Der Herbst ist da, der Winter steht vor der Tür, die Corona-Infektionen explodieren – und in den Schulen wächst die Angst vor steigenden Ansteckungen. „Die Sorge vor dem Winter ist groß“, sagte die Vorsitzende des Philologenverbandes Rheinland-Pfalz, Cornelia Schwartz, im Gespräch mit Mainz& – und kritisierte die Lüftungsstrategie des Landes scharf. Der Grund: Das Land setze in erster Linie auf Stoßlüften, mobile Luftreiniger aber drücke man als irrelevant weg. Tatsächlich behauptete das Mainzer Bildungsministerium noch im September, mobile Luftreiniger seien „kritisch zu sehen“ – am Dienstag legte das Kabinett ein Förderprogramm für solche Geräte auf.

Handelsüblicher Luftreiniger mit Aktivkohle und HEPA-Filter. - Foto: gik
Handelsüblicher Luftreiniger mit Aktivkohle und HEPA-Filter. – Foto: gik

Die Debatte, ob Luftreiniger helfen können, die Luft in Klassenzimmern – und anderen Räumen – zu verbessern und die Virenlast zu senken, ist nicht neu: Bereits seit Wochen empfehlen Experten wie der Virologe Christian Drosten, aber auch der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach den Einsatz von mobilen Luftfiltern, gerade in Schulen. Besonders Lauterbach macht sich seit Monaten auf dem Kurznachrichtendienst Twitter für den Einsatz mobiler Luftfilteranlagen stark: „Luftfilteranlagen wären die technisch beste Lösung für den gesicherten Unterricht“, betonte Lauterbach wieder und wieder –  und postete immer wieder Studien, die die Wirksamkeit selbst handelsüblicher Filtergräte belegen.

So ergab etwa eine Studie der Universität Frankfurt, dass Luftreiniger mit sogenannten Hepa-Filtern die Aerosolkonzentration in einem Klassenzimmer um 90 Prozent senken könnten. Die Atmosphärenforscher der Frankfurter Goethe-Universität benutzten für ihren Versuch eine Woche lang vier Luftreiniger in einer Schulklasse mit Lehrern und 27 Schülern. Die Luftreiniger verfügten über einen einfachen Vorfilter für groben Staub und Flusen sowie über einen HEPA- und einen Aktivkohlefilter, heißt es in der Beschreibung zur Studie auf der Internetseite der Universität Frankfurt. Die Luftreiniger setzten zusammen zwischen 760 und 1460 Kubikmeter Luft pro Stunde um.

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Experiment der Sendung Quarks, wie weit Tröpfchen und Aerosole beim Sprechen und Atmen fliegen. - Screenshot: gik
Experiment der Sendung Quarks, wie weit Tröpfchen und Aerosole beim Sprechen und Atmen fliegen. – Screenshot: gik

Der gefährlichste Infektionsweg des SARS-CoV-2-Virus gehe über die Luft, schreiben die Forscher weiter: Beim Niesen oder Husten etwa schleuderten Infizierte verhältnismäßig große Tröpfchen von sich, die im Umkreis von zwei Metern zu Boden sinken. Wichtig seien auch die Aerosolpartikel, viel kleinere Flüssigkeitströpfchen, die beim Sprechen oder Atmen abgesondert würden. Studien zeigten, dass infektiöse SARS-CoV-2-Viren in solchen Aerosolen auch mehr als drei Stunden nach der Emission noch nachgewiesen werden könnten und dies mehrere Meter weit entfernt von Patienten. Die Flüssigkeit in solchen Aerosolpartikeln verdampft schnell, wodurch sie kleiner werden und sich innerhalb von wenigen Minuten in einem Raum ausbreiten könnten.

Neben der Aerosolbelastung bestimmten die Wissenschaftler bei ihrem Versuch auch die Feinstaubmenge und die CO2-Konzentration und untersuchten die Lärmbelastung durch das Gerät. Das Ergebnis: 30 Minuten nach dem Anschalten hatte der Luftreiniger 90 Prozent der Aerosole aus der Luft entfernt. „Ein Luftreiniger reduziert die Menge an Aerosolen so stark, dass in einem geschlossenen Raum auch die Ansteckungsgefahr durch eine hoch infektiöse Person, einen Superspreader, sehr deutlich reduziert würde“, sagte Studienleiter Joachim Curtius, Professor für Experimentelle Atmosphärenforschung.

