für die Mehrkosten konkret aufkommen solle, stehe im Detail aber noch gar nicht fest. Das ist nach den uns bisher vorliegenden Informationen falsch: Die Aufteilung zwischen Bund, Land und Stadtwerken besteht weiter, vom Bund kommen weiterhin 44 Millionen Euro, vom Land nach bisherigem Stand 9 Millionen Euro. Den Rest müssen die Stadtwerke tragen – der Haushalt der Stadt Mainz wird direkt zumindest nicht belastet. Eine Runde Google hätte dem Steuerzahlerbund das weiter geholfen….
Brücke ins Nichts: Stadt versäumte Grundstückskauf
Anders gelagert ist indes der Fall der „Brücke ins Nichts“: Wunderschön ist die Brücke über die Koblenzer Straße fraglos, notwendig zur Anbindung zwischen altem Uni-Campus und neuer Erweiterung ebenfalls – nur kann die Straßenbrücke bislang nur von Fahrrädern und Fußgängern genutzt werden. Das Problem nämlich: Die Stadt vergaß irgendwie, die Grundstücke auf der Erweiterungsseite zu kaufen, seit Mitte 2015 führt die Straße auf der Brücke deshalb ins Nichts. Eine peinliche Sache, und eine teure: Mit rund 4 Millionen Euro gibt der Steuerzahlerbund die Gesamtkosten für das Projekt an, allerdings zahlte davon das Land Rheinland-Pfalz rund 3 Millionen Euro. Der Restbetrag sei je zur Hälfte von Stadt Mainz und Mainzer Verkehrsbetrieben getragen worden, heißt es weiter.
Dumm vor allem: Schon seit über einem Jahr werde erfolglos verhandelt, sagt der Steuerzahlerbund, denn die Grundeigentümer rechneten für die Zukunft mit einer höheren Quadratmeterrendite – und wollten deshalb für ihre Flächen weit mehr Geld als Mainz ihnen biete. „Wann der Verhandlungsdurchbruch gelingt und wie teuer der peinliche Planungsfehler die Steuerzahler letztlich zu stehen kommt, bleibt abzuwarten“, heißt es weiter. Bislang sei durch abgebrochene Arbeiten ein Schaden von 69.000 Euro entstanden, der aber durch den Gemeindeversicherer beglichen worden sei. Außerdem sei noch eine kleine Schadensersatzforderung für einen Ernteausfall angefallen.
Und was rügte der Steuerzahlerbund in Rheinland-Pfalz sonst noch so? Nun, den Flughafen Hahn, die nie gebaute Hunsrückbahn, der Hochmoselübergang sowie die geplatzte Open-Air-Inszenierung „Nerohero“ in Trier.
Meinung& auf Mainz&: Es gab mal Zeiten, da wurde der Bericht des Steuerzahlerbundes mit Spannung erwartet: Welche Verschwendungsfälle hatten die Verfechter des gesunden Menschenverstandes jetzt wieder gefunden, welche Fälle von Behördenirrsinn aufgespürt? Das scheint irgendwie lange her – und in diesem Jahr fällt dem Verein nichts anderes ein, als große Infrastrukturprojekte zu rügen. Aber wieso nimmt sich ein FDP-geleiteter Verband jetzt den Flughafen Hahn als Steuergeldverschwendung (!) vor, wo ihn einst die FDP selbst gegründet hat? Der geplatzte Verkauf an dubiose Chinesen ist fraglos peinlich, die Pannenserie der SPD in diesem Fall grandios und aufklärungsfällig – aber Steuergeldverschwendung?
Und auch sonst fällt auf: Hochmoselübergang, Hunsrückbahn, Mainzelbahn – man lässt sich über Projekte aus, die überhaupt nicht abgeschlossen sind. Beispiel Mainzelbahn: Die ist noch nicht fertig gebaut, kein einziger Passagier damit gefahren – aber der Steuerzahlerbund will schon wissen, dass hier Verschwendung vorliegt? Woher denn bitte?
Ob die Mainzelbahn ein strahlender Erfolg wird oder nicht, ist doch überhaupt noch nicht ausgemacht, die Wahrscheinlichkeit, dass das Projekt ein Flop wird, außerordentlich gering. Straßenbahnen sind in aller Regel begehrte und erfolgreiche ÖPNV-Mittel, schwer vorstellbar, dass niemand mit der Bahn vom Lerchenberg in die Stadt fährt. Und Straßenbahnnetze sind in aller Regel umso wirtschaftlicher, je größer sie sind – da wäre die Mainzelbahn dann sogar ein Beitrag zur Kostenersparnis.
Man kann ja vieles kritisieren, andere Meinungen zu haben – aber der Job des Steuerzahlerbundes ist es eigentlich, aufzudecken, Verschwendung anzuprangern. Und nicht, Infrastrukturprojekte zu kritisieren, deren Erfolg oder Misserfolg noch gar nicht feststeht. Vor allem, wenn man dabei auch noch schlampig recherchiert und falsche Behauptungen aufstellt. Und was die Brücke ins Nichts angeht: Irgendwann wird die Stadt die notwendigen Grundstücke kaufen, die Straße weiter führen, die Busse über die Brücke rollen lassen – die dann notwendig und richtig ist. Und dann? Wo war dann die Verschwendung? Wie schreibt der Steuerzahlerbund doch so richtig: „Abgerechnet wird schließlich erst zum Schluss.“ Eben. Und erst dann.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz findet Ihr hier im Internet.