Die Spannung war groß, die Geheimniskrämerei auch: Seit der Nacht von Sonntag auf Montag rollen die ersten Mainzelbahnen durch Mainz. Montagfrüh begannen die ersten Testfahrten auf der neuen Straßenbahnstrecke vom Hauptbahnhof über Uni, Bretzenheim und Marienborn auf den Lerchenberg. Für die Stadtwerke Mainz und Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) ein stolzer Moment, wie sie begeistert auf Facebook dokumentierte. Für die Mainzer aber rückt damit vor allem auch das Ende einer zweieinhalb Jahre währenden Baustellen-Leidenzeit in greifbare Nähe: Am 11. Dezember startet zum Winterfahrplan die Mainzelbahn offiziell in den Betrieb.

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Stolze Mienen, enthusiastische Posts: So feierte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) zusammen mit OB Ebling und Stadtwerke-Vorstand Detlev Höhne die erste Testfahrt der Mainzelbahn auf Facebook

„Und sie bewegt sich doch!“ schrieben die Mainzer Grünen auf ihrer Facebookseite – am Montag war es so weit: Um 2.10 Uhr rollte die neue Mainzelbahn erstmals über die erweiterte Straßenbahnstrecke durch Mainz. 9,2 Kilometer weit reicht die neue Straßenbahnlinie hinauf auf den Lerchenberg, damit wird das Mainzer Straßenbahnnetz mal eben um mehr als die Hälfte erweitert. „Mal eben“ ist natürlich ironisch gemeint: Die Bauarbeiten seit Mai 2014 waren ein gewaltiger Kraftakt. Bis zu 90 Millionen Euro wird das Infrastrukturprojekt am Ende gekostet haben, die Bauarbeiten legten zeitweise halb Mainz lahm und kosteten die Mainzer richtig viel Nerven.

Freude über erste Testfahrten der 9,2 Kilometer langen Neubaustrecke

Am Montag freuten sich erst einmal Verantwortliche aller Seiten über die ersten Testfahrten: „Die Bahn läuft super“, befand Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) laut Pressemitteilung der MVG, und Stadtwerke-Vorstand Detlev Höhne erklärte in Bretzenheim: „Die Strecke sieht einfach klasse aus. Und zwar so, als wäre hier nie etwas anderes gewesen.“ Und für Umweltdezernentin Eder fiel „heute Weihnachten und Ostern auf einen Tag“, euphorisch postete sie auf ihrer Facebook-Seite: „So aufregend! Und am Ende wird alles gut!“

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Die Mainzer Stadtwerke wollen mit der neuen Strecke mehr Fahrgäste auf einen Schlag befördern, Stadtteile besser anbinden, die Innenstadt beleben helfen und die vielen Studierenden vom und zum Uni-Campus besser bewältigen. Auch ein Ziel: Diesel-Busse ersetzen, die gerade erst wieder wegen ihres großen Schadstoffausstoßes in die Kritik geraten sind sowie den Mainzer ÖPNV grundsätzlich zukunftsfester machen. Künftig dauert eine Fahrt vom Hauptbahnhof zum Lerchenberg bei 16 Haltestellen 21 Minuten. Dazu wird die Straßenbahn in Mainz noch eine kleine Teilstrecke zum Stadtquartier Zollhafen bekommen.

Kritik an Bau und Ausdünnung von Buslinien

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Baustelle Binger Schlag: Bis zum Schluss die schlimmste Mainzelbahn-Engstelle – Foto: gik

Überzeugt waren von dem Projekt trotzdem nicht alle: Gerade in den Bauphasen hagelte es auch Kritik, das Projekt sei überdimensioniert, verschlinge zu viel Geld. Der Bund der Steuerzahler sprach gar von Steuergeldverschwendung, obwohl die Bahn noch gar nicht rollt. Die Mainzer in den Stadtteilen kritisierten hingegen, für die Straßenbahn würden Buslinien ausgedünnt.

Tatsächlich stieß der neue Mainzelbahn-Fahrplan der Mainzer Verkehrsbetriebe (MVG) auch massive Kritik, die MVG besserte nach. Das Nachsehen haben nach bisherigem Stand aber noch immer die Bretzenheimer, denen die sehr häufig gefahrene Linie 6 genommen wird. Auch Lerchenberger und Bewohner auf dem Hartenberg klagen über schlechtere Anbindung und weite Wege. Die genauen Auswirkungen werden wohl erst im Regelbetrieb richtig deutlich werden.

Die Vollendung 2016 verlangte den Mainzer Verkehrsbetrieben dann noch einmal einen richtigen Schlussspurt ab: 90 Prozent der Streckenarbeiten seien geschafft, meldete die MVG im September, gerade einmal drei Monate vor dem Start. Zum Schluss kämpfte man noch mit falsch verlegten Weichen und Oberleitungsmasten am Binger Schlag – die Saarstraße wurde wieder einmal zum Nadelöhr. Am 28. Oktober hieß es dann: „Alle Mainzelbahnen sind jetzt da!“ Da war gerade die letzte von insgesamt zehn neuen Variobahnen geliefert worden.