Schüler auf einer Fridays for Future-Kundgebung vor Beginn der Corona-Pandemie. - Foto: gik
Schüler auf einer Fridays for Future-Kundgebung vor Beginn der Corona-Pandemie. – Foto: gik

Deshalb würden die Forscher den Schulen „in diesem Winter den Einsatz von HEPA-Luftreinigern mit einem ausreichend hohen Luftdurchsatz“ empfehlen. Damit werde das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 deutlich verringert, zudem hätten Lärmmessungen und eine Umfrage unter den Schülern und Lehrern erheben, dass das Geräusch des Luftreinigers überwiegend als nicht störend empfunden worden sei, sofern das Gerät nicht auf höchster Stufe lief.

Trotzdem verbreitete das Mainzer Bildungsministerium noch Mitte September eine Pressemitteilung mit dem Titel „Expertenrunde sieht mobile Luftreinigungsanlagen kritisch“. Darin heißt es, die angehörten Experten seien „skeptisch, dass ein flächendeckender Einsatz von mobilen Luftreinigungsanlagen geeignet sei, die Viruslast in Klassenzimmern verlässlich zu senken.“ Regelmäßiges Lüften sei dagegen unerlässlich, gut eine Woche später äußerte sich die Kultusministerkonferenz (KMK) praktisch gleichlautend. Zitiert wird zudem ein Experte des Bundesumweltamtes, die Geräte könnten sogar einen gegenteiligen Effekt haben, wenn sie nicht richtig gewartet würden – „die Gefahr sei groß“.

Alte Schulen, Schulräume ohne Fenster - in den Schulen geht die Angst vor Corona-Infektionen um. - Foto: gik
Alte Schulen, Schulräume ohne Fenster – in den Schulen geht die Angst vor Corona-Infektionen um. – Foto: gik

Der Philologenverband Rheinland-Pfalz warf dem Ministerium daraufhin eine einseitige Darstellung vor: „Unser Eindruck ist, man will die Debatte um die Lüfter wegdrücken“, sagte die Vorsitzende des Philologenverbandes Rheinland-Pfalz, Cornelia Schwartz, im Gespräch mit Mainz&. Und auch einer der von der KMK als Experte geladener Wissenschaftler widersprach prompt der Darstellung aus dem Ministerium: Hochwertige Lüftungsgeräte böten „ein viel höheres Maß an Sicherheit vor einer indirekten Infektion, als die freie Lüftung“, sagte der Münchner Professor Christian Kähler dem Nachrichtenportal News4Teachers – und das habe er in der Expertenrunde mit den Kultusministern auch genau so dargestellt.

Kähler ist Autor einer Studie der Bundeswehr-Universität München, nach der Raumluftreiniger die Aerosolkonzentration in einem Raum binnen sechs Minuten halbieren können. Selbst in einen 22 Meter langen Flur mit über 40 Quadratmetern Fläche habe bei maximalem Volumenstrom eine Halbierung der Aerosolkonzentration innerhalb von rund fünf Minuten realisiert werden können. Damit sorgten sie „im Gegensatz zur freien Lüftung mit Fenstern auch dafür, dass eine wirkliche Reduzierung der Virenlast erfolgt“ – und das dauerhaft, heißt es in Kählers Studie.

Titelbild der Studie der Münchner Bundeswehrhochschule zu Luftreinigern in der Corona-Pandemie. - Foto: gik
Titelbild der Studie der Münchner Bundeswehrhochschule zu Luftreinigern in der Corona-Pandemie. – Foto: gik

Voraussetzung seien dabei hochwertige Hepa-Filter der Kategorie 13 oder 14, die selbst winzige Luftteilchen filtern können. Dann aber seien Raumluftreiniger mit großem Volumenstrom und hochwertigen Filtern der Klasse H14 „eine sehr sinnvolle technische Lösung, um in Schulen, Büros, Geschäften, Wartezimmern, Gemeinde- und Vereinshäusern, Aufenthalts- und Essensräumen die indirekte Infektionsgefahr durch Aerosole stark zu verringern“, so die Bilanz der Studie.

„Unser Eindruck ist, man will die Debatte im Ministerium  wegdrücken – weil das kostet ja was“, kritisierte Schwarz. Stattdessen setze man im Ministerium auf Stoßlüften, doch die Lehrer sähen das ausgesprochen skeptisch: „Wir haben seit dem Frühjahr die Fenster offengerissen wie die Blöden, jetzt soll das zurückgefahren werden auf alle 20 Minuten, uns ist das zu wenig“, kritisierte Schwarz: „Das ist ein Zurückfahren an Maßnahmen angesichts steigender Infektionsfahren – das ist das falsche Signal.“ Im Prinzip müssten die Schulen jetzt zum Abstand zurückkehren und kleinere Klassen zu bilden: „Das haben wir am Anfang gemacht und gemerkt, wie toll das war“, sagte Schwarz. Es müsse aber auch „Stufen darunter“ geben – und dazu gehörten eben die Luftreiniger.

