Im Mainzer OB-Wahlkampf fordert Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) derzeit mehr Kooperation mit den rheinhessischen Umlandgemeinden ein, nun werfen Bürgermeister von drei Umlandgemeinden der Mainzer Stadtspitze „Verweigerungshaltung“, Ignoranz und mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Stein des Anstoßes ist ein Radweg, der von Klein-Winternheim entlang einer viel befahrenen Landstraße nach Marienborn führen soll – und der noch immer nicht gebaut ist. „Wir haben seit zehn Jahren das Geld im Haushalt stehen, aber die Stadt Mainz kümmert sich nicht um die Planung“, sagte die Klein-Winternheimer Bürgermeisterin Ute Granold (CDU). „Es gibt null Resonanz“, kritisierte ihr Kollege Winfried Schnurbus (parteilos) aus Essenheim: „Es rührt sich keiner.“
Zwei Tage vor der Oberbürgermeisterwahl in Mainz am Sonntag fuhren gleich drei Bürgermeister von Orten vor den Toren von Mainz eine deftige Breitseite gegen die Stadtspitze auf – gemeinsam mit dem unabhängigen OB-Kandidaten Nino Haase (CDU/ÖDP/FW). Der geballte Ärger der drei Ortschefs entzündete sich nun an einem Radweg, den alle drei Gemeinden gerne von Klein-Winternheim aus parallel zur Autobahn entlang der Landstraße bauen würden. Der Radweg sei enorm wichtig, die Strecke werde von vielen Pendlern genutzt, sagte Granold am Freitag in Mainz: „Der Radweg hat oberste Priorität im ganzen Landkreis.“ Auch Marienborn fordere den Bau seit Jahren – ohne Erfolg.
Seit 2003 werde der Radweg nun schon diskutiert, „seit zehn Jahren stellen wir jedes Jahr 100.000 Euro in den Haushalt für den Radweg ein“, klagt Granold – gekommen sei er immer noch nicht. Die Schuld sieht sie bei der Stadt Mainz: „Die Stadt Mainz kümmert sich nicht um die Planung“, sagt Granold. Mehrfach sei sie zu Gesprächen in Mainz gewesen, seit Juli warte sie auf einen Ortstermin in Marienborn – mehrere bereits angesetzte Termine seien von Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) wieder abgesagt worden. „Man will einfach den Radweg nicht“, sagt Granold Kopf schüttelnd, sie selbst könne als Gemeinde nur ein Drittel der Strecke bauen, „mehr darf ich nicht.“
Für die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete ist der Radweg symptomatisch für die Zusammenarbeit zwischen Mainz und seinen Umlandgemeinden. „Wir werden da nicht ganz ernst genommen, das gilt auch für andere Themen“, sagt sie: Ob beim Bau der neuen Windräder, beim Ausbau der Messe als Veranstaltungsort oder bei Bauvorhaben der Stadt – die Nachbargemeinden würden nicht informiert, ihre Bedürfnisse ignoriert. „Ich erwarte, dass man wenigstens miteinander redet“, sagte Granold, „wir sind keine blöden Landeier, wir wollen schon mitreden.“
„Es gibt ganz viele Beispiele, wo wir sagen, lasst uns miteinander reden, Synergien schaffen, aber Mainz schafft das leider nicht, warum auch immer“, sagt auch Matthias Becker (CDU), Ortsbürgermeister von Ober-Olm: „Man schreibt in der Zeitung, wir sind Fahrradstadt Mainz, aber die großen Achsen ins Umland sind nicht da.“ Vom Neubaugebiet auf dem Lerchenberg „haben wir aus der Presse erfahren“, dabei liege das direkt an Ober-Olmer Gemarkung. „Mit der Zufahrt auf der Landesstraße hat man drei neue Gefahrenstellen heraufbeschworen“, kritisiert Becker – Absprache mit der Nachbargemeinde: keine.
Auch Kollege Winfried Schnurbus (parteilos) aus Essenheim, erst einen Monat im Amt, stieß ins gleiche Horn: Essenheim überlege, Studierendenwohnheime zu schaffen, schließlich sei man von Essenheim in zehn Kilometern mit dem Rad an der Uni, doch in Mainz sei er mit seiner Idee auf taube Ohren gestoßen: „Resonanz? Keine“, sagte Schnurbus am Freitag, „ich weiß gar nicht, auf wen ich mit dem Finger zeigen soll, es rührt sich ja eh keiner.“ Die Mainzelbahn ende am Lerchenberg, das Umland habe man dabei außen vorgelassen, klagt Schnurbus. 10.500 Autos verkehrten am Tag allein zwischen Stadecken-Elsheim und dem Lerchenberg, das Umland werde eingfach nicht zur Kenntnis genommen.
„Die Zusammenarbeit zwischen Mainz und dem Umland existiert de facto nicht“, konstatierte OB-Kandidat Haase: „Acht Jahre waren Zeit genug, eine Kooperation anzustreben, das ist nicht geschehen.“ Mainz und sein Umland müssten zusammenwachsen, „bei Infrastruktur, Ausweisung neuer Gewerbegebiete und Wohnen, müssen wir zusammenarbeiten“, betonte Haase. Es gehe einfach nicht, dass Kooperation abgelehnt werde, weil der Bürgermeister „der falschen Partei angehört, das darf in Zukunft kein Hemmschuh sein.“ Die Koordination von gemeinsamen Vorhaben müsse die größte Stadt in der Region übernehmen – also Mainz. „Mainz kann sich nicht mehr als abgegrenzter Raum sehen, sondern muss sich als Teil einer sehr dynamischen Region sehen“, fügte Haase hinzu.
Info& auf Mainz&: Am Freitag gab es um 16.00 Uhr zudem eine Demonstration für den Bau des Radwegs in Klein-Winternheim, so zumindest die Angabe von Ute Granold. Eine Reaktion der Stadt Mainz am Freitagnachmittag zu bekommen, war leider nicht mehr möglich – wir fragen da kommende Woche nach.