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Die neuen Variobahnen: Größer, schöner, moderner und so viel Platz wie in zwei Bussen – Foto: MVG

Neue Variobahnen: doppelt so viel Platz wie Busse

Bereits 2009 hatte die MVG im Zuge von Ersatzbeschaffungen für ältere Straßenbahnen erstmals neun Variobahnen geordert, inzwischen rollen bereits 19 der neuen Hochleistungsbahnen durch Mainz. Finanziert wurden die Anschaffungen – eine Variobahn kostet rund 2,3 Millionen Euro – von einem Bankenkonsortium unter Führung der Mainzer Sparkasse. Die zehn nun noch einmal neu angeschafften Straßenbahnen ersetzen mit dem neuen Fahrplan ab Dezember etwa 20 Busse. Das sei ein großes Plus für die Umwelt, betonen die MVG, komme es doch zu einer erheblichen Reduktion von Abgasen.

Die Schienenfahrzeuge sind zudem im Vergleich zu Bussen deutlich langlebiger – im Schnitt fahren sie den Angaben zufolge mindestens dreimal so lange. Die Variobahnen haben 73 Sitzplätze und 112 Stehplätze und bieten damit fast doppelt so viel Platz wie Gelenkbusse, die etwa 50 Sitzplätze und 50 Stehplätze haben. Die Bahnen sind 30 Meter lang und wiegen 38 Tonnen.

Intensive Testfahrten mit allen Straßenbahn-Typen diese Woche auf der neuen Strecke

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So fährt sie dann bald wirklich: Mainzelbahn in der Marienborner Straße – Grafik: MVG

Die MVG testet nun in den kommenden Tagen intensiv die Fahrzeuge auf der neuen Strecke. Im Einsatz seien alle drei Mainzer Straßenbahn-Fahrzeugtypen parallel, heißt es von der MVG. Dabei würden unterschiedliche Beladungszustände simuliert und kontrolliert, wie die maximale Ausragung der Bahnen in engen Kurvenradien ist. Getestet wird natürlich auch, wie sich die Fahrzeuge bei Wind, bei entgegenkommenden Fahrzeugen oder ungünstigen Witterungs-Verhältnissen auf der neuen Strecke verhalten. Am steilsten Stück der Neubaustrecke zwischen Marienborn Bahnhof und dem Lerchenberg werden zudem verschiedene Versuche zu Geschwindigkeiten, zum Bremsverhalten sowie zum Abschleppen liegengebliebener Straßenbahnen durchgeführt.

Die Bahnen seien jeweils mit erfahrenen Fahrern, Mitarbeitern des Instandhaltungsbereichs und des technischen Managements besetzt, temporär seien auch Vertreter der Fahrzeughersteller, des TÜVs und der technischen Aufsichtsbehörde an Bord, hieß es weiter. Die Testfahrten sollen von Montag bis Samstag jeweils von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr laufen – Euch sollte also irgendwann diese Woche die erste Mainzelbahn begegnen.

Info& auf Mainz&: Die Mainzelbahn startet zum neuen Winterfahrplan am 11. Dezember in den Regelbetrieb, die neue Bahn hat das gewohnte Liniennetz gehörig durcheinander gewirbelt. Mehr zum neuen Fahrplan lest Ihr hier bei Mainz& und natürlich unter www.mvg-mainz.de. Am kommenden Samstag informiert die MVG zudem in der Innenstadt mit einem Info- und Gepäckbus über den neuen Fahrplan. Die Fahrpläne an den Haltestellen sollen schon frühzeitig mit den neuen Plänen ausgestattet werden.

Achtung: Weil aber zum 11. Dezember auch ein Subunternehmer wechselt, müssen 22 neue Fahrzeuge ans Betriebssystem angeschlossen werden. Bei diesen Fahrzeugen wird an den Tafeln und in der MVG-App nicht mehr die reale Zeit, sondern nur die Soll-Zeit angezeigt. Zudem könnt Ihr in diesen in der Umstellung befindlichen Fahrzeuge weder Fahrscheine kaufen noch welche entwerten. Die MVG bittet darum, Fahrscheine vor Einstieg zu kaufen, entwertet würden diese dann im Fall einer Fahrscheinkontrolle vom Prüfpersonal manuell. Bei Fragen steht Euch die RMV-Mobilitäts-Beratung im Verkehrs Center Mainz unter der Telefonnummer 06131 – 12 77 77 oder per E-Mail unter verkehrscenter@mvg-mainz.de zur Verfügung. Offiziell eingeweiht wird die Mainzelbahn übrigens mit einem Festakt am 10. Dezember.

 

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