Es war das versprochene spannende Finale, das am Ende eine mit hauchdünnem Vorsprung für sich entschied: Lena Endesfelder von der Mosel wurde am Freitagabend in Mainz zur 68. Deutschen Weinkönigin gekürt. Von Mainz, der Great Wine Capital, war dabei allerdings praktisch nichts zu sehen: Kein einziges Plakat, kein Banner, kein Hinweis, weder in der Rheingoldhalle noch davor. Die Wahl der deutschen Weinkönigin, ein großes Event? Sicher – aber offenbar nicht für Mainz. Lediglich zwei Banner wiesen auf Rheinhessen und das 200. Jubiläum der Region hin – das war’s. Auch in der anderthalbstündigen Wahlgala, live vom SWR in die Republik gesendet, kamen weder Mainz noch das Rheinhessen-Jubiläum groß vor. Die Weinbranche feierte trotzdem sich selbst und eine Institution, die einfach alle noch richtig zeitgemäß fanden – einschließlich Lars Reichow.
Wer einmal bei der Wahl der Deutschen Weinkönigin an ihrem angestammten Ort in Neustadt an der Weinstraße war, kennt es anders: Dort, in der Pfalz, wo die Deutsche Weinkönigin vor 68 Jahren „erfunden“ wurde, ist die Wahl der höchsten deutschen Weinmajestät alljährlich ein großes Fest. Vor der Tür des Saalbaus wird beim Winzerfest an Dutzenden Ständen geschlemmt und getrunken, gefeiert und genossen.
Mainz: Great Wine Capital bleibt unsichtbar
In Mainz dagegen kein einziger Stand vor der Tür, kein roter Teppich, nicht einmal ein Plakat als Hinweis. Das Weinsensoriums des Deutschen Weininstituts hielt die Stellung auf dem Rathausplateau, das Zelt aber machte pünktlich um 21.00 Uhr zu. Mainz feiert die Weinkönigin? Mitnichten.
Bei der Vorentscheidung vergangenen Samstag gab es noch weniger als das: Nicht einmal ein Glas Wasser wurde den Gästen aus nah und fern vor Beginn der Show zugestanden. „Sieben sind in der Vorentscheidung verdurstet, weil es hier nichts zu trinken gab“, lästerte Kabarettist Lars Reichow in der Sendung. Rheinhessenwein, die Marketingorganisation der Winzer, sprang daraufhin ein und sorgte für einen Begrüßungssekt, es gab Wasser und Brezeln – das war’s. Von der Great Wine Capital Mainz war weiter nichts zu sehen – und dabei war die Wahl zu Beginn des Jahres von Mainzplus Citymarketing als eines DER Highlights des Jahres angepriesen worden.
„Wir wollen gute Gastgeber sein“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) zwar, doch mitfiebern, mitfeiern, das taten die Mainzer nicht. Stattdessen wurden die Gäste morgens um 3.00 Uhr reichlich unsanft vom Dienstpersonal aus der Rheingoldhalle genötigt – das haben wir in 15 Jahren in Neustadt nicht ein einziges Mal erlebt.
Spannende Wahlgala mit Routine-Spielchen
Die Wahlgala selbst war Routine und trotzdem spannend. Die sechs Finalistinnen mussten mit allerlei Spielen ihr Können, vor allem aber Charme, Gewandheit und Rhetorik beweisen. „Wir suchen hier schließlich nicht irgendeine Weinbergsschnecke, sondern eine Frau, die Deutschland in der ganzen Welt vertritt“, merkte Reichow völlig zu Recht an. Und so mussten die Damen einen Wein auf offener Bühne allein am Geschmack erkennen und ihn auch noch einem Weinanbaugebiet zuordnen – so mancher Experte würde daran scheitern.
Die meisten Kandidatinnen schmeckten, beschrieben druckreif – und rieten am Ende richtig. Ausgerechnet die spätere Weinqueen patzte hier, meinte einen Riesling zu schmecken, wo es ein Weißburgunder war. Aber ihre Weinbeschreibung war so druckreif, präzise und ausdrucksvoll wie bei kaum einer der anderen Kandidatinnen. Bei einer Rede an ein fiktives Publikum – mal Rotweinwinzer, mal Apothekerverband – galt es dann, Spontanität und Witz zu beweisen und dabei auch noch die geforderten Begriffe einzubauen. Lena Endesfelder verband den Papst, Stefan Raab und David Cameron charmant mit Wein, und erriet im anschließenden Ratespiel auch den Nebenjob des rheinhessischen Winzers Andreas Wagner: Weinkrimi-Autor.
