Sag mir, wo die Meisen sind…. Wer ein Futterhäuschen im Garten hat, hat es wahrscheinlich schon bemerkt: In diesem Winter sind dort deutlich weniger Rotkehlchen, Finken und vor allem Meisen zu sehen. Ein Vogelsterben, befürchten viele Vogelfreunde – doch dem ist nicht so: Der Naturschutzbund NABU stellt zwar derzeit bei der großen Winterzählung „Stunde der Wintervögel“ tatsächlich bis zur Hälfte weniger Meisen und andere Singvögel fest. Doch die Erklärung dafür könnte schlicht das Wetter sein: Wegen des bisher warmen Winters fehlen Besucher an unseren Futtertrögen – aus Russland und Polen nämlich.
Unsere Meisen, die wir seit Jahrzehnten an Futterhäuschen und Vogelkugeln so gerne beobachten, stammen nämlich offenbar gar nicht von hier: Während unsere Meisen bei der ersten Kälte nach Süden zögen, „kommen normalerweise von Osten andere Meisen nach, aus Russland und Polen“, erklärt Berthold Langenhorst vom NABU Hessen. Experten könnten die Tiere tatsächlich an ihrem anderen Dialekt unterscheiden, „die singen ein bisschen anders“, erklärt der Naturschützer. Und in diesem Jahr seien die Meisen aus dem Osten wohl nur bis Brandenburg gekommen, aus den östlichen Bundesländern würden nämlich deutlich mehr Meisen gemeldet als aus Hessen und Rheinland-Pfalz.
Bislang nämlich waren die Naturschützer und auch viele Vogelfreunde regelrecht alarmiert: 50 Prozent weniger Meisen zählten die Beobachter in diesen Tagen in den heimischen Gärten, insgesamt ging die Zahl der Singvögel um 20 bis 30 Prozent zurück. „Viele Leute rufen uns an und sagen: an den Futterstellen in den Gärten ist nichts los“, berichtet Langenhorst unisono mit den Kollegen vom NABU Rheinland-Pfalz. Grünfink und Buntspecht seien kaum noch zu sehen, selbst der Spatz ist auf einmal selten. Dafür gebe es viel mehr Amseln, Drosseln und Stare als sonst, berichtet Langenhorst: „Der Trend ist so wie in meinem Garten: In einer Stunde gab’s acht Amseln, eine Kohlmeise, ein Rotkehlchen und eine Rabenkrähe.“
Vor einem Jahr hingegen wurden bei der großen Winterzählung des NABU über 94.700 Vögel gezählt. Wie bundesweit ergatterte der Haussperling damals den Spitzenplatz als häufigster Wintervogel in Rheinland-Pfalz, auf Platz zwei stand damals die Kohlmeise, auf den Plätzen drei bis fünf folgten Blaumeise, Amsel und Feldsperling. Viele Menschen, wenig Vögel – so lautet hingegen die Zwischenbilanz der diesjährigen Winterzählung, die noch bis zum 16. Januar läuft. Zum siebten Mal hat der NABU bundesweit zur Zählung der Singvögel in den heimischen Gärten aufgerufen, kurz vor Ende der Aktion verzeichnet der Verband einen wahren Teilnehmerrekord bei der „Stunde der Singvögel“: Bis Dienstag gingen deutschlandweit bereits Meldungen von mehr als 87.000 Vogelfreunden aus über 56.000 Gärten ein. In Hessen beteiligten sich bereits jetzt rund 7.100 Vogelfreunde – das waren 2.000 mehr als vor einem Jahr.
In 4998 Gärten wurde fleißig beobachtet und dabei 159.377 Vögel gezählt. Das klingt viel, ist aber eigentlich wenig: Statt der knapp 42 Vogelindividuen pro Garten im langjährigen Mittel wurden in diesem Jahr nur 34 Vögel pro Garten gemeldet – ein Rückgang von knapp 20 Prozent. „Eine umfassende Erklärung dafür gibt es bisher nicht. Wahrscheinlich ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren verantwortlich“, sagt Olaf Strub, Geschäftsführer und Ornithologe beim NABU Rheinland-Pfalz. Der milde Winter nämlich machte bisher den Vögeln die Suche nach Futter leicht: Viele Vögel blieben schlicht im Wald. Die Zählungen des NABU hingegen finden in Städten oder zumindest von Menschen belebten Regionen statt, dort müssen Vögel erst auf Futtersuche gehen, wenn die anderen Quellen versiegen.
Einen Zusammenhang mit der Vogelgrippe gebe es hingegen nicht, betonte der NABU Rheinland-Pfalz: Singvögel würden nicht von der Geflügelpest befallen. Es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass heimische Gartenvögel aufgrund widriger Witterung im vergangenen Jahr weniger Junge aufziehen konnten. Andere Arten seien gar nicht erst nach Süden gezogen, heißt es weiter – das erkläre die hohe Zahl der Amseln, Drosseln und Stare. Die seien sonst „bei der ersten Kälte weg“, sagt Langenhorst, doch Kälte gab es bis zum Jahresende eben kaum. So bleibe am Ende die Erkenntnis: Auch das Wanderverhalten der Vögel unterliegt neuen Trends. „Die Vögel richten sich nach den warmen Strömungen“, sagt Langenhorst, „die wissen ja nicht, wie das Wetter wird, also probieren sie es einfach aus.“
Den Menschenrekord erklärt der NABU hingegen mit der Sorge der Gartenbesitzer: Weil in den vergangenen Wochen so wenig Vögel gesichtete wurden, sei das Interesse an der Zählung jetzt groß. Aufgeben sollte man indes nicht: „Wenn das Wetter so kalt bleibt, dann können die Meisen aus dem Osten noch ‚rüberziehen“, sagt Langenhorst, „kann gut sein, dass in ein, zwei Wochen an den Futterhäusern ganz viel los ist.“
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Ergebnissen der Zählaktion mit Karten und Details zu verschiedenen Regionen findet Ihr hier im Internet. Noch bis zum 16. Januar kann man bei der Winterzählung des NABU mitmachen, mehr dazu hier im Internet. Und so funktioniert es: Von einem ruhigen Beobachtungsplätzchen im eigenen Garten oder einer anderen Stelle im besiedelten Raum (Dörfer und Städte) aus wird von jeder Art die höchste Anzahl notiert, die innerhalb einer selbstgewählten Beobachtungsstunde gleichzeitig zu beobachten ist. Die festgestellten Zahlen können dann im Internet unter www.stundederwintervoegel.de gemeldet werden, die Ergebnisse werden dort ausgewertet und regelmäßig aktualisiert. Der NABU stellt eine Zählhilfe, Porträts der häufigsten Vogelarten sowie Tipps zur Winterfütterung zur Verfügung. Ein Video zeigt zudem, wie man einfach selbst einen Futterspender für Vögel bauen kann.