Deutschland diskutiert über einen deutlich verschärften Lockdown, da setzt das Mainzer Open Ohr ein ganz anderes Zeichen: das politische Jugendkulturfestival soll stattfinden. Vom 21. bis zum 24. Mai 2021 wolle man auf der Zitadelle in Mainz unter dem Motto „Lasst uns bunte Banden bilden“ zusammenkommen, teilte die Freie Projektgruppe nun mit. Im Mittelpunkt soll dabei das Thema Familie stehen – das ausgefallene Thema Wohnraum aus 2020 wird nicht umgesetzt. Doch auch 2021 wird es wohl ein anderes Open Ohr: Es werde weniger Tickets geben – und keinen Zeltplatz.

Diskutieren, Feiern, Musik und Kabarett hören - das 47. Open Ohr im Jahr 2021 wird wohl anders werden. - Foto: gik
Diskutieren, Feiern, Musik und Kabarett hören – das 47. Open Ohr im Jahr 2021 wird wohl anders werden. – Foto: gik

„Keinraumwohnung“ lautete das Thema für das Open Ohr Festival 2020, das letzte politische Jugendkulturfestival der Republik hatte sich eigentlich dem hoch brisanten Thema Wohnungsnot und Visionen des künftigen Wohnens widmen wollen – es wurde nichts daraus: Im März sagte die Stadt Mainz das Festival ab. Unter den aktuellen Bedingungen sei es „nicht zu verantworten, das Festival stattfinden zu lassen“, hieß es damals. Ende Mai dann hatten Restaurants, Schulen und Geschäfte wieder offen, Rheinland-Pfalz verzeichnete ganze 28 Neuinfektionen pro Tag, so etwa am 28. Mai, kurz vor Pfingsten – aus heutiger Sicht geradezu ein Witz.

Am 15. Januar 2021 melden die Behörden allein in Mainz 39 neue Coronainfektionen und mehr als 750 in ganz Rheinland-Pfalz, die Republik diskutiert über einen scharfen Lockdown mit Ausgangssperren – die Planungen für das 47. Open Ohr laufen trotzdem an. Unter dem Titel „Lasst uns bunte Banden bilden!“ soll vom 21. bis zum 24. Mai 2021 auf der Zitadelle in Mainz diskutiert und Kultur genossen werden, erste Künstler seien bereits bestätigt, teilte die Freie Projektgruppe nun mit. Das für 2020 geplante Thema „Keinraumwohnung“ wolle man aber nicht umsetzen – obwohl das Festivalprogramm rund um das Thema Wohnen als Grundrecht und als soziale Frage bereits vollständig ausgearbeitet ist.

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Familien sollen thematisch im Mittelpunkt des 47. Open Ohr 2021 stehen. - Foto: gik
Familien sollen thematisch im Mittelpunkt des 47. Open Ohr 2021 stehen. – Foto: gik

„Die außerordentlichen Umstände, die das Corona-Virus auch in dieser Saison mit sich bringt, sowie eine beinahe komplett neue Gruppenzusammensetzung bewegte die Freie Projektgruppe dennoch dazu, einen neuen thematischen Fokus zu setzen“, heißt es weiter. So soll sich das Open Ohr 2021 nun um das Thema Familie drehen: „Wir möchten genauer hinschauen, wer in Deutschland überhaupt zur Familie gezählt wird“, sagte Lena Kaluza, Mitglied der Freien Projektgruppe.

Das Thema Familie betreffe jeden Einzelnen, „Familie prägt und begleitet uns mehr oder weniger unser gesamtes Leben lang“, so das Thesenpapier zum Thema: „In Familien werden wir hineingeboren, adoptiert, aufgenommen, sie kann Halt geben oder auch eine Last sein.“ Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie sei die Familie wieder stärker in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Die Wahrnehmung von Familie hänge aber auch vom jeweiligen Blickwinkel ab: „Ob Gesellschaft, staatliche Institutionen, Familienmedizin, Psychologie, Sozialarbeit, in jedem Bereich ergeben sich eigene Fragestellungen und Interpretationen zum Begriff Familie.“

Trotz Corona: Das Open Ohr will auch 2021 Kultur, Musik und Debatten bieten. - Foto: gik
Trotz Corona: Das Open Ohr will auch 2021 Kultur, Musik und Debatten bieten. – Foto: gik

Auch Familienrecht und Abstammungsprinzip sollen Themen des Open Ohr sein: „Wie kann es zum Beispiel sein, dass gleichgeschlechtliche Eltern oder Transeltern in Deutschland immer noch nicht die gleichen Rechte haben wie Eltern, die eher den Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft entsprechen?“, sagt Kaluza. Wann und wie dürften oder sollten sich Staat und Gesellschaft in die Familie einmischen und wie sehe es mit der Geschlechtergerechtigkeit sowie Kinder- und Jugendrechten in Familien in Deutschland aus? Diesen Fragen wolle man gemeinsam mit den Festivalbesuchern nachgehen.

Dabei lohne es sich auch, den Wandel gesellschaftlicher Vorstellungen und Bilder von Familie zu betrachten und deren Auswirkungen auf Familien und die Gesellschaft zu reflektieren. „Gerade vor dem Hintergrund technischer Fortschritte, beispielsweise in der Genanalyse oder der Pränataldiagnostik, muss sich unsere Gesellschaft mit der Ethik zukünftiger Familienplanung auseinandersetzen“, sagte Projektgruppenmitglied Konrad Herfurth. Zu diesen und weiteren Debatten wolle man mit dem geplanten Programm einen substanziellen Beitrag leisten.

In der Coronapandemie besonders gefragt: Liebe, Nähe - und Familie. - Foto: gik
In der Coronapandemie besonders gefragt: Liebe, Nähe – und Familie. – Foto: gik

Und natürlich soll sich das Thema „Familie“ ganz Open Ohr spezifisch nicht nur in Podien und themenbezogenen Informationsangeboten spiegeln, sondern auch in Theateraufführungen, Filmen, Lesungen und Workshops, „eingerahmt von Musik und Kabarett zum gemütlichen Feiern in familiärer und freundschaftlicher Runde“, heißt es weiter. Denn sollte das Open Ohr an Pfingsten tatsächlich stattfinden, wird die Corona-Pandemie nicht ohne Spuren bleiben: Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Pandemie werde nun erstmals zusammen mit der Stadt Mainz ein Festivalkonzept erarbeitet, das Abstands- und Hygieneregeln sowie die Kontaktnachverfolgung berücksichtigen und gleichzeitig dem hohen inhaltlichen Anspruch des OPEN OHR Festivals gerecht werden solle, heißt es.

Einige Änderungen stehen aber schon fest: Aus Gründen des Infektionsschutzes wird es dieses Jahr keinen Festivalzeltplatz und keine Verkaufsstände geben, auch die Anzahl der Tickets werde begrenzt sein. „Doch auch wenn das 47. OPEN OHR in einem veränderten Rahmen stattfinden wird, so erwartet die Besucher dennoch ein gewohnt anspruchsvolles inhaltliches und künstlerisches Programm“, betonten die Planer. Weitere Details zum diesjährigen Festivalkonzept wolle man demnächst bekanntgeben.

Info& auf Mainz&: Informationen und aktuelle Ankündigungen findet Ihr wie immer auf der Internetseite des Open Ohr, hier im Netz. Wer noch einmal nachlesen möchte, was zum Thema „Keinraumwohnung“ 2020 geplant war, kann das hier bei Mainz& tun.

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