Kandidatinnen aus Franken und Württemberg Weinprinzessinnen
Aber versucht Ihr mal, Fallrohrmuffe und Klopapierrollenhalter mit Wein in einer Rede zu verbinden 😉 Christina Schneider schaffte das dennoch mühelos und charmant. Die Fränkin war Lena ganz dicht auf den Fersen, ebenso wie die Psychologin Mara Walz aus Württemberg. Wie Lena auch glänzten sie mit Weinwissen, Auftreten und Rhetorik – ein harter Job für die 78-köpfige Jury.
Die drei übrigen Kandidatinnen von der Nahe, der Hessischen Bergstraße und aus dem Rheingau konnten bei dem Niveau nicht ganz mithalten, erneut gaben Nuancen und die gewisse Spritzigkeit der Tagesform den Ausschlag. Die rheinhessische Kandidatin Sabrina Becker war nach einem rabenschwarzen Tag bereits im Vorentscheid ausgeschieden.
Walz und Schneider wurden am Ende Deutsche Weinprinzessinnen und werden ebenfalls ein Jahr lang im Dienste des deutschen Weins durch die Lande reisen. Den Ausschlag für die Weinkönigin aber gaben die letzten fünf Minuten: Da sollten die letzten drei noch einmal eine Rede halten, einen Brief an sich selbst. Und da offenbarten sich die verschiedenen Persönlichkeiten: Während nämlich die beiden anderen Damen über Gebühr ihre guten Eigenschaften herausstrichen, beschrieb sich Endesfelder selbstironisch und witzig von Kopf bis zu den „muskulös-dynamischen Steillagen-Waden“. Das war sympathisch, gewandt, authentisch – und am Ende der Sieg.
Deutsche Weinkönigin noch zeitgemäß?
Aber ist denn nun die Deutsche Weinkönigin überhaupt noch zeitgemäß? Sollte man sie nicht lieber modernisieren, abschaffen vielleicht – oder umbenennen, wie jüngst CDU-Landeschefin Julia Klöckner (selbst Ex-Weinkönigin) forderte, weil der Titel „Königin“ so altbacken-mädchen-märchenhaft sei? „Natürlich brauchen wir die Deutsche Weinkönigin noch“, fand Weinbauminister Volker Wissing (FDP): „Sie ist ein erfolgreiches Werbeinstrument, über das die Gesellschaft redet, da müssen wir nichts Neues erfinden.“
„Sie ist zeitgemäßer denn je“, meinte der rheinhessische Weinbaupräsident Ingo Steitz, „gerade in dieser schnelllebigen Zeit brauchen wir Institutionen von großer Standfestigkeit.“ Die Weinkönigin werde von vielen noch immer unterschätzt, komme aber gerade bei den jungen Leuten als moderne, aufgeschlossene Vertreterin des Weins „sehr gut an.“ Und schließlich brachte es Lars Reichow auf den Punkt: „Wie soll das Format denn sonst heißen?“, fragte Reichow: „Germany’s next Top-Traube? Deutschland sucht die Rebengöttin?“
Nein, Deutschland bleibt bei seiner Deutschen Weinkönigin – und deren 68. Titelträgerin heißt Lena Endesfelder und ist eine 23 Jahre alte Winzerin von der Mosel, die gemeinsam mit ihrer Mutter und Schwester ein kleines Weingut in Mehring schmeißt, Weinfachwissen aus dem Eff-Eff kennt, in Steillagen Weinberge pflegt und in Gummistiefeln wie Abendkleid eine super Figur macht. Wahrlich, Deutschland könnte sich schlechter vertreten lassen.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Diskussion um die Wahl der Deutschen Weinkönigin, zur Auswahl der Kandidatinnen und der Machart der Fernsehshow durch den SWR habe ich in einem ausführlichen Gastbeitrag für den Burgenblogger verfasst – lest Ihr im Laufe des Samstags genau hier.