Auch die CDU-Opposition forderte daraufhin die Landesregierung auf, die Schulen bei der Anschaffung von Raumluftreinigern zu unterstützen. Nicht überall könnten Fenster auch weit geöffnet werden, auch gebe es „Schulen in lauten Innenstadtlagen, und auch die Kälte in den Wintermonaten ist ein Problem“, warnte CDU-Spitzenkandidat und Fraktionschef im Landtag, Christian Baldauf. Notwendig seien daher differenzierte, auf die jeweilige örtliche Lage abgestimmte, Lösungen, hierbei müsse das Land unterstützen.

Luftreiniger könnten auch in Aufenthaltsräumen das Infektionsrisiko senken, sagt eine Studie der Bundeswehruni München. - Foto: gik
Luftreiniger könnten auch in Aufenthaltsräumen das Infektionsrisiko senken, sagt eine Studie der Bundeswehruni München (das Foto entstand vor der Corona-Pandemie). – Foto: gik

Vergangene Woche lehnte das Ministerium dies aber noch ab – an diesem Dienstag dann die Kehrtwende: Der Ministerrat brachte ein Förderprogramm in Höhe von sechs Millionen Euro für mobile Lüftungsanlagen an Schulen auf den Weg. Mit den Geldern könnten Schulen nun mobile Lüftungsgeräte anschaffen, und zwar „für Schulräume, die gebraucht werden und nicht gut zu belüften sind“ sagte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). Für solche Räume könnten mobile Lüftungsgeräte eine Lösung sei. Voraussetzung sei aber, dass die Fenster nicht zu ertüchtigen seien und die jeweiligen Räume für den Unterricht gebraucht würden.

Die CDU fordert nun das Land auf, eine Prioritätenliste für die Anschaffung solcher Geräte aufzulegen. Die Landesregierung müsse jetzt „klar definieren, welche Geräte geeignet sind und von den Schulen angeschafft werden können“, sagte Baldauf – es sei „ärgerlich“, dass die Regierung wertvolle Zeit habe verstreichen lassen. Die Ampel-Koalition habe aber noch im September im Landtag einen CDU-Vorschlag abgelehnt, 30 Millionen Euro für bauliche Investitionen im Bereich von Lüftungstechnik und Sanitäranlagen vorzusehen. „Das ist ärgerlich, denn dass Herbst und Winter kommen, war ja klar“, sagte Baldauf. Wäre die Regierung dem Vorschlag im September gefolgt, hätten die Herbstferien dazu genutzt werden können, um effektive Lüftungsanlagen in den Schulen zu installieren.

Stoßlüften in Schulen - der Karikaturist Ralf Böhme hat sich darauf einen Reim gemacht. – Copyright: RABE-Cartoon
Stoßlüften in Schulen – der Karikaturist Ralf Böhme hat sich darauf einen Reim gemacht. – Copyright: RABE-Cartoon

„Das ist ein erster guter Schritt“, begrüßte auch der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Klaus-Peter Hammer, das neue Förderprogramm, fügte aber auch hinzu: „Das hätte man vor zwei Wochen auch schon machen können“. Er gehe davon aus, „dass der Bedarf hoch ist“, sagte Hammer im Gespräch mit Mainz& weiter. Gerade in Berufsbildenden Schulen seien viele Werkräume nur schlecht zu belüften, auch gebe es Klassenzimmer, die nur Oberlichter hätten. Luftreiniger würden da „den Schulen weiter helfen“, fügte Hammer hinzu.

Im Ministerium verbreite man immer noch die Botschaft, es gebe kein Infektionsproblem in den Schulen, kritisierte Schwarz: „Das war ein Sommermärchen, das ist jetzt ausgeträumt – jetzt wachen wir auf und merken, das ist nicht so.“

Info& auf Mainz&: Die Frankfurter Studie zu Luftreinigern in Klassenzimmern findet ihr hier im Internet, die Studie der Bundeswehruniversität München genau hier. Mehr zum Thema Aerosole und die Ansteckung mit dem Coronavirus über Luftteilchen – und wie Masken das verhindern helfen – lest Ihr hier bei Mainz&.

1 Kommentar

  1. Wir wollen Luftreiniger für Klassenzimmer kaufen. Dank des Beitrags sind wir auch bestärkt, dass diese wirklich einen positiven Effekt erzielen. Ich werde den Beitrag auch unserem Rektor zeigen.

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein