Die Weinwelt schaut heute Abend nach Neustadt an der Weinstraße, denn im Saalbau geht es dort um alles: Wer wird die neue Deutsche Weinkönigin? Es ist eine historische Wahl, denn die höchste Krone im deutschen Weinbusiness wird zum 75. Mal vergeben. Die Wahlgala am Abend wird mehr als deutlich machen: Mit Dirndl, Römerglas und einfachem Lächeln ist dieser Job schon lange nicht mehr zu erringen. Die Deutsche Weinkönigin muss heute eine gestandene Weinfachfrau mit enorm vielen Fähigkeiten und Ausstrahlung sein – und sie agiert zunehmend im Team mit ihren Weinprinzessinnen.
Die erste Deutsche Weinkönigin wurde noch schlicht ernannt, 1949 war das, und die Pfälzerin Elisabeth Kuhn hielt ein wenig schüchtern ein Szepter in die Kameras, das mehr an Fastnacht als an Wein erinnert. Ab 1950 wurde die Deutsche Weinkönigin gewählt, doch die Ausrichtung blieb: Dirndl, Krone, Szepter, später ein dickwandiges Römer-Weinglas. Als „echte Töchter der Weinberge, von kräftiger Statur, kerngesund und apfelbäckig“ beschrieb 1950 etwa die „Süddeutsche Zeitung“ die Kandidatinnen. Die Prüfungen bestanden damals unter anderem darin, einen Walzer zu tanzen und eine Rede zu halten.
Das ist lange her, und die Rolle der Deutschen Weinkönigin hat sich seither fundamental gewandelt: Aus den braven Dirndl-Mädels sind heute gestandene Weinfachfrauen geworden, die mit fundiertem Weinwissen aufwarten müssen – und nebenher mindestens Englisch fließend beherrschen müssen. Schlagfertigkeit und Ausstrahlung gehören unabdingbar dazu, eine Kernfähigkeit ist Marketing, ja: als Influencerin in Sachen Wein auf allen medialen Kanälen unterwegs sein.
Weinkönigin: Businessfrau und Bloggerin, Rednerin und Weltreisende
Die Deutsche Weinkönigin ist heute Businessfrau und Bloggerin, die muss neben Ministern stehend ebenso eine gute Figur machen wie auf einem zünftigen Weinfest, zwischen Chinesischen Touristen oder auf dem Ball des Weins in großer Gala. Sie sei in ihrem Amtsjahr Rednerin und Businessfrau, Autobahnpiratin, Weltreisende, Journalistin, Fußballerin, Rennradfahrerin und Weinfachfrau gewesen, sagte die Deutsche Weinkönigin des Jahres 2015/2016, Josefine Schlumberger am Ende ihres Amtsjahres. Und fügte hinzu: Eines sei sie auch noch gewesen – „Vorbild, für kleine Mädchen, aber auch etwas größere.“
Tatsächlich ist die Deutsche Weinkönigin im Jahr 2023 ein begehrter Job, ein Sprungbrett in Richtung Weinbusiness, ein großer Erfolg für die jungen Damen, die das Amt erringen. Und „Damen“ ist sehr bewusst im Plural gewählt: Die Zeiten, wo die Deutsche Weinkönigin eine Solotänzerin war, sind lange vorbei. „Der Teamgedanke steht immer mehr im Vordergrund“, sagte Ernst Büscher, Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI), das die Wahl der Weinmajestäten ausrichtet.
Denn flankiert wird die Deutsche Weinkönigin von zwei Deutschen Weinprinzessinnen, und in den vergangenen Jahren wurde daraus zunehmend ein Trio für den deutschen Wein. Mit Katharina Staab, der Weinkönigin 2917/2018 von der Nahe, fasste der Teamgedanke so richtig Fuß: Zum ersten Mal gab es eine Autogrammkarte des Majestätinnen-Trios. Das erwuchs auch aus Zugeständnissen an die moderne Arbeitswelt: Die Weinprinzessinnen mussten und durften immer mehr Aufgaben übernehmen, die früher allein der Königin vorbehalten waren.
Weinmajestätinnen ist heutzutage Teamwork, Sekt „Augenhöhe“
Die scheidende Deutsche Weinprinzessin Luise Böhme vertrat gerade Deutschland und seine Weine auf einer Reise durch China, während Königin Katrin Lang in New York und Hongkong unterwegs war. Juliane Schäfer, Deutsche Weinprinzessin aus Rheinhessen wiederum deckte die Sparte Weinfeste und Radtouren ab oder führte irische Weinjournalisten durchs Land. Den „Blog der Weinhoheiten“ schrieb das Trio gemeinsam, und gemeinsam kreierten die drei einen Sekt mit dem Label „Augenhöhe“ – mehr Gleichberechtigung geht nicht.
Teamfähigkeit und Ausstrahlung, Spontanität, Redegewandheit und die Fähigkeit zum überzeugenden Auftritt – das sind denn auch die Eigenschaften, die am Freitagabend in Neustadt an der Weinstraße gefragt sein werden. Fünf Kandidatinnen haben sich in der Fachbefragung vergangenen Samstag für das Finale qualifiziert.
12 Kandidatinnen hatten sich in diesem Jahr zur Wahl gestellt, das Weinanbaugebiet Hessische Bergstraße schickte in diesem Jahr keine Vertreterin. Und unter den 12 Kandidatinnen war die Berufsvielfalt so groß wie nie: Da traten eine Chemie- und Umwelttechnikerin, eine Wirtschaftspsychologin und sogar eine Musikstudentin zur Wahl an – man könnte sagen: Es ist ein Jahr der Quereinsteigerinnen.
Fünf aus 12 im Finale: Punkten mit Weinwissen & Charme
Nur noch sechs der Kandidatinnen in der Vorentscheidung kamen direkt aus dem Bereich Weinbau oder Weinmarketing – so viel Vielfalt gab es noch nie. Doch das heißt beileibe nicht, dass das Niveau in Sachen Weinwissen gesunken wäre: Was ist das perfekte Weinglas? Welche Rolle spielen Weinpreise fürs Marketing? Wie verändert der Klimawandel den Weinbau oder welche Rebsorten wären für den Weinexport und das Weinimage gut nutzbar?
Solche und andere anspruchsvolle Fachfragen mussten die Kandidatinnen dann in einem engen Zeitlimit schlüssig und flüssig erklären. Was eine Steillage ist und was ein biologischer Säureabbau, wie traditionelle Sektherstellung aussieht oder die Produktion von alkoholfreiem Wein – solches Fachwissen wird ohnehin schon mal vorausgesetzt. Und da zeigte sich: Winzerin sein reicht alleine eben nicht. Die rheinhessische Weinkönigin Sarah Schneider ist zwar gestandene Winzerin, doch der Auftritt auf der großen Bühner lag ihr sichtlich nicht: Zu viel Dialekt, zu wenig geschliffene Redegewandheit, das bedeutete ganz knapp das Aus im Vorentscheid.
Die Landeshauptstadt Mainz ist dennoch im Finale gut vertreten: Sarah Röhl von der Mosel – genau: aus dem Weinort Kröv an der Mittelmosel – studiert in Mainz klassische Musik mit Schwerpunkt Gesang und ist zudem beim Weingut Eva Vollmer in Mainz-Ebersheim fpr Social Media und digitales Marketing zuständig. Im Vorentscheid vergangenen Samstag legte die 23-Jährige eine überzeugenden Auftritt mit fundiertem Weinwissen und viel Charme hin – und setzte sich in einer Stichwahl ganz knapp gegen Sarah Schneider aus Rheinhessen durch.
Weinkönigin heute: Botschafterin des Weins in aller Welt
Bei anderen zeigte sich wiederum, wie unverzichtbar Fremdsprachenkenntnisse sind: Wer nicht flüssig in Englisch über Weine und Weintourismus parlieren kann, hat in dem anspruchsvollen Wettbewerb keine Chance aufs höchste Amt. Das hat gute Gründe, schickt die Weinwirtschaft ihre Deutsche Weinkönigin schließlich als Botschafterin in alle Welt. Die Rheingauerin Katja Föhr konnte da ganz besonders punkten: Fünf Sprachen beherrscht die Lehramtsstudentin, die auch in Mainz studiert – Niederländisch, Portugiesisch, Französisch, Italienisch und Englisch. Und das mit gerade einmal 21 Jahren.
Den Gegenpol in Sachen Alter stellt Jessica Himmelsbach: Die Badenerin ist schon 28 Jahre alt, was für eine Weinkönigin eher ungewöhnlich ist. Die Winzerin aus Heitersheim lebte schon in in den USA und den Niederlanden und interessiert sich für Weinbaupolitik – kein Wunder, dass sie die Finessen des neuen Weingesetzes perfekt erklären konnte. Einen beeindruckenden Auftritt legte auch Finalistin Nummer vier hin: Eva Brockmann, Winzerin aus Franken, präsentierte sich eloquent und souverän, dazu mit Charme und gekonntem Auftreten – eine klare Kandidatin für eine der drei Kronen.
Die intensivste Bühnenpräsenz aber hatte eine andere: Lea Basler aus der Pfalz brillierte nicht nur mit perfekten Fachwissen, sondern auch mit Charme, Eleganz und hoher persönlicher Ausstrahlung – die 23-jährige Kauffrau für Büromanagement dürfte als Favoritin in die Wahlgala am Abend gehen. Eine Garantie ist das indes nicht: Beim Finale geht es um den großen Auftritt, aber auch um Redegewandheit, um Spontanität und Persönlichkeit – und das vor den Augen der 70-köpfigen Jury, von mehreren Tausend Zuschauern im Saal und einem Millionenpublikum vor den Fernsehern.
Publikum wählt Deutsche Weinkönigin mit
Nicht gereicht hatte es am Ende auch für Christiana Schwarz von der Nahe und für Merle Kurth von der Ahr – Letztere hatte aber noch Gelegenheit zu einem eindringlichen Plädoyer: „Kommen Sie an die Ahr, jetzt, in fünf Jahren und in zehn Jahren“, plädierte die Weinfachfrau aus Bachem: „Wir leben vom Weintourismus – und Sie sind schon lange keine Katastrophentouristen mehr.“
Die Spannung, wer am Ende das Rennen macht, welche der jungen Damen Weinkönigin und welche die beiden Weinprinzessinnen sein werden, wird groß sein – Ihr könnt sie live miterleben: Ab 20.15 Uhr wird die Gala zur Wahl der 75. Deutschen Weinkönigin live im SWR-Fernsehen übertragen. Und wer vorher schon Zeit hat: Ab 19.25 Uhr gibt es bereits im Livestream auf deutscheweine.de die Abschiedsreden der scheidenden Weinmajestätinnen zu sehen. Es lohnt sich, denn die Damen ziehen da jedes Mal ein sehr persönliches Fazit: „Die Prägung durch dieses eine Jahr, die kann einem keiner nehmen“, sagte Weinprinzessin Juliane Schäfer schon mal im Vorfeld.
Ein Jahr lang werden die Weinmajestätinnen dann im Dienste des deutschen Weins durch das Land und die Welt reisen – das Amt ist auch nach 75 Jahren kein bisschen verstaubt oder gar überflüssig: „Die Deutsche Weinkönigin ist noch immer eine wichtige Botschafterin des deutschen Weins“, sagt Büscher: „Sie öffnet Türen, die ansonsten der Weinwirtschaft verschlossen bleiben würden.“ Denn eine WeinKÖNIGIN hat kein anderes Land, die Dame mit der Krone ist noch immer eine Besonderheit, betont Büscher: „Sie ist ein Original, das es mit dieser Strahlkraft in keiner anderen Branche gibt.“
Info& auf Mainz&: Die Wahl der 75. Deutschen Weinkönigin findet am Freitagabend ab 20.15 Uhr live im Saalbau in Neustadt an der Weinstraße statt und wird live im SWR-Fernsehen oder im Internet auf deutscheweine.de übertragen. Zum zweiten Mal in der Geschichte der Deutschen Weinkönigin dürfen auch die Zuschauer vor den Bildschirmen und im Saal mitentscheiden, wer die höchste Deutsche Weinkrone tragen soll. Die Publikumsabstimmung kann über das Handy, Tablet oder am Laptop über das Dialogforum „meinSWR“ vorgenommen werden. Mehr zu den fünf Finalistinnen und der Wahl findet Ihr hier beim Deutschen Weininstitut oder hier beim SWR.